Harrow County: Ein Spiel Makabrer Zwietracht

Harrow County: Ein Spiel Makabrer Zwietracht

Genre: Gebietskontrolle • Aktionsdrafting • Würfelturm
Autor: Jay Cormier, Shad Miller
Illustrator: Tyler Crook
Spieleverlag: Off the Page Games, Corax Games
Empfohlenes Alter: 12+ Jahre
Spieldauer: 45-90 Minuten

Harrow County: Ein Spiel Makabrer Zwietracht   05.11.2024 von 2-PL4Y3R5

Harrow County basiert auf dem gleichnamigen Comic. Wir könnten hier jetzt schön thematisch einleiten. Tun wir aber nicht. Lest die Comics, um euch einzustimmen! Oder lasst euch direkt vom Spielmaterial und den Spielmechaniken in den Bann ziehen. Harrow County ist ein Strategiespiel, im Wesentlichen für 2 Personen, das zwar kaum narrative Elemente hat, aber durchaus immersiv sein kann. Wählt zuerst eine Fraktion: schlagt ihr euch auf die Seite der Beschützer, die versuchen die Einwohner zu retten oder der Familie, welche mit ihren Stürmen Gebäude zum Einsturz bringt? Harrow County bietet so viele taktische Möglichkeiten und es gibt einfach so viel zu entdecken. Wir waren hin und weg.

 

Kapitel 1 bis 5: Ein Überblick

 

Die Anleitung von Harrow County führt step-by-step an die Regeln des Spiels heran. Bis man alle Regeln kennt, spielt man fünf „Kapitel“. Die Kapitel haben nicht wirklich eine Geschichte, je nach Geschmack kann man auch direkt die gesamten Regeln lesen und direkt das vollständige Spiel spielen. Wir gehen Dinge eher langsam an und finden es prinzipiell eine gute Idee Spiele sukzessive zu entdecken. So mögen wir z.B. auch Legacy Spiele sehr gerne. Daher haben wir bei Kapitel 1 begonnen und das sogar zweimal mit vertauschten Rollen gespielt. Dann folgte jeweils eine Partie der Kapiteln 2 bis 4.

 

Wie entwickelt sich Harrow County von Kapitel 1 zu Kapitel 5? In Kapitel 1 ist Harrow County auf die wesentlichen Grundregeln beschränkt, sehr minimalistisch, aber ausreichend, um die Grundmechanismen kennenzulernen. In Kapitel 2 haben dann beide Fraktionen auch Karten zur Verfügung, mit denen sie verbesserte und abwechslungsreichere Aktionen ausführen können. Außerdem können Spieler beider Fraktionen nun zwischen verschiedenen Charakteren mit unterschiedlichen Spezialfähigkeiten wählen. In Kapitel 3 kommt noch mehr Variabilität ins Spiel: jedes Einmachglas, über die Aktionen ausgeführt werden, wird mit einer Bonusaktion verknüpft, die in jeder Runde wechselt. Und statt Einwohner und Gebäude direkt zu Spielbeginn auf feste Positionen des Spielplans zu stellen, werden diese vom jeweiligen Gegenspieler platziert, und zwar jeweils eine Einheit zu Beginn jeder Runde. Außerdem gibt das Töten gegnerischer Einheiten auf dem Spielplan weniger Siegpunkte, sodass andere Ziele für Siegpunkte wichtiger werden. In Kapitel 4 wird Kammi als dritte Fraktion eingeführt, die im 2-Personen-Spiel entweder gegen die Familie oder die Beschützer antreten kann. Kapitel 5 führt lediglich Hester ein, der ausschließlich in 3-Spieler-Partien verwendet wird. Ihn haben wir bisher noch nicht getestet. In der folgenden Regelerklärung leiten wir durch ein vollständiges 2-Personen Spiel, Familie gegen Beschützer. Das entspricht dem Stand von Kapitel 3.

