Fliptown

Fliptown

Genre: Flip&Write • Western-Thema • Poker
Autor: Steven Aramini
Illustrator: Naomi Ferrall
Spieleverlag: Write Stuff Games, Strohmann Games
Empfohlenes Alter: 12+ Jahre
Spieldauer: 30-45 Minuten

Fliptown   23.02.2025 von 2-PL4Y3R5

Das Western Thema ist in Brettspielen eher selten. Wir assoziieren mit Western Bud Spencer, Terence Hill und Old Shatterhand. Klassiker, aber irgendwie alt und verstaubt. Die Aufmachung von Fliptown ist das genaue Gegenteil. Modernes Artwork gepaart mit bekannten Spielmechaniken. Auf dem Tableau findet man die Wildnis, das Ödland, die Mine und die Stadt. Überall gibt es Gold und Münzen zu verdienen und auszugeben. Und nebenbei wird noch Poker gespielt. Aber kommt bei Fliptown wirklich Western-Feeling auf? Zur Sicherheit haben wir unseren Cowboy-Hut aus der Kinderfaschingskiste im Keller hervorgekramt. Dann kam Fliptown auf den Tisch. Unsere Eindrücke erfahrt ihr hier.

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Das Material in Fliptown macht einen sehr guten Eindruck. Die abwischbaren Tableaus sind sehr hochwertig und die Stifte mitsamt „Radierer“ funktionieren super. Sie lassen sich einerseits mit dem Radierer leicht abwischen, verwischen andererseits aber nicht, sollte man mal während des Spiels die falsche Handbewegung machen. Auch das Artwork und die Ikonographie sind durchweg stimmig und dem Western-Thema entsprechend in einem Wüsten-goldbraun gehalten.

 

Roll- bzw. Flip&Write-typisch ist der Spielaufbau in weniger als einer Minute erledigt. Wir beschreiben hier den Aufbau für eine Partie mit mehreren Spielern. Jeder Spieler nimmt sich einen Spielplan und einen Stift. Auf dem Spielplan werden im Spielverlauf Bereiche umkreist, um Fähigkeiten, Ressourcen oder Siegpunkte freizuschalten. Dann erhält noch jeder Spieler eine der Charakterkarten, welche eine Spezialfähigkeit und die Startressourcen anzeigt. Letztere werden direkt auf dem Tableau, im Lager-Bereich markiert. Dann werden aus den Prämienkarten drei zufällige offen in die Tischmitte gelegt, mit der „7 Siegpunkte“ Markierung nach oben. Sie geben bestimmte Ziele vor, die bei Erreichen Siegpunkte abwerfen.

 

Zuletzt werden aus dem Pokerkarten-Deck die 2 Joker Karten entfernt. Dann wird es gut gemischt als verdeckter Nachziehstapel in die Tischmitte gelegt. In jedem Zug werden drei neue Karten von diesem Deck gezogen. Sie bestimmen die möglichen Bereiche, die auf dem Spielplan aktiviert werden können, aber auch welche Karten man für das Pokerspiel verwenden kann.

 

Das Spielziel

 

Siegpunkte, in Form der Sheriff Sternen, gibt es überall auf dem Tableau zu finden. Immer, wenn man Siegpunkte erhält, werden diese auf dem Tableau im Lager-Bereich eingekreist. In der Stadt gibt es gut Siegpunkte zu holen, wenn man öfter das Hotel oder Grundbuchamt besucht. In der Mine, gräbt man sich ganz nach unten, kann man sich Siegpunkte zum Spielende sichern, abhängig davon wie viele Felder man in einem bestimmten Bereich des Tableaus eingekreist hat. Im Ödland bekommt man Siegpunkte, indem man Eisenbahnen oder Hühnerställe ausraubt, je nachdem wieviel man riskieren möchte, push-your-luck spielt eine Rolle. Und in der Wildnis liegen einfach so Siegpunkte herum. Einen richtig großen Batzen kann es regnen, wenn man seine Pokerhand optimiert. Diese wird dreimal im Spielverlauf ausgewertet. Und am Spielende werfen nochmal übriges Gold und Münzen ein paar Siegpunkte ab. Wer dann die meisten Siegpunkte hat gewinnt.

