A Plague Tale - Innocence
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BEWERTUNG |
07.06.2019 von Beef Supreme
Die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts war keine besonders gute Zeit, um sich in Europa aufzuhalten. Die Pest, malerisch auch der Schwarze Tod genannt, schlug um sich und hat ein Drittel der Bevölkerung ausradiert. A Plague Tale: Innocence greift diese Tragödie auf und erzählt die Geschichte einer Adelstochter und ihres kleinen Bruders zu Zeiten von Tod, Verderbnis und religiösem Fanatismus.
Der Tag begann so gut für Amicia, die Sonne strahlt, der viel beschäftigte Vater hat endlich Zeit für sie und der Wald ums Gehöft bietet so vieles zu entdecken. Das ändert sich doch schlagartig als Amicias Hund in einem Erdloch verschwindet und von irgendwas zerfleischt wird. Am Boden zerstört kehrt sie zum Anwesen zurück, doch die Probleme häufen sich weiter, denn plötzlich steht die Inquisition vor der Tür und fängt an, jeden niederzumetzeln, angefangen bei ihrem Vater. Amicia bekommt auferlegt, mit ihrem 5 Jahre jungen Bruder Hugo, den sie fast nicht kennt, zu fliehen. Der Kleine leidet an einer unbekannten Krankheit und verbrachte sein bisheriges Leben quasi in Quarantäne. Auf ihrer gemeinsamen Flucht vor den Fanatikern müssen sie sich nicht nur gerüsteten Soldaten, sondern auch gigantischen Horden blutrünstiger Ratten erwehren, die überall aus dem Boden brechen und jeden, den sie in Ihre Zähnchen bekommen, in Windeseile verschlingen. Es stellt sich heraus, dass die Inquisition ausgerechnet den kleinen Hugo jagt und Amicia alle Hände voll zu tun haben wird, sich selbst und ihren kleinen Bruder am Leben zu halten.
Der schleichende Bodyguard
Eskortmissionen sind die Plage der Gaming-Welt, nichts ist nerviger als auf eine dumme KI aufpassen zu müssen, die sich kichernd in jedes Schwert wirft, wenn man nicht schnell genug ist. Und dann auch noch ein ganzes Spiel nach dem Konzept? Ist Plague Tale das software-gewordene Guantanamo? Mitnichten! Obwohl man fast das ganze Spiel hinweg als Amicia auf den kleinen Hugo achtgeben muss, meistern die Entwickler zwei der riskantesten Stolperfallen. Erstens, Hugo nervt nicht. Ganz im Gegenteil, den Asobo Studios gelingt das Kunststück, dass einem der Kleine in Rekordgeschwindigkeit ans Herz wächst, obwohl er völlig hilf- und eigentlich nutzlos ist. Und zum anderen fällt er spielemechanisch kaum auf, sodass man sich auf sein Spiel konzentrieren kann, ohne ständig unter diesem Fürsorgedruck zu stehen, den solche Aufpassermissionen mit sich bringen.
Schwefel und Stein
Dafür muss man in den gut designten linearen Abschnitten auch mal nach alternativen Routen suchen, denn die Ressourcen werden nicht nur zum Aufrüsten verwendet, sondern auch fürs Craften von Munition, denn Amicia entwickelt sich im Verlauf zu einer Hobby-Alchemistin. Feuer entfachen oder löschen, Ratten anlocken oder Soldaten schlafen schicken, all das kostet Material und will wohlweislich eingesetzt werden. Daneben lassen sich auch noch allerlei Sammelgegenstände finden, die einen kleinen historischen Einblick in die Zeit damals geben, für die Handlung allerdings keine Rolle spielen. Ist man daran nicht interessiert, spricht auch nichts dagegen den direkten Weg durch die Abschnitte zu wählen. Dabei ist es wichtig, die Routen der weitgehend cleveren Gegner zu beobachten und aus deren Sichtfeld zu bleiben, wobei dieses manchmal eingeschränkt ist. Teils ist es möglich neben ihnen herzuschleichen, ohne dass sie einen bemerken. Übermäßig fordernd ist die Heimlichtuerei nicht, da meist schnell klar ist, wie sich welche Gegner ablenken lassen. Hier hilft auch die meist recht eindeutige Levelarchitektur, die einen in den entsprechenden Momenten mit Ressourcen oder blinkenden Interaktionsmöglichkeiten unterstützt. Gut gelöst: Wer mehr selber rätseln will, kann dieses Blinken deaktivieren. Und kommt es mal zum Kampf, werden Amicias Schießkünste durch eine sehr mächtige Zielhilfe unterstützt, sodass es schon fast eine Kunst ist, daneben zu schießen. Dennoch entsteht eine Bedrohung, wenn man sich mehreren Feinden gegenübersieht, da die Schleuder nur sehr langsam nachlädt und nach jedem Schuss erst einmal „auf Temperatur“ gebracht werden muss. Zudem wirkt sich die Zielhilfe auch manchmal störend aus, wenn man ein anderes Ziel anvisieren will, der Cursor aber am Schädel des ersten Gegners festgeklebt zu sein scheint. Wen das zu sehr stört, sie lässt sich in den Optionen komplett deaktivieren.