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Harrow County wurde durch eine Crowdfunding Kampagne ins Leben gerufen. Dementsprechend gibt es das Spiel in einer Standard- und einer Deluxe-Edition. Wir haben hier die Standard-Edition getestet. Dennoch macht alles einen sehr wertigen Eindruck: so hat jede Fraktion ihre eigenen kleinen Spuk-Miniaturen aus Plastik. Und das Artwork, welches sich durch das gesamte Spielmaterial zieht, hat uns ebenso sehr zugesagt und für ein besonders immersives Spielerlebnis gesorgt. Klar, mehr geht immer, aber muss das wirklich sein? Das Einzige, was wir aus der Deluxe Edition durchaus gerne mitgenommen hätten, sind die Stürme der Familie aus Plastik, da wir etwas Angst haben, dass die Stürme aus Pappe dann doch nicht für die Unendlichkeit gemacht sind. Und Kritik auf noch höherem Niveau: Der Stoffbeutel, aus dem die Familie ihre Plättchen zieht, ist etwas klein geraten. Große Hände werden Schwierigkeiten haben die Plättchen herauszufischen.

 

Jetzt aber losgelegt mit dem Spielaufbau. Als erstes kommt der Spielplan mit einer zufälligen Seite nach oben in die Tischmitte. Der Spielplan ist sechseckig und besteht aus Hex-Feldern. Die meisten Hex-Felder zeigen eines von vier Terrains: braune Sümpfe, gelbe Ebenen, grüne Wälder und türkise Marsche. Im Zentrum des Spielplans befindet sich ein Dornen-Feld, das von zwei gegenüberliegenden Seiten an jeweils ein Gebirgs-Feld angrenzt. Hinter den beiden Gebirgsfeldern, auf gegenüberliegenden Seiten des Spielplans liegen die Heimatfelder der beiden gegeneinander antretenden Fraktionen. Auf das eigene Heimatfeld platziert jede Fraktion drei seiner Spuk-Miniaturen und seine Legenden-Figur - das gilt übrigens nicht für Kammi, die in Kapitel 4 eingeführt wird, sondern nur für die Familie und die Beschützer. Nun werden Fähigkeits-Plättchen auf alle Terrain-Hex-Felder platziert, die mehr als 1 Feld von den beiden Heimatfeldern entfernt sind. Es gibt vier verschiedene Fähigkeitsplättchen in Harrow County: Vorrücken (gelbe Tatze), Beschwören (graue Knochen), Verstärken (braune Zähne) und Erfahrung (beige Schriftrolle). Auf jedes der vier Terrains kommt immer das gleiche Fähigkeitsplättchen, z.B. Vorrücken auf alle Sümpfe; welches Plättchen auf welches Terrain kommt, wird zufällig bestimmt.

 

Neben dem Spielplan wird das Wertungstableau platziert. Es enthält drei wichtige Bereiche. Die zwei Rädchen tracken die Siegpunkte, welche beide Fraktionen im Spielverlauf sammeln. Zu Beginn sollten beide Rädchen den Wert null zeigen. Siegpunkte gibt es auch für das Töten gegnerischer Spuke. Allerdings muss man im Spielverlauf immer mehr Spuke töten (1-3), um einen Siegpunkt dafür zu erhalten, was mittels Löffel auf dem Rädchen nachverfolgt wird. Dieser Wert steht zu Spielbeginn auf „1“. In der Mitte des Wertungstableaus findet das Aktions-Drafting statt. Hier platzieren beide Fraktionen ihre vier Einmachgläser. Sie zeigen die vier Aktionsmöglichkeiten in Harrow County. Achtet darauf, dass die gegenüberliegenden Einmachgläser dieselben Aktionssymbole zeigen. Zwischen den Einmachgläsern der beiden Fraktionen werden vier zufällige der insgesamt neun Bonusplättchen gelegt. Jeder zieht abwechselnd ein Bonusplättchen und legt es aus, weil sich darunter auch die Laterne verbirgt. Der erste, der das Laternen-Bonusplättchen zieht, wird Startspieler und nimmt sich das Startspielerplättchen (eine Laterne); das Laternen-Bonusplättchen selbst wird nicht auf das Wertungstableau gelegt, sondern kommt zurück in die Spielschachtel. Die restlichen Bonusplättchen kommen in einen verdeckten Nachziehstapel. Im Spielverlauf wählen die beiden Fraktionen abwechselnd ein eigenes Einmachglas und führen dessen Aktion aus. Ist das Bonusplättchen an derselben Position noch verfügbar, so darf auch die abgebildete Bonusaktion ausgeführt werden. Der letzte Bereich des Wertungstableaus besteht aus den vier kleinen Feldern, welche dieselben vier verschiedenen Terrains wie der Spielplan zeigen. Hier platzieren Familie und Beschützer ihre vier Gebäude bzw. Einwohner. Sie werden zu Beginn der ersten vier Runden von der jeweils gegnerischen Fraktion auf den Spielplan gestellt, sodass man sie gut verteidigen kann; und zwar auf ein beliebiges Feld desselben Terrains.

