Mal Hand aufs Herz. Wer hat nicht schon mal eine Zombie-Apokalypse herbeigesehnt? Vielleicht weil’s auf der Arbeit nicht so prall läuft? Oder weil einen diese festgefahrene Gesellschaft nervt? Oder einfach nur, um mal mächtig mit einer Kettensäge die Sau raus zu lassen? Haltet ein, ihr Jünger des Armageddon! Ihr müsst die Menschheit nicht mehr totaler Vernichtung anheimfallen lassen. Goichi Suda, auch bekannt als Suda51, kredenzt euch Lollipop Chainsaw (LC), um genau diesen Blutdurst zu stillen. Ölt die Kette und strafft das Röckchen, es darf geschlachtet werden.
Der Tag beginnt wie jeder andere, Juliet Starling, Mitglied der Anonymen Lutscherabhängigen, ist mal wieder viel zu spät dran. Die Cheerleaderin ist mit ihrem Freund Nick im Park verabredet und hat den Termin so richtig verpeilt. In aller Eile strampelt sie also radelnderweise Richtung Schule, bis ihr eine Horde Untoter zwischen die Speichen gerät. Nick kann sicher noch ein paar Minuten warten, also gleich mal eine Kettensäge von Stihl aus der Sporttasche gekramt. Nach einem ersten kurzen Interme(t)zz(ell)o stellt Juliet fest, dass die Zombies schon einen Happen Nick zum Frühstück hatten und sein Leben nun verwirkt ist. Macht aber nix, Juliet ist ja Zombie-Jägerin. Das scheint also zu bedeuten, dass sie schwarze Magie beherrscht, denn Nick erwacht wieder – aber nur als Kopf, der ab sofort zwischen Juliets straffen Arschbacken herumbaumeln und hin und wieder ein paar Sprüche klopfen darf. Ein ganz normaler Tag. Nein, doch nicht, der Tag ist ein besonderer! Juliet feiert nämlich ihren 18. Geburtstag! Dies wird im weiteren Verlauf als Aufhänger für Waffenupgrades genommen, denn ihre gesamte Familie besteht aus Zombie-Jägern, und die wissen was gut für Juliet ist.
So beginnt die blutig-fröhliche, übertrieben bunte Zombiehatz mit Juliet Starling und dem was von ihrem Freund übrig ist. Die Hirnfresser sind nämlich nicht ohne Grund da. Ein trauriger Emo-Mitschüler Juliets hat nämlich eine Bresche in die dunkle Zombie-Dimension, wahlweise Hölle, gesprengt und will die gesamte Menschheit vernichten. Grund? Mobbing. Da dieses Machwerk FSK 16 ist, hier ein Aufruf an alle Schüler: Mobbt eure Mitschüler nicht! Es könnte sein, dass ihr eines Tages aufwacht und sie sich in euren Eingeweiden suhlen, während euer Haus in Flammen steht und die Geschwister/Eltern ans Kreuz genagelt sind. Doch zurück, diese Bresche entfesselt nämlich ein Gas, das alle Menschen in Zombies verwandelt, die es einatmen. Dieses unsagbar gerüttelte Maß an Kreativität würde eine Kalkwand vor Neid erblassen lassen. Und wie es halt so ist, Juliet entfesselt daraufhin einen reinigenden Kreuzzug gegen die untoten Horden. Dieser führt durch sechs Gebiete von San Romero, dem Heimatort von Juliet.
LC spielt sich vom Prinzip
her wie ein Devil May Cry oder Bayonetta, aber nie mit deren Geschwindigkeit. Juliet schwingt agil und knapp bekleidet ihre Kettensäge und entsprechende Tastenkombinationen aus leichtem und schwerem Angriff entlocken ihr verschiedene Combos, die den Bildschirm in ein sattes Rot und Pink tauchen, sofern man den trifft. Durch Kills können dann Zombie-Medaillen erworben werden, die im Shop für neue Combos, unterstützende Items, Soundtracks und weiteres Zeug investiert werden können. Boni gibt es, wenn man Mitschüler aus der Bedrängnis rettet und drei oder mehr Zombies auf einmal enthauptet. Am Ende jeder Stage stehen Bossfights an, die einen gewissen Anspruch haben, aber nie unfair sind. Das Beste an den Fights ist aber der Stil, vom Punk- zum Black-Metaller- über den Hippie- nebst Disko-Zombie sind die Musikkulturen untot vertreten. Jetzt noch ein Karl-Moik-Gedächtnis-Zombie als Endboss und der Volksmusik-Schrecken wäre perfekt gewesen. Da stellte sich aber die FSK quer.
