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Mittelerde: Schatten des Krieges

Publisher: Warner Bros.
Entwicklerstudio: Monolith Productions
Genre: Action • Rollenspiel
Sub-Genre: 3rd-Person-Action
Art: Fullprice
Erscheinungsdatum: 10.10.2017
USK 16

Mittelerde: Schatten des Krieges   08.11.2017 von Beef Supreme

Knapp 3 Jahre ist es her, dass Talion in Mittelerde: Mordors Schatten unter Saurons Schergen so richtig Rabatz veranstaltet hat. Anfangs nur mit Klinge und Bogen und ab der zweiten Hälfte konnte er auch die Grünhäute untereinander gegen sich aufbringen mithilfe des sogenannten Nemesis-Systems. Das spielt im Nachfolger Schatten des Krieges wieder eine zentrale Rolle und diese Erzählung um Talion und seinen geisterhaften Elfenbegleiter Celebrimbor bietet vor allem eins: Mehr von allem.

 

Schmuck und Krieg

 

Es war so schön mit dem Neuen Ring. Orks lagen Talion zu Scharen zu Füßen und ihm haftete nicht der Makel der Verderbtheit des bereits bekannten Einen Ringes an. Durch eine Verkettung ungünstiger Ereignisse muss Talion diesen Ring aber an Shelob, einem mächtigen Geschöpf in Form einer Spinne, übergeben, um den Geist des Ringschmieds Celebrimbors zu retten. Und ausgerechnet jetzt stehen Saurons Heere vor den Toren Minas Ithils, der letzten Feste vor Gondor und wollen da natürlich rein. Stark geschwächt geben der Waldläufer und sein magisch begabter Begleiter dennoch alles und mähen Orks, Ologs und Caragore zu Dutzenden nieder. Doch vergebens, Minas Ithil ist dem Untergang geweiht und wird zu dem weitaus bekannteren Minas Morgul, der Hochburg der Nazgûl. Sauron scheint unaufhaltsam, doch nicht mit Talion und noch weniger mit Celebrimbor. Durch eine Verkettung günstiger Ereignisse gelangen sie wieder an den Neuen Ring und jetzt gibt’s nur noch eins: Krieg dem dunklen Herrscher! Doch dafür brauchen sie eine Armee, so mächtig wie sie Mordor noch nicht gesehen hat. Minas Ithil ist verloren, doch das heißt nicht, dass man sich nicht im Umland nach „Freiwilligen“ umschauen kann. Es öffnet sich eine gigantische Welt, ein riesiger Spielplatz für Freunde der Metzelei und interessanter Erzählungen.

 

Stress mit den Nachbarn

 

Schatten des Krieges macht da weiter, wo Mordors Schatten aufgehört hat: eine große, offene Welt, riesige Gegnermassen und ein enorm agiler Waldläufer mit einem unstillbaren Durst nach Orkblut. Natürlich dürfen auch die Captains nicht fehlen, die sich mit ihren speziellen Fähigkeiten und Resistenzen vom gewöhnlichen Wald-und-Wiesen-Ork abheben. Diese erfordern je nach Fähigkeitenkombination eine spezielle Herangehensweise und nicht immer ist es ratsam, unvorbereitet in den Kampf zu gehen. Manche der Captains riechen es zum Beispiel, wenn man ihnen eine Klinge in den Rücken jagen will, sind immun gegen Pfeilbeschuss oder Feuer, haben dafür aber eine Todesangst vor Caragoren oder Spinnen. Um diese Schwachstellen herauszufinden gönnt man sich wie schon beim Vorgänger mithilfe der Macht seines Elfenbegleiters die Gedanken gewisser Orks.