 

Nun werden der Baum und das Schlachtfeld vorbereitet. Mit dem Baum ist die Abbildung auf dem Deckel der Spielschachtel gemeint. Ihr habt sicherlich schon die Öffnung entdeckt!? Euer Spiel ist nicht kaputt, it’s not a bug, it’s a feature! Die Spielschachtel ist nämlich ein Würfelturm, mit dem die Kämpfe in Harrow County ausgewertet werden. Auf der Baumkrone wird ein kleiner Trichter platziert, damit die Würfel auch ihren Weg in den Turm finden. Das Schlachtfeld selbst ist eine kleine Würfelschale, die so orthogonal zur Spielschachtel platziert wird, dass Würfel aus der Öffnung des Baumstammes in die Würfelschale fallen können. Alle Fraktionen haben kleine Stärke-Würfel aus Holz, die sie in ihren Vorrat platzieren. Mit ihnen kann die Stärke auf dem Schlachtfeld erhöht werden. Zu Spielbeginn erhält jede Fraktion drei eigene Stärke-Würfel auf das Schlachtfeld.

 

Nun müssen die Spieler nur noch das Material der Fraktion vorbereiten, die sie spielen möchten. In den ersten Partien wird Familie gegen Beschützer gespielt. Hier gibt es jede Menge zu entdecken, sodass man erst nach mehreren Partien den Drang verspüren wird andere Fraktionen auszuprobieren, zumindest ging es uns so. Die Fraktionen sind asymmetrisch, nicht so extrem wie man es von Spielen wie Root kennt, aber durchaus genug, um ein komplett unterschiedliches Spielgefühl zu vermitteln. Aus diesem Grund unterscheidet sich auch die Spielvorbereitung für die verschiedenen Fraktionen. Dennoch gibt es auch einige Gemeinsamkeiten.

 

Jede Fraktion hat ein Fraktions-Tableau. Es wird so ausgelegt, dass die Seite mit den Karten-Icons nach oben zeigt. Die Rückseite ist nur für Kapitel 1 relevant, in dem noch gänzlich ohne Kartendecks gespielt wird. Auf den Fraktions-Tableaus sieht man linksseitig Felder, die im Spielverlauf mit Fähigkeitsplättchen belegt werden können, um seine Aktionen zu verbessern. Dann wählt jeder Spieler einen Charakter. Genau, richtig gelesen: jede Fraktion hat mehrere Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten zur Auswahl. Hat man sich entschieden, nimmt man sich das entsprechende Charakter-Tableau und platziert es neben das Fraktions-Tableau. Zu guter Letzt muss sich jeder Spieler noch für eine Seite der Talentleiste seiner Fraktion entscheiden. Auch hier hat man die Wahl zwischen zwei unterschiedlichen Leisten, welche die Fähigkeiten seiner Fraktion mitbestimmen. Entscheidet sich der Beschützer für die Talentleiste mit den Pfaden, so erhält er ein Pfad-Plättchen in den persönlichen Vorrat und die übrigen drei Pfad-Plättchen auf die Talentleiste, von wo aus sie im Spielverlauf freigeschaltet werden können.

