Drive My Car
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BEWERTUNG |
19.12.2021 von MarSWie macht man aus einer 40-seitigen Kurzgeschichte einen Kinofilm mit satten 179 Minuten? Der japanische Regisseur Ryusuke Hamaguchi gibt mit Drive My Car die beeindruckende Antwort...
Inhalt
Yusuke Kafuku (Hidetoshi Nihijima) ist ein erfolgreicher Bühnenschauspieler und Regisseur. Er ist glücklich verheiratet mit der Drehbuchautorin Oto (Reika Kirishima), die seine Leidenschaft nicht nur teilt, sondern perfekt ergänzt. Als Oto eines Tages unerwartet verstirbt, fällt Yusuke in ein tiefes Loch, und auch seine Arbeit erinnert ihn immer wieder an seine verlorene Liebe. Zwei Jahre später soll Yusuke bei einem Theaterfestival Regie führen, und dabei eines von Otos Stücken inszenieren. Aus Versicherungsgründen wird Yusuke die Chauffeurin Misaki (Toko Miura) zugewiesen, die ihn während seines Aufenthalts begleiten soll. Anfangs hält Yusuke zwar die Distanz zu Misaki aufrecht, doch je mehr Zeit die beiden miteinander verbringen, umso deutlicher wird ihnen, dass sie mehr gemeinsam haben, als es zunächst den Anschein gemacht hat...
Die Geschichten Haruki Murakamis auf Film zu bannen, ist immer wieder eine echte Herausforderung. Dass lose, eigenständige Adaptionen wohl die beste Lösung darstellen, um eine solche Herausforderung zu meistern, das hat im Jahr 2018 Burning gezeigt, der weltweit Lob erntete und mehrfach ausgezeichnet wurde. Burning basierte, trotz seiner Laufzeit von knapp 150 Minuten, auf einer Kurzgeschichte Murakamis, ganz genau wie der noch einmal 30 Minuten längere Drive My Car, der die gleichnamige Vorlage ebenfalls sehr frei interpretiert und erweitert...
Drive My Car ist ein Film über Geschichten. Die Entstehung von Geschichten, den Einfluss von Geschichten auf das Leben, aber auch ein Film über Geschichten, wie sie nur das Leben schreiben kann. Mal tragisch, mal erschreckend, manchmal aber auch humorvoll oder von starken positiven Gefühlen durchzogen. Wie so oft in einem solchen Leben, sind diese Geschichten auch hier fließend, greifen ineinander, und bringen nur in sehr seltenen Ausnahmefällen Höhepunkte mit sich. Diese Höhepunkte, und seien sie noch so unscheinbar, tatsächlich zu erkennen, erweist sich in Drive My Car als höchste Kunst und Herausforderung. Eine Herausforderung allerdings weniger für den Zuschauer, der von der faszinierenden Erzählung absolut mitgerissen wird, sondern vielmehr für die Figuren, allesamt von Schicksalsschlägen gezeichnet, und auf der Suche nach Hoffnung und neuem Mut. Die Lösung, oder besser gesagt Erlösung, steckt hier zweifellos zwischen den Zeilen, in den Gesprächen mit anderen Menschen, manchmal sogar in einer einfachen Autofahrt. Letztere sind - passend zum Titel - zentraler Dreh- und Angelpunkt, und entwickeln sich, ganz wie die Handlung selbst, im Verlauf immer stärker zum Schauplatz der bemerkenswertesten Momente. Bis dahin lässt sich Drive My Car aber sehr viel Zeit, braucht ganze 40 Minuten, bis es zum markanten Umbruch in der Geschichte kommt und damit den Weg für die eigentliche Geschichte des Films ebnet. Was aber nicht bedeutet, dass das Ganze auch nur einen Moment des unnötigen Leerlaufs hätte, denn eigentlich wechselt hier nur die Ausgangslage, die psychische Verfassung nach einem schweren Verlust, der Blick auf das Leben, und macht den bis zu diesem Zeitpunkt persönlichsten Rückzugsort - einen roten Saab 900 - zu einer fremden Bühne, auf der man sich zunächst unsicher, ja sogar unwohl fühlt. Das Auto als Beichtstuhl, als Kammer der Offenheit, aber auch als Ausgangspunkt für die eigene seelische Weiterentwicklung. Eine Entwicklung, die niemals zu Ende zu sein scheint, ganz wie Drive My Car, der ebenso endet, wie er begonnen hat: Mitten im Leben, und mit offener Weiterführung. Und doch fühlt sich dieser kleine Ausschnitt am Ende an wie ein sehr erfülltes Leben, das viel schneller vorbei ist, als es die Laufzeit von knapp drei Stunden hätte vermuten lassen. Zu verdanken ist dies neben dem hervorragend besetzten Cast der bemerkenswerten Inszenierung, die selbst in den Momenten eine unablässige Anziehungskraft ausstrahlt, in denen eigentlich gar nichts geschieht. Hier greifen Erzählung, auf das Wesentliche reduzierter visueller und akustischer Ausdruck sowie vielschichtige, tiefgreifende Dialoge einfach perfekt ineinander.
Bild- und Tonqualität bleiben auf Grund des uns vorliegenden Presse-Screeners im Originalton mit Untertiteln ohne Bewertung. Cover & Bilder © Rapid Eye Movies Das Fazit von: MarS
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