 

Das Nemesis-System würfelt für jeden Ork-Captain gewisse Stärken und Schwächen aus, die man berücksichtigen sollte, will man nicht draufgehen. Doch auch untereinander sind sich die Schweineschnauzen nicht immer grün. Das gelungene Nemesis-System streut auch Konflikte zwischen den Captains untereinander ein und in gewissen Missionen kann man Exekutionen beobachten oder auch eingreifen. Das gestaltet die Welt lebendiger und die Orks überzeugender, da Talion ja irgendwo doch nur einer von vielen ist, wenn auch sehr mächtig. Auch ein Wiedersehen mit einem Captain der einen das Leben gekostet hat, wird berücksichtigt und entsprechend kommentiert, was für Tiefe sorgt und den eigenen Einfluss auf die Welt spürbar darstellt. So kann es auch vorkommen, dass man von einem weiteren Captain überrascht wird, weil man gerade seinen Blutsbruder enthauptet hat, die eigenen Verbündeten fallen Talion in den Rücken oder retten ihn. Für Überraschung und Abwechslung sorgt das Nemesis-System ohne Frage.

 

Gestatten, Talion: Kräutersammler und Kriegsherr

 

Im weiteren Verlauf, also ab Akt 2, muss man die Captains nicht mehr über den Anduin schicken, auch wenn das gelegentlich Sinn macht, um an bessere Ausrüstung zu gelangen, Stichwort Looten und Leveln, sondern kann sie seiner eigenen Armee hinzufügen. Denn eine Neuerung von Schatten des Krieges sind die Festungsbelagerungen. In 5 Gebieten in Mordor stehen Festungen, die es zu erobern gilt. Doch dafür braucht man eine Armee. Glücklicherweise muss man nicht jeden Ork einzeln dazu überreden, für einen zu kämpfen. Doch Captains erleichtern dieses Unterfangen, da diese nun in verschiedene Klassen aufgeteilt sind. Ein Tank beispielsweise hält nicht nur viel aus, sondern kann bei der Belagerung auch noch auf spezielle unterstützende Eigenschaften zurückgreifen, wie beispielsweise eine Schar von Schildträgern, die schwerer auszuschalten sind. Talion gibt sich also nicht nur als magiebegabte Mordmaschine, sondern versucht sich auch als Heerführer, denn den unterworfenen Orks können auch Befehle erteilt werden. Andere Captains ausschalten, als Personenschützer eingesetzt werden, wenn der Kampf Mann gegen Ork mal nicht so rund läuft, oder die Festung bewachen. Generell bietet Schatten des Krieges enorm viele taktische Aspekte und Herangehensweisen, sodass man auch abseits des Waldläufertums ordentlich beschäftigt ist. Leider verkommt dieser an sich gelungene Ansatz irgendwann zur nervigen Fleißarbeit, da Sauron natürlich irgendwann davon genervt ist, ständig seine Butzen zu verlieren. So lustig und relativ einfach es ist, eine Festung einzunehmen, so schwer ist deren Verteidigung. Die Gegenangriffe fallen meist enorm heftig aus und nicht selten kommt es vor, dass man seine frisch gewonnene Immobilie wieder verliert. Also wieder zurückholen. Und da bei der Verteidigung oder bei der Rückeroberung wahrscheinlich einige der eigenen Captains draufgehen werden, muss die eigene Armee wieder aufgestockt werden. Also neue, fähige Orkanführer suchen, verkloppen, rekrutieren und als Festungsbewacher abkommandieren. Und da das noch nicht genug zu sein scheint, muss man auch dafür sorgen, dass die Grünhäute immer ordentlich bei Level bleiben. Ein Level 17 Captain sieht einfach kein Land gegen einen Level 33 Widersacher, egal wie episch oder legendär er auch ist.

 

Ui, bunt leuchtende Orks

 

Was uns zum Seltenheitsgrad führt. Wie es sich für ein anständiges Rollenspiel gehört gibt es neben einem umfangreichen Fähigkeitenarsenal, dazu später mehr, auch den Anreiz für den Sammler in uns. Um an gute Ausrüstung zu gelangen, reicht es nicht, hochlevelige Orkcaptains auszuweiden. Je seltener diese sind, desto schwerer sind sie zu besiegen, da sie mehr Resistenzen und weniger Schwächen haben, doch dafür sind die Belohnungen wertvoller. Andererseits sind sie eben schwerer zu besiegen, also würden sie sich auch gut in der eigenen Armee machen. Loot oder Mitstreiter? Eine an sich spannende aber dafür grind-intensive Frage, da legendäre Orks sehr selten sind. Wenn man will, kann man sich auch legendäre Orks „heranzüchten“ indem man immer wieder gegen ein und denselben Captain verliert und stirbt. Dadurch steigt er im Level und wird irgendwann episch. Und sehr viel später, mit Glück, legendär. Ob man es dann noch übers Herz bringt, ihn für besseres Equipment umzubringen, muss jeder für sich selbst entscheiden.