 

Jede Fraktion hat auch ein eigenes Kartendeck, dessen Verwendung allerdings Fraktions-spezifische Regeln hat. Während der Vorbereitung werden die eigenen Kartendecks gemischt und drei Karten auf die Hand gezogen. Jede Fraktion erhält außerdem noch ein Ritualplättchen. Die Familie muss auch noch ihren blauen Stoffbeutel füllen. Hier kommen einige Fähigkeitsplättchen rein, die im Spielverlauf zufällig aus dem Beutel gezogen werden: 4x Vorrücken, 2x Beschwören und 2x Verstärken. Es werden immer mehrere Plättchen gezogen, sodass immer eine zufällige Kombination aus Aktionen zur Verfügung stehen wird. Damit sind die Aktionen der Familie weniger planbar als die des Beschützers, der sich zwar immer entscheiden darf, welche Aktion er ausführen möchte, der aber dafür auf eine einzelne Aktion beschränkt ist, die er mehrmals ausführen darf. Die Familie erhält außerdem 9 Upgrade-Plättchen, mit denen die Fähigkeitsplättchen im Beutel während einer Partie verbessert werden können. Damit kann es endlich losgehen!

 

Das Spielziel

 

Eine Partie Harrow County ist abgeschlossen, wenn am Ende einer Runde mindestens eine Fraktion 7 oder mehr Siegpunkte erreicht hat. Wer dann die meisten Siegpunkte hat, gewinnt. Bei Gleichstand gewinnt der Spieler mit der Laterne, also derjenige, der zuletzt Startspieler war. Wie kommt man an Siegpunkte? Das ist das Schöne an Harrow County, denn es gibt unterschiedliche Wege und Strategien an Siegpunkte zu kommen.

Am einfachsten erscheint es Siegpunkte zu generieren, indem man gegnerische Spuke tötet. Der erste Spuk, den man im Kampf tötet, bringt schon einen Siegpunkt. Für den nächsten Siegpunkt braucht es aber schon zwei Spuke, die man zur Strecke bringen muss; und für jeden weiteren Siegpunkt drei! Kämpfe sind auch teuer und wollen vorbereitet sein. Nur zu kämpfen führt nicht ans Ziel.

Eine weitere Möglichkeit ist das Dornenfeld. Hat man am Rundenende eine eigene Einheit auf dem Dornenfeld in der Mitte des Spielplans, so erhält man einen Siegpunkt. Wenn man in einer Runde nicht Startspieler ist, macht es also Sinn sich in seinem letzten Zug in die Dornen zu bewegen oder den Gegner da rauszuhauen. Die Dornen sind aber auch gefährlich, weil Einheiten im Dornenfeld doppeltsoleicht im Kampf besiegt werden können, nämlich für einen, statt zwei Stärke-Würfel. 

Zuletzt gibt es auch eine Art Primärziel, wofür es am meisten Siegpunkte gibt. Als Familie möchtest Du Gebäude mit deinen Stürmen vernichten und als Beschützer Einwohner nach Hause eskortieren. Beides wird auf Gewisse Weise durch das Bilden von Wegen vom eigenen Heimatfeld zum Gebäude bzw. Einwohner erreicht. Hier sind cleveres Stellungsspiel, Verteidigungslinien und durchdachte Angriffe gefragt. Und pro zerstörtes Gebäude bzw. eskortiertem Einwohner gibt es 2 Siegpunkte. Da in jeder Runde ein neues Gebäude und ein neuer Einwohner strategisch platziert werden muss, könnte man theoretisch in Runde 4 nur durch das Erfüllen des Primärziels gewinnen.

 

Der Spielablauf

 

Harrow County wird über mehrere Runden gespielt. Jede Runde besteht aus drei Phasen, wobei das wesentliche in Phase 2 passiert: hier führen die beiden Spieler abwechselnd Spielerzüge aus, bis jeder dreimal am Zug war.