Soweit, so bekannt. Wirklich neues bringt LC nämlich nicht auf den Bildschirm und man könnte auch meinen, dass sich das alles schnell wiederholt und abnutzt. Tut es auch irgendwie. Die Kämpfe laufen fast immer nach Schema F ab. Kaum eine der wandelnden Leichen erfordert eine spezielle Herangehensweise oder Nachdenken vorm Metzeln. Doch Herr Suda versteht es, einen augenzwinkernden Witz und mit seinem unverkennbaren Stil dieses Spiel in ein charmant-witziges Stück Software zu verwandeln. Obwohl alles schon einmal da war, ist LC dennoch richtig spaßig. Denn jede Stage hat ihre Besonderheiten, in der die Macher ihre Kreativität abseits der Kämpfe zeigen. Mal fährt man Mähdrescher und erntet Gliedmaßen, mal spielt man in Manier der alten Arcade 2D-Klassiker, mal Zombie-Basketball. Nur schade, dass das gesamte Spiel strikt linear ist und keine Wege abseits des vorgegebenen Pfads gibt, wo etwas zu entdecken wäre. Ein wirkliches Problem ist aber die kurze Spielzeit. Nach 5–6 Stunden Durchschlauchen ist der ganze Spaß schon vorbei und man sieht die interaktiven Credits über den Bildschirm scrollen. Ein leichter Wiederspielwert ist zwar dadurch gegeben, dass es noch Ranglisten-Modi gibt, in denen man die Stages gegen die Uhr spielen und die Ergebnisse online stellen kann, doch Neues gibt’s nicht. Außer vielleicht neue, noch knappere Outfits für Juliet. Etwas länger hätte es schon sein dürfen – also die Spielzeit, nicht die Outfits.
Bildergalerie von Lollipop Chainsaw (10 Bilder)
Ein weiteres Indiz für Sudas Mitwirken ist das Prinzip des gesprächigen Begleiters. In
Shadows of the Damned war es Boner (die sprechende Fackel/Kanone), und hier ist es der Kopf von Nick. Von der Idee her nicht schlecht, aber Nick reicht nie an den cool-sarkastischen Zynismus von Boner heran. Sehr schade, denn hier wäre echt noch jede Menge Potenzial gewesen. So ist er nur ein kleines Anhängsel. Hammer Wortspiel, nicht wahr? Generell ist hier alles etwas zahmer als in
Shadows of the Damned. Zwar werden viele Wünsche von pubertierenden „Männern“ bedient: gerade 18 gewordenes Mädel mit kurzem Röckchen, Zombies, Blut, schlüpfrige Anspielungen, geiler Soundtrack usw. Es entsteht jedoch der Eindruck, als würde der letzte Kick fehlen, als hätten sich die Köpfe von
LC nicht getraut, ihre Ideen bis zum Schluss zu denken. Zudem nervt Juliet mit ihrer infantilen Naivität schon manchmal. Klar, Absicht und so, doch streckenweise wurde schon etwas übertrieben. Alles ist unbeschwert und die Atmosphäre ist locker-flockig, doch irgendwie fehlt was. Dieser Wow-Effekt will sich eigentlich nie so richtig einstellen.
Technisch gesehen bewegt sich
LC im gehobenen Mittelmaß. Das Artdesign ist zwar sehr gelungen, die grafische Darstellung hält sich aber zurück. Man sollte keinesfalls einen optischen Überflieger erwarten. Dafür läuft das Ganze schön flüssig über die Mattscheibe. Soundtechnisch ist hingegen aber alles im grünen Bereich. Gerade Freunde der gepflegten Gitarrenmusik kommen auf ihre Kosten. Arch Enemy, Children of Bodom und Dragonforce, um nur einige zu nennen, hämmern durch die Boxen und untermalen das quietschbunte Zombie-Gemetzel sehr passend. Der eigens für
LC kreierte Soundtrack kann sich natürlich wie gewohnt auch hören lassen. Die englischen Stimmen sind auch gut gelungen und, gerade im Fall von Juliet, nerven zum Glück nicht so, wie der Inhalt des Gesprochenen manchmal vermuten lassen würde. Multiplayer, wie schon erwähnt, gibt es keinen.
Kommentare[X]