Vom Giessen des Zitronenbaums

Vom Giessen des Zitronenbaums

Originaltitel: It Must Be Heaven
Genre: Tragikomödie
Regie: Elia Suleiman
Hauptdarsteller: Elia Suleiman
Laufzeit: DVD (98 Min) • BD (93 Min)
Label: good!movies, Neue Visionen
FSK 0

Vom Giessen des Zitronenbaums   01.09.2020 von Dan DeMento

Palästina ist eher in den Nachrichten präsent als in den Kinos. Eine Ausnahme bildet der Filmemacher Elia Suleiman, der 2002 mit Göttliche Intervention - Eine Chronik von Liebe und Schmerz zahlreiche Preise, unter anderem den Jurypreis in Cannes einheimste. Nach 17 Jahren Pause meldet Suleiman sich jetzt mit Vom Gießen des Zitronenbaums zurück, und wir durften einen Blick auf die Tragikomödie werfen.


Inhalt:

 

Elia (Elia Suleiman) ist Künstler und Filmemacher aus Nazareth, sein letzter Erfolg liegt aber schon einige Zeit zurück. Da das Publikum von einem palästinensischen Filmemacher tragische, politische Filme erwartet, Elia aber eine Komödie machen möchte, findet er im eigenen Land keine Finanzierung. So macht er sich auf den Weg in den Westen, zuerst nach Paris, später nach New York, um dort sein Glück zu versuchen.

 

Auch wenn Vom Gießen des Zitronenbaums offiziell einer gewissen Abfolge der Geschehnisse folgt, so etwas wie eine Handlung im klassischen Sinne darf man hier nicht erwarten. Der Hauptdarsteller (Elia Suleiman als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller in Personalunion) spricht im gesamten Film vielleicht vier Sätze, und auch die anderen Beteiligten haben nicht viel mehr beizutragen. Insgesamt ist der Film sehr episodisch und zeigt einzelne Szenen, die durch die Handlung sehr lose verbunden sind. Über weite Strecken wirkt Vom Gießen des Zitronenbaums so, als hätten Monty Python ein Buch von Ephraim Kishon verfilmt.

 

Elia zieht durch das Land und beobachtet dort seltsame Dinge. Er beobachtet Passanten, Polizisten, Vögel und Touristen und stellt darüber fest, dass die Dinge überall ähnlich seltsam sind, ob in Nazareth, Paris oder New York. Während die Polizisten im einen Land Sonnenbrillen tauschen, tanzen sie im anderen auf Segways und Inline Skates, vermessen die Außenbereiche von Cafés oder bedrängen harmlose Rentner. Der einzige "rote Faden" ist Elia, der - wie wir - all diese Absurditäten schweigend beobachtet. Und er spielt diese Rolle mit einer stoischen Ausdrucklosigkeit, die in ihrem Minimalismus mehr schauspielerisches Talent abverlangt als so manche mit dem hundertfachen an Text.

 

Man muss kein ausgewiesener Filmkenner sein, um zu erkennen, dass der Grundplot des erfolgreichen, aber alt gewordenen Filmemachers, der endlich einen Film machen möchte, der sich nicht mit dem Nahost-Konflikt beschäftigt, gewisse autobiografische Züge hat. Bei Vom Gießen des Zitronenbaums steht die Handlung aber ein gutes Stück hinter der Inszenierung des Films. Jedes Motiv ist visuell auf seine eigene Weise beeindruckend, perfekt durchdacht und bis zum kleinsten Detail komponiert. Das optisch beeindruckendste ist, dass Elia in der Regel allein ist, und das auch an sonst extrem belebten Plätzen. Wenn andere Menschen vorkommen, dann nur, damit Elia etwas hat, das er beobachten kann. Jede Szene ist mit Symbolik aufgeladen und lässt sich wohl auf hundert verschiedene Arten interpretieren. Besonders eindrucksvoll geschieht das bei einer Schlacht um die Stühle vor dem Brunnen, oder nach Elias Einkauf in einem Supermarkt.

 

Auffallend oft wiederholt sich das Motiv, dass Personen in den privaten Raum anderer Menschen eindringen und ihnen diesen Platz rauben. Das passiert bei Polizisten genauso wie bei Elias Nachbarn, der sich ungefragt um den titelgebenden Zitronenbaum kümmert. Der besagte Titel Vom Gießen des Zitronenbaums ist hier - wie so oft - auch wieder eine deutsche Erfindung, im Original heißt der Film It Must Be Heaven, was die tragische Note in diesem vermeintlich lustigen Film noch etwas besser aufzeigt.

 

Vom Gießen des Zitronenbaums ist die Art von Film, über die Filmstudenten später einmal Referate halten. Als Otto Normalverbraucher ist man zwar die meiste Zeit sehr irritiert, aber dennoch gut unterhalten. Und so ist der Film eigentlich Kunst in ihrer reinsten Form: Man muss den Film nicht verstehen, um ihn zu mögen.

 

Bildergalerie von Vom Giessen des Zitronenbaums (5 Bilder)

Details der DVD:

 

Zur Bewertung lag uns nur die DVD vor, was in diesem Fall besonders schade ist. Der Film bietet teilweise so großartige Landschaftsaufnahmen, dass man sie gerne in ihrer vollen Pracht genießen möchte. Zwar ist am Bild technisch nichts auszusetzen, in Full-HD wäre der Film aber auf jeden Fall noch eindrucksvoller. Dasselbe gilt für den Ton. Gerade weil der Film so leise - im doppelten Wortsinn - ist, hätte ein etwas differenzierterer Sound das Erlebnis noch verbessert. Daher raten wir - unbekannterweise - klar zum Kauf der Blu-Ray. Bonusmaterial gibt es leider nicht, was ebenfalls sehr schade ist.



Cover & Bilder © EuroVideo Medien GmbH. Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

 

Vom Gießen des Zitronenbaums ist definitiv nicht jedermanns Sache und will es auch nicht sein. Wer aber seine Freude an skurrilen Bildern hat und sich für eineinhalb Stunden von den klassischen Erwartungen, die man an einen Film hat, verabschieden kann, dem kann es passieren, dass Vom Gießen des Zitronenbaums ihn mehr berührt, als es zuerst den Anschein hat.


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