 

In Phase 1 einer jeden Runde werden aber zunächst ein neues Gebäude und ein neuer Einwohner vom Wertungs-Tableau auf den Spielplan platziert. Der Spieler mit der Laterne beginnt. Die Familie wählt einen Einwohner der Beschützer und die Beschützer ein Gebäude der Familie, jeweils unter den auf dem Wertungs-Tableau noch verfügbaren aus und platziert ihn bzw. es auf den Spielplan. Dabei muss ein Hex-Feld gewählt werden, dessen Terrain dem Terrain des gewählten Einwohners bzw. Gebäudes vom Wertungs-Tableau entspricht. Gebäude bzw. Einwohner sollten strategisch so platziert werden, dass die gegnerische Fraktion schwer herankommen kann, hinter die Verteidigungslinien! Nach Runde 4 sind in der Regel alle Einwohner oder Gebäude weg, sodass diese Phase übersprungen werden kann.

 

In Phase 3, also nach den Spielerzügen, findet ein bisschen Upkeep statt. Das geht aber alles sehr schnell. Kontrolliert ein Spieler das Dornenfeld, erhält er jetzt einen Siegpunkt. Dann wird geprüft, ob ein Spieler 7 oder mehr Siegpunkte erreicht und das Spielende ausgelöst hat. Falls dem so ist, endet das Spiel an dieser Stelle. Ansonsten werden die Einmachgläser wieder auf die Vorderseite gedreht, neue Bonusplättchen vom Nachziehstapel ausgelegt und der Startspielermarker weitergegeben, d.h. der Spieler mit dem letzten Zug in dieser Runde hat den ersten Zug in der nächsten, also zwei Züge nacheinander! Dann startet die nächste Runde wieder mit Phase 1.

 

Schauen wir uns nun an welche Möglichkeiten die Spieler in Phase 2 während der eigenen Spielerzüge haben. Ein Spielerzug beginnt immer damit, dass man sich für eines auf dem Wertungs-Tableau ausgelegten, noch verfügbaren Einmachgläser der eigenen Fraktion entscheidet und dieses aktiviert, indem es auf die Rückseite gedreht wird. Es gibt nur vier Einmachgläser und jede Fraktion hat immer dieselben Einmachgläser zur Verfügung. Was können die Einmachgläser denn jetzt? Drei der vier Einmachgläser erlauben die Verwendung von Basisaktionen auf die eine oder andere Weise. Daher schauen wir uns zunächst die drei Basisaktionen an: Vorrücken, Beschwören und Verstärken.

 

Mit einer Vorrücken Aktion können eine oder mehrere Einheiten (das sind Spuke und Legenden) von einem Hex-Feld auf ein benachbartes Hex-Feld bewegt werden. Mit dieser Bewegungsregel ist es relativ einfach Verteidigungslinien herzustellen, z.B. indem 3 Vorrücken-Aktionen ausgeführt werden, um vier Einheiten vom selben Hex-Feld schrittweise auf benachbarte Hex-Felder zu ziehen, sodass am Ende auf vier benachbarten Hex-Feldern jeweils eine Einheit steht. Die Bewegung auf ein Gebirgs-Hex-Feld kostet allerdings 2 Vorrücken-Aktionen, dafür hat man von Gebirgen +1 Reichweite im Kampf. Befindet sich am Ende eines Spielerzuges eine eigene Einheit auf einem Hex-Feld mit Fähigkeitsplättchen, darf man dieses einsammeln! Schriftrollen kommen auf die Legendenleiste unterhalb des Charakter-Tableaus und verbessern die Legenden-Fähigkeit. Die übrigen Fähigkeitsplättchen kommen entweder auf das Fraktions-Tableau oder im Falle der Familie auch in den Beutel. Eine Beschwören Aktion erlaubt es eine Spuk Miniatur auf den Spielplan zu bringen, und zwar entweder auf das Feld mit deiner Legende oder auf das Heimatfeld. Für beide dieser Basisaktionen gelten gewissen Einschränkungen, wesentliche Grundregeln in Harrow County: so dürfen sich zu keinem Zeitpunkt mehr als vier Einheiten auf einem Hex-Feld befinden. Außerdem dürfen sich zu keinem Zeitpunkt Einheiten gegnerischer Fraktionen auf demselben Hex-Feld befinden; das gilt auch für die Einwohner der Beschützer und die Gebäude der Familie, die sich nie auf demselben Hex-Feld wie Einheiten der Familie bzw. Beschützer befinden dürfen. Die simpelste der Basisaktionen ist Verstärken. Man darf einen Stärke-Würfel aufs Schlachtfeld platzieren. Es gibt ein Maximum von sechs Stärke-Würfel, das am Ende des eigenen Spieler-Zuges überprüft wird.