 

Haste ma‘ ‘nen Euro?

 

Denn das kostet Zeit. Viel Zeit. Das hat sich Warner sicher auch gedacht und schafft mithilfe von Lootboxen, der vielbeschrienen Plage der Spielelandschaft, Abhilfe. Warum ewig grinden, wenn man doch mittels eigener Barschaft die Nummer beschleunigen kann? Das Lootbox-System in Schatten des Krieges hält Ausrüstung und Mitstreiter in unterschiedlichen Seltenheitsgraden bereit, grenzt aber schon fast an Glücksspiel, da man auch durchaus nutzlosen Schrott für das sauer verdiente Geld bekommen kann. Zwar kann man auch mit Ingame-Währung namens Mirian an Kisten gelangen, den geilen Scheiß gibt’s aber nur im Austausch von Echtgeld. In meinen Augen eine mehr als fragwürdige Praxis, doch glücklicherweise nicht so spielrelevant wie im Vorfeld befürchtet. Die Möglichkeit der Mikrotransaktionen ist zwar vorhanden und wird auch prominent im Hauptmenü beworben, doch man kommt auch ohne recht gut aus, wenn man willensstark genug ist und entsprechend Zeit mitbringt. Dennoch bleibt der bittere Beigeschmack der künstlichen Spielzeitverlängerung, um Anreize für den Kauf von Lootboxen zu schaffen.

 

Wie, nur 50 gegen einen? Dafür steh‘ ich noch nicht mal auf

 

Das Kampfsystem in Schatten des Krieges orientiert sich am Vorgänger und kommt Spielern der Arkham-Reihe sicher bekannt vor. Anvisiert wird automatisch und Talion springt zwischen seinen Feinden hin und her, dass es eine wahre Freude ist. Kombos muss man keine lernen, das Malträtieren der Schlagtaste reicht völlig. Ein gelegentlicher Block oder ein Sprung über einen Feind hält den Kombo-Counter oben und das füllt die Macht-Leiste, mit der sich mächtige Angriffe auslösen lassen. Was zunächst simpel klingt und im Kern auch einfach zu erlernen ist, birgt eine erstaunliche Abwechslung in den Kämpfen, da auch der Ork-Mob verschiedene Gegnertypen auffährt, die unterschiedliche Taktiken erfordern. Schildträger frontal anzugreifen macht wenig Sinn und Wilde kann man nicht als Springbock missbrauchen. Und da Orks selten einzeln unterwegs sind, sieht man sich häufig einer erdrückenden Überzahl buntgemischter Klassen gegenüber. Doch Talion ist auch nicht allein, Celebrimbor verleiht ihm eine Vielzahl an Fähigkeiten, die ihm im Kampf zugutekommen. Das Besondere am hiesigen Skill-Tree ist, dass jede Fähigkeit 2 – 3 Erweiterungen hat, die die entsprechende Fähigkeit verstärkt. Jede Erweiterung kostet einen Fähigkeitenpunkt, und prinzipiell lassen sich alle kaufen, doch für jede Fähigkeit kann nur eine Erweiterung aktiv sein. Beispielsweise kann ein explosiver Flächenangriff entweder die Gegner vergiften, sie in Brand stecken oder einfrieren, aber nicht alles gleichzeitig. So kann man Talions Repertoire an seine eigenen Bedürfnisse anpassen und dieses bei Bedarf auch verändern. Verloren gehen deaktivierte Erweiterungen nicht, einmal erstanden lassen sie sich jederzeit aktivieren und deaktivieren, was gerade bei Kämpfen gegen zähere Captains durchaus hilfreich ist.

