The Card Counter
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BEWERTUNG |
23.05.2022 von MarSWenn Paul Schrader und Martin Scorcese gemeinsam an einem Film arbeiten, dann weckt das ohne Zweifel Erinnerungen. Ob die beiden mit The Card Counter an einstige Erfolge anknüpfen können, das erfahrt Ihr in unserer Kritik...
Inhalt
Als verurteilter Kriegsverbrecher saß der ehemalige Soldat William Tell (Oscar Isaac) beinahe 10 Jahre im Gefängnis, wo er sich selbst die Kunst des Kartenzählens beigebracht hat. Nun zieht Tell unaufhörlich von Casino zu Casino durchs ganze Land, mietet sich in billigen Motels ein, und bleibt durch möglichst geringe Einsätze und Gewinne stets unauffällig. Selbst als die Poker-Agentin La Linda (Tiffany Haddish) auf ihn aufmerksam wird, weigert sich Tell vehement, ins große Geschäft einzusteigen. Alles ändert sich jedoch, als er eines Tages bei einem Vortrag seines ehemaligen Majors John Gordo (Willam Dafoe) den jungen Cirk (Tye Sheridan) kennenlernt. Cirk ist fest dazu entschlossen, den Tod seines Vaters zu rächen, der das gleiche Schicksal erlitten hatte wie Tell, und nach einem psychischen Absturz vor vier Jahren Selbstmord begangen hat. Anstatt sich jedoch an Cirks Rachefeldzug zu beteiligen, bietet Tell dem jungen Mann an, ihn auf seiner Reise zu begleiten. Schließlich steigt Tell sogar auf La Lindas Angebot ein, und tritt damit erstmals seit Jahren aus seinem Schattendasein. Während Tell im Verlauf der World Series of Poker um immer größere Summen spielt, und dabei unaufhörlich von verdrängten Erinnerungen heimgesucht wird, kann Cirk seine Rachepläne einfach nicht vergessen. Da stellt ihn Tell vor eine Wahl, die er selbst nie hatte...
Einst Stamm-Drehbuchautor für Martin Scorcese, unter anderem für Taxi Driver oder auch Wie ein wilder Stier, hatte in den letzten Jahren kaum mehr ein Filmfan Paul Schrader auf dem Schirm. Mit The Card Counter meldet er sich nun allerdings eindrucksvoll zurück, und erinnert damit zweifellos daran, dass man ihn noch lange nicht abschreiben sollte. The Card Counter ist zudem ein Film, den man sehr schnell falsch einordnen könnte. Weder echter Thriller, noch Casino-Streifen, noch Kriegsdrama sind hier die zugrundeliegenden Genres, sondern vielmehr von allem etwas. Und doch wirkt The Card Counter wie aus einem Guss, verbindet seine Elemente zu einem perfekt arrangierten Gesamtwerk, und hinterlässt mehr als nur einen Kloß im Hals des Zuschauers. Poker, Black-Jack, überhaupt die Kunst, in einem Casino Gewinne einzustreichen, das alles ist hier kein zentrales Element, sondern vielmehr eine Parabel auf den Gefängnisaufenthalt der Hauptfigur mit ihren immer gleichen Abläufen, ebenso wie ein Spiegel des anonymen, unauffälligen Charakters in einer glänzenden Scheinwelt. Die Figur des Willam Tell, einfach grandios dargestellt von Oscar Isaac, erzählt viel. Erzählt aus dem Off viel über das Casino-Leben, das Spielen, die Art und Weise, wie man durch das Zählen von Karten gewinnen kann, oder welche Tricks anzuwenden sind, um nicht aufzufallen. Was jedoch bewusst ein Geheimnis bleibt, das ist der eigene Charakter, die eigene Vergangenheit, einfach alles, was hinter der über die Jahre aufgebauten Fassade steckt. Tell ist undurchsichtig, in sich gekehrt, und am liebsten für sich allein, um sich auf keinen Fall mit dem auseinandersetzen zu müssen, was einmal gewesen ist. Und doch verspürt er Reue, fühlt sich schuldig, und strebt in seinem Innersten nach Erlösung. Eine Erlösung von Dingen, die in extrem stilisierten, beinahe surrealen Albtraumsequenzen auf den Zuschauer einprasseln, und dabei markerschütternde Ereignisse offenbaren. Eine Erlösung, die er sich durch den jungen Cirk erhofft (ebenbürtig an Isaacs Seite: Tye Sheridan), eine ebenso tragische Figur wie er selbst, jedoch mit einer völlig anderen Motivation. Cirk sucht Rache, während Tell zu Vergessen versucht. Doch welcher Weg ist der Richtige? Und kann man sich seinen Weg tatsächlich aussuchen, oder ist dieser durch die Taten in der Vergangenheit ohnehin bereits vorbestimmt? The Card Counter gibt die Antwort. Allerdings eine Antwort, die mit Sicherheit nicht jedem gefallen wird. Und eine Antwort, die ebenso schmerzhaft und unangenehm, wie in letzter Konsequenz unausweichlich erscheint.
The Card Counter präsentiert jedoch nicht nur inhaltlich sehr schwer verdauliche Kost und einen hervorragend agierenden Cast (selbst Willam Dafoe gelingt es hier, trotz kleiner Nebenrolle und wenig Screentime, einen wirklich hassenswerten, grauenerregenden Charakter zu erschaffen), sondern leistet sich auch handwerklich keinerlei Schwächen. Die Inszenierung ist auf der einen Seite sehr ruhig, zurückhaltend und frei von unnötiger beziehungsweise unpassender Hektik, auf der anderen Seite aber dank gezielten, fein ausgearbeiteten Dialogen sowie der bemerkenswerten Atmosphäre ohne Unterlass absolut fesselnd, während das Geschehen von einem auf den Punkt eingesetzten Soundtrack perfekt unterstützt wird.
Details der Blu-ray
Stilistisch sind die Szenen in der Vergangenheit klar von denen in der Gegenwart abgegrenzt, was sich auch in der Bildqualität der Blu-ray widerspiegelt. Während die Gegenwart - mit Ausnahme von etwas stärkerem Korn in der ein oder anderen Nachtsequenz - sehr sauber, scharf und kontraststark dargestellt wird, arbeiten die albtraumhaften Rückblenden bewusst mit Fischaugenkameras, massivem Rauschen und stilisierter Farbgestaltung. Als Stilmittel funktioniert dies hervorragend, weshalb das schwankende Bild keineswegs als negativ gewertet werden kann. Absolut hochwertig ist die Tonspur ausgefallen. Der Ton wird nicht nur sehr dynamisch und kraftvoll wiedergegeben, sondern erzeugt durch eine bemerkenswerte Verteilung von Effekten und Umgebungsgeräuschen im ganzen Raum eine perfekte "Mittendrin"-Atmosphäre. Die Sprachwiedergabe ist an dieses Sounddesign angepasst, wodurch sich Dialoge mitunter ein wenig mit der Soundkulisse der Casinos vermischen, ohne dabei jedoch unverständlich zu werden. Durchwegs eine starke Veröffentlichung, die dem Film absolut gerecht wird. Cover & Bilder © LEONINE Distribution GmbH - Alle Rechte vorbehalten. Das Fazit von: MarS
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