Ratten, jede Menge Ratten
Neben menschlichen Feinden bedrohen auch eine gigantische Heerschar an Ratten die zwei Geschwister. Und hier zeigt Plague Tale seine Stärke. Begegnet man dem pelzigen Todesteppich das erste Mal ist es höchst eindrucksvoll, wie die kleinen Tierchen einer Welle gleich aus dem Boden Sprudeln und alles vernichten, was auf ihrem Weg liegt. Sie fürchten allerdings das Licht, was das Spiel für interessante und kreative Puzzle-Einlagen nutzt. Mal müssen Fackeln getragen, mal eine Windmühle angezündet werden. Immer wieder glänzt das Spiel mit Ideenreichtum, wie man sich die pelzigen Biester vom Leib halten soll. Und es wird auch nicht langweilig, dabei zuzusehen, wie sich die wuselnden Viecher um den Lichtkegel scharen, in Ecken stapeln oder aus Löchern hervorsprudeln, mit ihren roten Augen und dem unheilvollen Quieken. Interessant ist auch, wie sie in Konfrontationen eingesetzt werden können, wenn Amicia in der Lage ist, Fackeln der Feinde zu löschen und zufälligerweise steht da gerade ein Pulk hungriger Ratten in der Nähe. So bietet Plague Tale trotz linearem Aufbau verschiedene Möglichkeiten, ans Ziel zu gelangen.
Es war einmal… die Pest
Eine weitere große Stärke des Spiels sind die Charaktere. Auf der Reise begegnet man immer wieder Weggefährten, die eine eigene Geschichte haben, die im Verlauf des Spiels erzählt wird. Schnell entwickelt sich eine Bindung zu jedem Charakter und man vermisst sie schon fast, wenn sie Amicia mal nicht begleiten. Hier wird einem gekonnt vor Augen geführt, dass die zwei Geschwister nicht die einzigen sind, die durch die Pest und die Ratten viel verloren haben. Die Schicksale der NPCs werden glaubhaft transportiert ohne dabei die emotionale Keule zu hart zu schwingen. Insgesamt gehört das Geschichtenerzählen zu den Highlights des Spiels. An den richtigen Stellen wird die Geschwindigkeit angezogen, es nimmt sich aber auch die Zeit für ruhige Momente. Gerade dieser gelungene Wechsel sorgt für ein immersives Storytelling, das den Vergleich zu The Last of Us nicht scheuen muss.
Malerisches Frankreich
A Plague Tale, obwohl von einem recht kleinen Studio entwickelt, weiß durch seine Technik zu überzeugen. Die eindrucksvoll gestalteten Levels sehen wundervoll aus und vermitteln glaubhafte Größenverhältnisse. Dabei ist nicht nur das Design erstklassig, auch die technische Umsetzung ist über jeden Zweifel erhaben. Ob warmes Sonnenlicht, dass durch ein Blätterdach fällt und tanzende Schatten auf die hervorragend animierten Gesichter wirft, oder Regenschauer die sich im Dunkel über endlose von Leichen übersäte Schlachtfelder ergießen, optisch bewegt sich A Plague Tale mit traumwandlerischer Sicherheit von einem Jawdropper zum nächsten. Gerade in den ersten Levels weiß das Zusammenspiel aus Artdesign und Technik, vor allem die Lichtatmosphäre zu beeindrucken.
Die Musik kann sich ebenfalls mehr als hören lassen und unterstreicht punktgenau dramatische Momente oder unterstützt bedrohliche Augenblicke, wenn man von Ratten gejagt oder von Soldaten entdeckt wurde treffend. Die Synchronisation kann auf Englisch ebenfalls überzeugen, da hier bedacht wurde, einen leichten aber stimmigen französischen Akzent in die Gespräche einzubauen, was bei der deutschen Sprachausgabe leider vermisst wurde. Diese ist zwar nicht wirklich schlecht, kommt aber qualitativ nicht ans Englische heran.
Die Steuerung hingegen erweist sich hingegen als eigenwillig. Gerade das Umschauen ist sehr schwammig und reagiert träge, sodass es gerade am Anfang oft vorkommt, dass man Amicia gegen Kanten oder Wände steuert. Nach gewisser Eingewöhnungsphase kommt dies zwar nicht mehr so häufig vor, präzise geht allerdings anders. Bei ausgeschalteter Zielhilfe wird es dadurch zudem äußerst schwierig, was zu treffen, was für Frust sorgen kann. Das Crafting-Ringmenü geht hingegen flüssig von der Hand Cover & Bilder © tbd Das Fazit von: Beef Supreme
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