Der Mohnblumenberg
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BEWERTUNG |
04.07.2014 von ZahnfeeNach Geistergeschichten, Komödien und Actionfilmen ist es nun an der Zeit, einen Abstecher nach Fernost in die Welt der japanischen Anime zu machen. Doch im Gegensatz zu knallbunten Anime wie Wedding Peach oder Sailor Moon geht es bei Der Mohnblumenberg deutlich moderater zu. Ob er trotzdem sehenswert ist, oder vielleicht gerade deshalb, erfahrt Ihr wie immer bei uns ...
Umi ist 16 Jahre alt und lebt mit ihren Geschwistern und ihrer Großmutter in einer ziemlich schrägen Frauen-WG im Yokohama der 1963er Jahre. Ihre Mutter ist Professorin und oft beruflich unterwegs, weshalb Umi, zusätzlich zur Schule, die meisten Pflichten im Haushalt erledigen muss. Doch trotz ihres eng gestrickten Zeitplans findet sie jeden Morgen die Zeit, draussen im Garten Flaggen im Gedenken an ihren verstorbenen Vater zu hissen und sie abends wieder einzuholen.
Eines Tages liest sie in der Schulzeitung an anonymes Gedicht, das an das Mädchen mit den Flaggen gerichtet ist. Der Autor dieses Gedichts ist ein wagemutiger Junge namens Shun, der zusammen mit seinen Freunden aus dem Kulturclub Quartier Latin alles daran setzt, den Club vor dem drohenden Abriss zu bewahren. Die beiden knüpfen ein Band der Freundschaft und fassen den Entschluss, das Quartier zu renovieren. Ihre Freundschaft wächst und entwickelt sich, doch bevor sie sich ihre aufkeimende Liebe gestehen können, passiert etwas, das ihre Beziehung zueinander auf eine sehr harte Probe stellt ...
Der Mohnblumenberg ist ein klassischer Miyazaki, auch wenn er nicht von Meister Hayao persönlich, sondern von seinem Sohn umgesetzt wurde. Dieser Film ist so sanft wie die Brise, die jeden Morgen über die Hänge Yokohamas weht und dabei aber nie langweilig wird. Er nimmt uns mit in die japanische Nachkriegszeit, in der viele Frauen verwitwet sind und Kinder früh viel Verantwortung tragen müssen, weil ihre Väter nicht mehr die Ernährer der Familie sind. Und er nimmt uns mit in die Gefühlswelt dieser Menschen. Zeigt uns ihre Trauer, ihre Sehnsucht, ihre Hoffnung, dass die vermisste Person vielleicht doch noch eines Tages nach Hause kommt. Diese emotionalen Momente sind die stärksten dieses Films und lassen den Zuschauer nicht unberührt.
Doch Der Mohnblumenberg ist noch so viel mehr. Er ist heiter, spielt mit traditionellen Geschlechterrollen und lässt uns mit Umi und ihren Freunden über die ulkigsten Situationen lachen. Er ist politisch und philosophisch, wenn die begabten Schüler mit der Obrigkeit über den Erhalt ihres Clubhauses diskutieren und verhandeln. All das und noch viel mehr ist dieser Film, ohne dabei je aufdringlich oder laut zu sein.
Technisch ist Der Mohnblumenberg wundervoll umgesetzt. Auch wenn einige Hintergründe sicher am Computer entstanden sind, sieht man doch, wie viel Mühe und Handarbeit noch in diesem Film steckt. Die Tradition des Studios Ghibli und auch sein Qualitätsanspruch an die Filme, die das Studio verlassen, werden hier nicht enttäuscht. Die Farbgebung und Kontraste sind sehr harmonisch, alles wird so detailreich wie nur möglich dargestellt. Die Mimik der Figuren spiegelt die Emotionen des jeweiligen Charakters sehr gut wider. Schatten und Lichtreflexionen sind sehr schön und realitätsnah eingearbeitet. Das wird besonders deutlich in der Szene, in der sich der Mond im Wasser vor Shuns Haus spiegelt und ein kleines Schiff über eben jene Stelle im Wasser fährt, dessen Wellen die Reflexion dann durchbrechen.
Die Tonspuren stehen ebenfalls in einem harmonischen Verhältnis. Die Lieder untermalen die Atmosphäre des Films perfekt und sind sehr eingängig. Ich muss sogar wider Erwarten zugeben, dass die deutsche Synchronisation durchaus gelungen ist. Im Gegensatz zu manch anderen Anime gibt es hier keine einzige durchdringend-nervig klingende Synchronstimme, und auch die Dialoge sind angemessen übersetzt worden. Aufgrund einiger sprachlichen Eigenheiten im Japanischen ist das nicht immer einfach, hier aber durchaus gut gelungen.
Das Fazit von: Zahnfee
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