 

Der Spielablauf

 

Fliptown wird über insgesamt 3 Runden gespielt. In jeder Runde werden sechs Phasen abgehandelt. In der dritten Phase jeder Runde finde fünf Spielerzüge statt. Hier dürfen Bereiche auf dem Tableau markiert, Boni gesammelt und Kombos ausgeführt werden. In einer Partie Fliptown hat jeder Spieler also 15 Züge. In allen Phasen wird parallel gespielt, es gibt also keine Downtime.

 

In Phase 1 (Zugstapel mischen) werden alle Pokerkarten neu gemischt und als Nachziehstapel bereitgelegt. Phase 2 (Sheriffkarte festlegen) geht noch schneller: es wird die oberste Karte des Pokerkartenstapels ungesehen und verdeckt beiseitegelegt. Diese Karte wird in Phase 6 nochmal wichtig und legt die Stärke des Sheriffs fest. Schon geht es los mit dem eigentlichen Spiel, Phase 3.

 

In Phase 3 (Züge ausführen) werden nacheinander insgesamt 5 Spielerzüge ausgeführt. Das Prinzip ist einfach: Zu Beginn eines jeden Zuges werden drei Karten vom Pokerkartendeck gezogen. Jeder Spieler entscheidet dann für sich wie er diese drei Karten verwenden möchte, indem er diese gedanklich seiner Farbkarte, seiner Wertkarte und seiner Spielkarte zuordnet. Alle drei Karten werden also verwendet, nur wie genau, darüber muss entschieden werden. Die Farbkarte bestimmt die Region auf dem Tableau, in der man etwas aktivieren bzw. einkreisen möchte. Denn die einzelnen Regionen sind den vier Farben Herz (Wildnis), Pik (Ödland), Karo (Mine) und Kreuz (Stadt) zugeordnet. Die Wertkarte bestimmt dann welches Feld man innerhalb der Region einkreisen darf, in der Stadt zum Beispiel das genaue Gebäude; so darf der Waffenschmied mit einer 9 aufgesucht werden. Übrig bleibt die Spielkarte. Hier zählt sowohl Farbe als auch Wert der Karte. Beides wird oben rechts im Poker-Bereich des Spielplans eingetragen. Nach fünf Zügen hat man somit eine vollständige Pokerhand. Was, wenn die Karten nicht passen? Farbkarte und Wertkarte können durch Gold manipuliert werden: es kostet zwei Gold, um die Farbe zu verändern, und je ein Gold für eine Wertveränderung um 1 nach oben oder nach unten. Sollte man dennoch nichts mit den Karten anfangen können oder wollen, so darf man auch ein Feld auf dem Friedhof einkreisen und den Bonus dort nehmen. Am Ende eines Zuges in Phase 3 werden die drei Pokerkarten auf den Abwurfstapel gelegt. Wurden fünf Züge ausgeführt, geht es weiter mit Phase 4.

 

In Phase 4 (Pokerblatt abhandeln) schaut sich jeder die fünf notierten Spielkarten der fünf Züge an. Abhängig davon wie gut das Blatt ist, gibt es Geld und Siegpunkte. Ein Royal Flush gibt 10 Geld und 9 Siegpunkte, ein Paar immerhin noch 2 Geld und 1 Siegpunkt. Die Ausbeute wird entsprechend im Lager-Bereich des Tableaus markiert. Phase 5 (Schürfen und Schuften) ist die Einkommensphase. Abhängig davon wie viele Goldwäscherpfannen und Hammer man eingekreist hat, gibt es Gold und Münzen. Ein Gold pro Goldwäscherpfanne und zwei Münzen pro Hammer.

 

Phase 6 (Sheriff führt Verhaftungen durch) kann dann nochmal spannend werden. Denn jetzt wird die in Phase 2 beiseitegelegte Sheriffkarte aufgedeckt. Ist der Wert der Sheriff-Karte niedriger als die Anzahl deiner Wanted-Symbole, wirst du verhaftet. Die Konsequenz: zahle Münzen oder Siegpunkte. Wie viele ist abhängig von der Runde, die gerade gespielt wird. In späteren Runden ist es teurer verhaftet zu werden, z.B. 18 Münzen oder 8 Siegpunkte in Runde 3. Hat man über 13 Wanted-Symbole, muss man Siegpunkte abgeben; man hat nicht mehr die Wahl auf Münzen zurückzugreifen. Einen Kniff gibt es aber noch: bevor die Sheriff-Karte aufgedeckt wird, darf sich jeder Spieler entscheiden, ob er den Sheriff bestechen möchte. Dann wird man unabhängig von der Sheriff-Karte auf keinen Fall verhaftet. Die Bestechung kostet allerdings ein Gold pro Wanted-Symbol, das man hat. Nach Phase 6 beginnt eine neue Runde mit Phase 1, es sei denn es ist die dritte Runde; dann endet das Spiel mit der Schlusswertung.