 

Schauen wir uns nun die Einmachgläser an. Das Fähigkeiten-Einmachglas mit dem Symbol eines Fähigkeitsplättchens erlaubt es die drei Basisaktionen Vorrücken, Verstärken und Beschwören auszuführen. Die Mechaniken des Fähigkeiten-Einmachglases – also wie genau man diese Basisaktionen ausführen kann – sind allerdings Fraktions-abhängig. Die Stärke des Einmachglases wird aber sowohl für Familie als auch Beschützer durch eingesammelte Fähigkeitsplättchen erhöht: Immer, wenn man im Spielverlauf Fähigkeitsplättchen erhält, z.B. von den Hex-Feldern auf dem Spielplan, kann man diese permanent auf sein Fraktionstableau legen.

Das Fraktionstableau der Beschützer hat drei Zeilen, eines für jede der drei Fähigkeitsplättchen bzw. Basisaktionen. Wählt der Beschützer das Fähigkeiten-Einmachglas, darf er sich für eine Reihe entscheiden und diese Basisaktion so häufig ausführen, wie die Anzahl der Fähigkeitsplättchen vorgibt. 3 bis 6 mal bei 0 bis 3 Plättchen des entsprechenden Typs. Der Beschützer kann also mit diesem Einmachglas immer nur eine einzelne der drei Basisaktionen ausführen.

Die Familie dagegen zieht Fähigkeitsplättchen aus dem Beutel und muss sich dann entscheiden, welche der gezogenen Plättchen sie als Aktionen ausführen möchte. Werden Fähigkeitsplättchen auf dem Fraktionstableau gesammelt, so erhöht sich die Anzahl der Plättchen, die aus dem Beutel gezogen werden und seltener auch die Anzahl der Plättchen, die als Aktion ausgeführt werden dürfen. Wenn sich nur die Anzahl der Plättchen erhöht, die aus dem Beutel gezogen wird, dann erhöht sich zumindest die Chance die passenden Plättchen zu ziehen; man hat dann mehr Auswahl und es ist wahrscheinlicher die passenden Aktionen zur Verfügung zu haben. Die Familie kann nicht nur vom Spielplan eingesammelte, sondern auch aus dem Beutel gezogene Fähigkeitsplättchen auf ihr Fraktions-Tableau legen, statt sie zurück in den Beutel zu tun; so hat die Familie auch mehr Kontrolle übers Bag-building.

 

Dann gibt es ja auch noch die Karten. Für die Familie sind diese nur relevant, wenn sie das Fähigkeiten-Einmachglas verwendet. Denn die Familie kann mithilfe ihrer Upgrade-Karten gezogene Fähigkeitsplättchen verbessern, wenn das Symbol auf gezogenem Plättchen und Karte übereinstimmen, sodass statt eine der Basisaktionen, eine verbesserte Basisaktion mit besonderen Fähigkeiten zur Verfügung steht, deren Regel auf der entsprechenden Karte beschrieben ist. Das Fähigkeitsplättchen wird dann durch das entsprechende Upgrade-Fähigkeitsplättchen ausgetauscht und als solches am Ende des Zuges zurück in den Beutel gelegt. Die Beschützer haben stattdessen ein Taktik-Kartendeck und können pro Zug(!) eine dieser Karten ausspielen, vor oder nach der Verwendung des Einmachglases, also mindestens dreimal häufiger als die Familie ihre Karten verwenden kann. Hier findet man mächtige Aktionen, die für Überraschung bei der gegnerischen Fraktion sorgen können, denn die Kartenhand des Beschützers ist ja verdeckt.