 

Bildergalerie von Mittelerde: Schatten des Krieges (14 Bilder)

Krieg muss nicht immer hässlich sein

 

Entwickler Monolith zaubert hier mit der hauseigenen Firebird-Engine wahrlich schöne Bilder auf die Bildschirme und Fernseher. Eine riesige Sichtweite, ein hoher Detailgrad und wunderschöne Texturen lassen sich in Schatten des Krieges bewundern. Und nicht nur, dass die Umgebung super aussieht, auch die Charaktere sind liebevoll designed, gerade Talion und die Vielzahl an Ork-Captains können optisch auf ganzer Linie überzeugen. Und das Beste daran, egal wie viele sich gerade darum prügeln, Talions Kopf abzureißen, es bleibt stets flüssig. In 80 Stunden Spielzeit habe ich nicht einen einzigen Frameraten-Einbruch bemerkt. Insgesamt ist Schatten des Krieges technisch sehr gelungen. Das gilt auch für die hervorragende Vertonung, seien es die Sprechchöre, die einen sofort an die Jackson’schen Filme denken lassen, oder die gelungene musikalische Untermalung, die stimmig zur Welt gewählt wurde. Ein großes Lob gilt auch der Sprachvertonung. Jeder Ork-Captain hat seine eigenen Sprüche auf Lager, egal ob beim ersten Aufeinandertreffen, bei Wiedersehen oder bei der Flucht, keine einzige Ansage war doppelt zu hören. Und das alles mit passenden Stimmen und überzeugender Intonation. Respekt.
 


Das Fazit von: Beef Supreme

Beef Supreme

Was für ein riesiges Spiel. Mittelerde: Schatten des Krieges ist gigantisch und hier lassen sich ohne weiteres hundert oder mehr Stunden drin versenken und man sieht den Abspann immer noch nicht. Doch damit das interessant bleibt, muss auch der Inhalt stimmen. Über weite Strecken passt der auch, da das überaus spaßige Nemesis-System jederzeit für Abwechslung bei den Kämpfen gegen die Ork-Captains sorgt und jeder Kampf anders verläuft und auch mal unerwartete Überraschungen parat hat. Auch die abwechslungsreichen Story-Missionen, von denen es einige gibt, wissen zu unterhalten und erzählen mehrere spannende Geschichten, wenn auch der rote Faden etwas darunter leidet, dass viele verschiedene Stränge separat voneinander behandelt werden. Dennoch macht es Spaß, jeden einzelnen von ihnen zu verfolgen. Die Sache mit den Festungseroberungen ist allerdings ein zweischneidiges Schwert. Einerseits macht es richtig Laune, sich seine eigene kleine Truppe zusammenzuklauen, obwohl oder gerade weil man vor Verrat nicht sicher ist, aber auf der anderen Seite ist die Sache derart grindlastig und zeitaufwendig, dass es fast schon an Arbeit grenzt. Vor allem wenn man ständig wieder Festungen verliert und man sich diese wieder zurückholen will. Hier unterstelle ich Absicht, da ja sonst diese unsäglichen Lootboxen nicht an den Mann gebracht werden können. Man braucht sie zwar nicht zwingend, aber es ist durchaus spürbar, dass das Spieldesign ein wenig darauf ausgelegt ist, den Käufern noch mehr Geld aus dem Säckel zu leiern. Eine mehr als fragwürdige Monetarisierungsentscheidung, die in meinen Augen in reinen Solospielen nichts verloren hat. Lässt man diesen Aspekt außer Acht, ist Mittelerde: Schatten des Krieges ein mehr als würdiger Nachfolger, der sehr viel zu bieten hat und über einen langen Zeitraum mehr als ordentlich unterhält. 


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positiv negativ
  • Riesige, lebendige Welt
  • Spaßige Festungseroberungen…
  • Sehr gutes Kampfsystem
  • Spürbare Auswirkungen auf die Spielwelt
  • Durchdachtes Nemesis-System
  • Umfangreiche Fähigkeiten
  • Klasse designte Ork-Captains mit Persönlichkeit
  • Mikrotransaktionen
  • … Die irgendwann in nervigen Grind ausarten
  • Kein richtiger roter Faden in der Story





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