 

Schauen wir uns nun nochmal die verschiedenen Regionen des Spielplans im Detail an. Denn jede Region hat etwas andere Regeln. Die Wildnis erreicht man mit der Herz-Farbkarte. Thematisch wandert oder reitet man hier von links nach rechts entlang des vorgezeichneten Pfades. Um ein Feld einzukreisen und den Bonus zu erhalten, benötigt man eine Wertkarte, die mindestens so hoch ist wie der abgebildete Wert des Feldes. Man darf beliebig viele Felder überspringen, es gibt aber keinen Weg zurück: man darf immer nur Felder besuchen, die rechts von dem am weitesten rechts besuchten Feld liegen. Als Boni gibt es hier unter anderem Münzen, Gold und Bonusaktionen zu sammeln.

 

Die Mine ist eine Region, die ihr mit der Karo-Farbkarte erreicht und in der ihr euch von zwei Start-Feldern durch Stammbaum-artige Verzweigungen nach unten grabt. Welcher Weg eingeschlagen werden darf, ist von der Wertkarte abhängig. Diese muss immer zwischen zwei bestimmten Werten liegen, wobei das Intervall immer kleiner wird, je tiefer man gegraben hat. So ist das Feld am Minen-Eingang links mit einer Wertkarte zwischen A und 7, das Feld rechts am Eingang mit einer Wertkarte von 8 bis K erreichbar. Ihr dürft niemals wieder nach oben, immer nur tiefer, aber ihr könnt von jedem bereits eingekreisten Feld oder den beiden Eingangsfeldern starten. Auf dem Weg gibt es Gold und Bonusaktionen zu sammeln, und auch Silber-Sterne, die am Spielende extra Siegpunkte geben.

 

Eine Pik-Farbkarte bringt euch in das Ödland. Hier gibt es Hühnerfarmen, Pferdekutschen und Eisenbahnen, die ausgeraubt werden können. Die Wertkarte bestimmt dabei genau welches Feld ihr ausrauben dürft. Eisenbahnen benötigen Wertekarten von J bis K, Hühnerfarmen von 2 bis 4. Je größer die benötigte Wertkarte, desto wertvoller die Beute, und desto mehr Wanted-Symbole erhält man für diese Aktivität. Dafür gibt es jede Menge Siegpunkte und Münzen abzustauben. Allerdings ist der Erfolg nicht garantiert. Zunächst muss eine Karte vom Pokerkartendeck gezogen und mit der Wertkarte verglichen werden. Nur, wenn die gezogene Karte einen größeren Wert hat als die Wertkarte, mit der die Aktion ausgeführt wurde, gibt es die Belohnung. Ansonsten bekommt ihr trotzdem die Wanted-Symbole, aber keine Münzen und nur die Hälfte der Siegpunkte. Hat man alles innerhalb einer Reihe ausgeraubt, so erhält man eine Bonusaktion.

 

Die Stadt erreicht ihr mit der Kreuz-Farbkarte. In der Stadt gibt es insgesamt dreizehn Gebäude, die allesamt verschiedene Zwecke erfüllen. Dementsprechend ist der Abschnitt der Regel, der die Stadt behandelt auch am längsten. Gebäude können mehrfach besucht werden, um z.B. verschiedene Gegenstände zu kaufen; das ist in allen anderen Regionen nicht möglich. Der Besuch vieler Gebäude kostet thematisch passend auch Münzen. Der erste Besuch eines jeden Gebäudes bietet eine Bonusaktion, die oberhalb des Gebäudes ikonographisch dargestellt ist. Der Zweck der Gebäude kann in vier Kategorien eingeteilt werden. Hier eine kurze Übersicht, was ihr von den verschiedenen Gebäuden erwarten könnt:

  • Siegpunkte: das Hotel und das Grundbuchamt können einige Siegpunkte einbringen, wenn man sie jeweils drei bis viermal im Spielverlauf besucht. Der Goldgräber-Club und der Saloon erlauben es Gold bzw. Münzen in Siegpunkte einzutauschen.
  • Effizienz in anderen Regionen: der Waffenschmied erlaubt das Freischalten von Revolver und Gewehr, mit denen man leichter im Ödland Beute machen kann. Der Bestatter erhöht die Effizienz beim Besuch des Friedhofs, der Pferdehändler macht Reisen in der Wildnis leichter und der Gemischtwarenhändler bietet u.a. Vorteile in der Mine und im Ödland.
  • Durchstreichen von Wanted-Symbolen: das Versteck und die Kirche erlaubt es Wanted-Symbole wegzuradieren. Das Büro des Sheriffs ebenso, zusätzlich darf man sich auch die aktuelle Sheriff Karte ansehen.
  • Zocken: die Bank und der Kopfgeldjäger erlauben es auf bestimmte Karten zu setzen. Werden diese im Spielverlauf aufgedeckt, gibt es Boni.

 

Zuletzt gibt es noch den Friedhof. Sollte keine passende Farb-/Wertkarten-Kombination ausliegen, kann man den Friedhof besuchen. Hier darf ein beliebiger Grabstein eingekreist werden. Man erhält dann alle Boni, die zwischen dem neu eingekreisten und den zuvor eingekreisten Grabsteinen abgebildet sind. Als Malus bekommt man aber auch ein Wanted-Symbol fürs Grabschänden.

 

 

Bildergalerie von Fliptown (12 Bilder)

Spielmaterial

 

  • 4 abwischbare Spielpläne
  • 4 Whiteboard Marker
  • 54 Pokerkarten mit Schachtel zum Aufbewahren
  • 14 Charakterkarten
  • 12 Prämienkarten
  • 4 Cowbotkarten


Cover & Bilder © Cover: Strohmann Games / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Fliptown ist ein Flip&Write mit Western-Thema und klassischem Poker-Kartendeck. Der Kniff: die drei Karten in jedem Spielerzug müssen so kombiniert werden, dass die Farbe einer Karte zusammen mit dem Wert einer zweiten Karte die Aktion des Spielers auf dem Tableau bestimmt. Die dritte Karte wird dann zur Pokerhand hinzugefügt, die alle 5 Züge ausgewertet wird, also immer dann, wenn eine Hand aus 5 Pokerkarten gesammelt wurde. Die damit verbundenen Abwägungen, etwas push-your-luck ist auch dabei, haben durchaus Spaß gemacht. Es kam auch etwas Poker-Feeling auf. Besonders im vierten und fünften Zug fieberte man dann beim Aufdecken der Karten mit, ob etwas passendes dabei ist, nicht weil man eine bestimmte Aktion braucht, sondern eine 10 oder eine 7 für ein Full House. Denn so ein gutes Pokerblatt kann nochmal richtig viele Siegpunkte bescheren. Abseits des Pokerspiels versuchen die Aktionen und das Gameplay in Fliptown thematisch zu sein, vor allem durch Namensgebung und Artwork, aber so richtig geklappt hat das nicht. Wir finden die Einleitung der Regel verspricht etwas zu viel, wenn es um das Western-Thema geht, wir zitieren: „Wirst du dabei helfen, die Stadt aufzubauen? Entdeckst du als Pionier neues Land? Schürfst du nach Gold?“ – Erstens macht man eigentlich immer alles, d.h. man kreist Felder in den entsprechenden Bereichen des Tableaus ein. Aber es fühlt sich nicht so an, als würde man die Stadt aufbauen, neues Land entdecken oder nach Gold schürfen. So richtig viel Neues wird auch nicht geboten. Es gibt ein paar Möglichkeiten für leichte Kombos, man kann auf bestimmten Feldern Bonusaktionen freischalten, aber Fliptown ist kein Kombofest. Insgesamt hat uns Fliptown Spaß gemacht, ist aber nicht eingeschlagen wie eine Bombe, oder besser: ein Bündel Dynamit.