 

Dann gibt es noch das Ritual-Einmachglas. Das wird von Runde zu Runde stärker, wenn man es regelmäßig verwendet. Zuerst nimmt man sich ein Ritual-Plättchen. Und danach darf man pro Ritual-Plättchen im persönlichen Besitz eine beliebige Basisaktion ausführen. Wählst Du das Ritual-Einmachglas zum ersten Mal, also insgesamt zwei Aktionen. Wählt man dieses Einmachglas in jeder Runde, so hat man in Runde 4 bereits sechs Aktionen zur Verfügung, über die man volle Kontrolle hat, nicht wie beim Fähigkeiten-Einmachglas mit seinen Einschränkungen.

 

Das dritte ist das Legenden-Einmachglas. Hier sind zwei Symbole abgebildet, einmal die Hand und einmal die Schriftrolle. Die Schriftrolle triggert die Fähigkeit deiner Legende wie auf der Talentleiste unter dem Charakter-Tableau angegeben; ihre Stärke ist davon abhängig wie viele Schriftrollen bereits eingesammelt wurden. So kann der Beschützer auf der Standard-Seite der Leiste Pfad-Plättchen auf Hex-Felder des Spielplans legen, sodass diese von Einheiten ohne Vorrücken-Aktion betreten werden dürfen. Die Familie hingegen darf Stürme auf Hex-Feldern mit eigenen Einheiten platzieren und im Anschluss bestimmte Einheiten ein Feld näher an den platzierten Sturm heranziehen. Die Hand dagegen triggert die einzigarte Kraft deiner Legende, wie sie auf dem Charakter-Tableau beschrieben ist. Dabei hat jede Legende bzw. jedes Charakter-Tableau eine andere Fähigkeit. Mit dem Legenden-Einmachglas wird also beides, die Fähigkeiten auf der Talentleiste und die Kraft auf dem Charakter-Tableau ausgelöst.

 

Zuletzt gibt es das Angriff-Einmachglas. Jetzt geht’s zur Sache! Neben dem eigentlichen Angriff darf man mit diesem Einmachglas auch eine Basisaktion seiner Wahl ausführen, entweder vor oder nach dem Angriff. So kann man z.B. vor dem Angriff einen Stärke-Würfel aufs Schlachtfeld bringen, um seine Siegchancen zu verbessern, oder optimistisch sein und planen nach dem Angriff auf das Hex-Feld vorzurücken, das zuvor von gegnerischen Einheiten besetzt war. Der Angriff selbst beinhaltet mehrere Schritte, ist aber in der Praxis sehr schnell abgehandelt.

Schritt 1: Es wird bestimmt, welche beiden Hex-Felder in den Kampf involviert sind. Der Angriff muss von einem Hex-Feld mit mindestens einer eigenen Einheit ausgehen und ein Ziel haben, das mindestens eine gegnerische Einheit hat. Die beiden Felder dürfen maximal zwei Felder voneinander entfernt sein, es sei denn der Angreifer steht auf einem Gebirgs-Feld, dann ist die Reichweite um 1 erhöht.

Schritt 2: Es wird geprüft, ob das Hex-Feld des Angreifers oder Verteidigers mehr Einheiten hat. Diese Fraktion erhält dann einen Stärke-Würfel gratis aufs Schlachtfeld.

Schritt 3: Alle Stärke-Würfel auf dem Schlachtfeld werden in den Baum geworfen. Aber nicht unbedingt alle kommen wieder unten heraus; oder vielleicht kommen sogar mehr heraus als man hineinwirft, weil festgesetzte Würfel aus einem vorherigen Kampf wieder befreit werden? Das ist das Glücksmoment des Kampfes. Am Ende wird geschaut wie viele Stärke-Würfel von den beiden Fraktionen auf dem Schlachtfeld liegen. Der Angreifer gewinnt, wenn er mehr oder gleichviele Stärke-Würfel auf dem Schlachtfeld hat. Aber damit sind die gegnerischen Einheiten noch nicht vernichtet.