 

Balancing/Glücksfaktor: Wie in vielen Roll/Flip&Writes halten sich Glück und Strategie die Waage. Die drei Karten, die in jeder Runde aufgedeckt werden und gleichzeitig über die Wahl der Aktion und Pokerspielkarte entscheiden, stammen aus einem klassischen Pokerkartendeck mit 52 Karten. Berechenbar ist anders. Aber die drei Karten können auf verschiedene Weise kombiniert werden. Schlussendlich gibt es meist ausreichend Aktionsmöglichkeiten, die durch 2 der 3 Karten bestimmt werden. Zudem können Farbe und Zahl mit der Ressource Gold verändert werden, wodurch noch mehr Aktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen; ist gar nichts passendes dabei und man leidet gleichzeitig unter massivem Gold-Mangel, besucht man eben den Friedhof und nimmt sich dort den Bonus. Der Twist: die dritte Karte, welche nicht für die Aktion verwendet wird, ist für das Pokerspiel wichtig. Das bietet eine weitere taktische Ebene: brauche ich eine der drei Karten, um eine bestimmte Aktion zu nutzen, oder sichere ich mir mit dieser Karte besser den Drilling im Pokerspiel? Die Karte für die Pokerhand darf nämlich nicht mit Gold manipuliert werden, nur die Karten, mit denen man eine Aktion ausführt.

Neben dem offensichtlichen Karten-Mechanismus gibt es thematisch passend einige Elemente, die glücksabhängig sind; hier spielt push-your-luck oft eine Rolle. Im Ödland wird der Erfolg beim Ausrauben von Eisenbahnen oder Pferdekutschen durch das Ziehen einer zufälligen Karte bestimmt. Je wertvoller die angestrebte Beute, desto unwahrscheinlicher wird es erfolgreich von dannen zu ziehen. Und das kann richtig weh tun, weil es teilweise um viele Münzen und Siegpunkte gehen kann.

Außerdem ist die Phase 6 von Glück geprägt. Hier führt der Sheriff Verhaftungen durch. Man wird leichter verhaftet, je mehr Wanted-Symbole man gesammelt hat und muss dann Münzen oder Siegpunkte abgeben. Man kann auch vorher den Sheriff mit Gold in Höhe der Wanted-Symbole bestechen, um direkt einer Verhaftung zu entgehen, wenn man das Risiko nicht eingehen möchte. Unserer Meinung nach hatte diese Verhaftungsphase relativ wenig Einfluss auf das Spiel. Insgesamt hat uns das Management der Wanted-Symbol-Skala weniger gut gefallen. Denn so gefährlich wie es sich zu Beginn anhört sind die Wanted-Symbole und die damit steigende Wahrscheinlichkeit verhaftet zu werden nicht, solange man nicht auf über 13 Symbole kommt und seinen Münz-Haushalt im Griff hat. Dann zahlt man eben die Münzen an den Sheriff. Vorab mit Gold zu bestechen, um der Verhaftung zu entgehen, lohnt sich rechnerisch nicht wirklich, da das Gold meist mehr Siegpunkte wert ist als die Münzen, die man mit Glück vielleicht auch gar nicht zahlen muss. Hat man über 13 Wanted-Symbole kostet es allerdings immer Siegpunkte verhaftet zu werden; das sollte man vermeiden.

Ihr habt noch mehr Glücksspiel erwartet? Man hat ein paar Aktionen zur Verfügung, um mehr auf Glück zu setzen. Da wären zum Beispiel die Bank und der Kopfgeldjäger in der Stadt. Hat man diese aktiviert, kann man im weiteren Spielverlauf Boni bekommen, wenn die drei aufgedeckten Karten bestimmte Farben oder Zahlen zeigen.

Zum Thema Balancing: es gibt 14 verschiedene Charakterkarten wie den Marshal oder den Cowboy, welche alle unterschiedliche Start-Ressourcen und Spezialfähigkeiten haben. Einige Charaktere haben teilweise Vorteile, wenn sie mit bestimmten Prämienkarten kombiniert werden, wodurch sie einen Vorsprung im Wettlauf um die 7 Siegpunkte erhalten. Diese Punkte gehen an denjenigen, der als Erster das Ziel der Prämienkarte erreicht. So ganz durchdacht ist das Balancing daher nicht.

 

Komplexität/Regeln: Fliptown befindet sich irgendwo im Bereich gehobenes Familienspiel, leichtes Kennerspiel. Die Regeln wirken auf den ersten Blick mit der relativ kleinen Schrift, wenig Abbildungen und den 24 Seiten etwas abschreckend. Auf dem zweiten Blick ist aber das meiste selbsterklärend. Der Spielablauf passt auf nur 5 Seiten der Regel. Das Spielprinzip wird schnell klar und kurz danach offenbaren sich auch für Wenigspieler ein paar strategische Überlegungen: Gold sammeln, um mit den Aktionskarten flexibel zu bleiben, die Pokerhand nicht vernachlässigen, in der Stadt früh sinnvolle Gebäude besuchen, um Vorteile in den übrigen Regionen zu erhalten, die man unter Umständen häufiger besuchen muss, um sich als erster eine bestimmte Prämienkarte zu sichern. Das Tableau ist trotz der Fülle an Informationen sehr übersichtlich gestaltet und enthält auch eine Rundenübersicht. Ein großes Kompliment an die Ikonographie, die ist super gelungen.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Fliptown ist ein Solospiel, das auch in einer Gruppe von bis zu 4 Spielern gespielt werden kann. Damit ist klar: Spielerinteraktion gibt es keine. Absolut nichts erinnert daran, dass man nicht alleine am Tisch sitzt, außer, dass die Karten etwas weiter weg, in der Tischmitte liegen. Obwohl, beinahe hätten wir die drei Prämienkarten vergessen. Um diese wetteifern die Spieler. Die gibt es nicht im Solospiel. Wer eine Prämienkarte zuerst erfüllt, bekommt 7 Siegpunkte, alle weiteren Spieler nur 4. Der Game Changer zum Thema Spielerinteraktion ist das aber nicht. Auf der anderen Seite gibt es auch keine Nachteile im Spiel mit mehreren Personen, denn alle Phasen werden parallel gespielt. Einziges Manko: wenn ein Spieler am Tisch sitzt, der etwas länger braucht als andere. Dann kommt doch wieder die ungeliebte Downtime ins Spiel.

 

Spieldauer: Auf der Spielschachtel steht 30-45 Minuten. In unseren Partien zu zweit haben wir etwa 40 Minuten gebraucht. Die Spieldauer ist unabhängig von der Spielerzahl, da alle Phasen parallel gespielt werden. Die 3 Spielrunden, in denen die Spieler jeweils 5 Züge haben, spielen sich damit angenehm schnell.

 

Wiederspielbarkeit: Fliptown bietet einiges an Abwechslung, wobei die einzelnen Stellschrauben am Ende doch keinen sehr großen Effekt haben. Denn Fliptown hat nur ein Tableau, d.h. die Aktionsmöglichkeiten und -Kombinationen sind immer dieselben. Die Herausforderung ist die eigene Strategie zu optimieren und ans Spielgeschehen anzupassen und immer neue Rekorde zu brechen. Hat man etwas an der Strategie gefeilt, entscheidet am Ende dann doch das Glück, ob man seinen persönlichen Rekord knackt oder nicht. Etwas Abwechslung bieten die folgenden Spielelemente: die verschiedenen Prämienkarten fördern unterschiedliche Spielstrategien, weil sie Siegpunkte auf bestimmte Ziele geben. Die asymmetrischen Startbedingungen und Spezialfähigkeiten durch die Charakterkarten sind eine gute Sache und motivieren etwas sein Spiel anzupassen, verändern es allerdings nur unwesentlich und können im Kontext mit den Prämienkarten Balancing Probleme haben. Dann gibt es noch die Texas Hold ´em Variante, in der man wesentlich leichter mehr Punkte für das Pokerblatt bekommt: hier hat jeder Spieler zwei zusätzliche Karten, die er mit den 5 Karten aus den 5 Spielerzügen kombinieren kann, um das beste Pokerblatt zu bilden. Und für das Solospiel gibt es die Cowbot-Karten, KI Gegner, gegen die man antreten kann und das Spiel somit schwerer machen. Schlussendlich gibt es auch eine Mini-Erweiterung, Fliptown: Die Grenzgebiete. Hier werden Prämienkarten zwischen den Spielern ausgelegt. Diese können nur von den benachbarten Spielern erfüllt werden. Es gibt auch neue Boni für den ersten, der die Bedingungen dieser Karten erfüllt. Insgesamt eine nette kleine Erweiterung, die allerdings nur aus acht Karten besteht.


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