Schritt 4: Um einen gegnerischen Spuk auf dem Zielfeld zu entfernen, muss der Angreifer zwei Stärke-Würfel vom Schlachtfeld opfern. Er geht damit aus dem Kampf, trotz Sieg, gewissermaßen geschwächt hervor. Der Verteidiger verliert Einheiten, aber der Angreifer Stärke-Würfel, sodass er angreifbar wird. Spuke im Dornenfeld können entfernt werden, indem nur ein Stärke-Würfel geopfert wird, sie sind leichter zu bekämpfen. Legenden des Zielfelds können erst anvisiert werden, wenn es keine Spuke mehr auf dem Zielfeld gibt, werden dann aber nicht vom Spielplan entfernt, sondern lediglich auf ein benachbartes Feld verdrängt. Der Angreifer wählt auf welches Feld. Zusätzlich darf der Angreifer dann einen gegnerischen Spuk irgendwo auf dem Spielplan entfernen. Für im Kampf entfernte Spuks gibt es entsprechend der Position des Löffels auf dem Wertungs-Tableau Siegpunkte.

Schritt 5: Nur wenn der Angreifer nach dem Töten des ersten Spuks immer noch mindestens genausviele Stärke-Würfel hat wie der Gegner, darf er entscheiden, ob er einen zweiten Spuk des Zielfelds (oder die Legende, falls es keine Spuks mehr gibt) angreift, indem er erneut Stärke-Würfel opfert. Das geht so lange weiter, bis der Angreifer weniger Stärke-Würfel auf dem Schlachtfeld hat als der Verteidiger oder das Zielfeld von gegnerischen Einheiten getilgt wurde, also leer ist.

Was passiert, wenn ein Angriff nicht erfolgreich ist, der Angreifer also nach dem Werfen der Stärke-Würfel in den Baum weniger Stärke-Würfel auf dem Schlachtfeld hat als der Verteidiger? Nichts weiter, außer Angreifer und Verteidiger sind beide mit mindestens einem Spuk in den Kampf verwickelt. Dann gibt es eine Spukschlägerei! Hier dürfen sowohl Angreifer als auch Verteidiger Stärke-Würfel opfern, um maximal einen gegnerischen Spuk zu vernichten. Beide Parteien bekommen dafür entsprechend Siegpunkte.

Das Besondere am Angriff-Einmachglas ist auch, dass seine Rückseite nicht leer ist. Man darf also in derselben Runde noch einmal angreifen; alle anderen Einmachgläser können nur einmal pro Runde verwendet werden. Nutzt man den Angriff ein zweites Mal, muss man statt des Angriff-Einmachglases eines der anderen noch nicht verwendeten Einmachgläser umdrehen.

 

Im Zusammenhang mit den Einmachgläsern sind noch die Bonusplättchen zu erwähnen. Entscheidet man sich für eines der Einmachgläser, darf man die Aktion auf dem Bonusplättchen derselben Position ebenfalls nutzen, entweder vor oder nach der Aktion des Einmachglases. Allerdings darf in jeder Runde jedes der vier Bonusplättchen maximal einmal verwendet werden. Da jeder Spieler pro Runde dreimal am Zug ist, geht man ab und zu zwangsläufig leer aus. Die Verfügbarkeit der Bonusplättchen kann also auch ausschlaggebend für die Entscheidung sein, welches Einmachglas man wann verwenden möchte. Bonusplättchen zeigen die drei Basisaktionen, aber auch andere Boni wie ein Ritualplättchen, das Bewegen der Legende oder das Zurücksetzen des Löffels auf dem Wertungs-Tableau, um so wieder leichter an Siegpunkte für das Töten von Spuken zu kommen.

 

Nach dem Ausführen der Aktionen gibt es eine Aufräum-Phase, bevor der nächste Spieler am Zug ist. Was es hier alles zu tun gibt, ist auch Fraktions-abhängig. In dieser Phase werden Fähigkeitsplättchen, die während des Zuges in irgendeiner Form erhalten oder verwendet wurden „verarbeitet“. Die Beschützer platzieren sie immer aufs Fraktionstableau, um die entsprechende Basisaktion in zukünftigen Zügen öfter ausführen zu können. Die Familie kann sich entscheiden, ob die Plättchen in den Beutel kommen, um den eigenen Aktionspool zu bereichern, oder aufs Fraktionstableau, um in Zukunft mehr Fähigkeitsplättchen aus dem Beutel ziehen zu können. Platzieren Familie oder Beschützer ein Plättchen auf einem Feld des Fraktionstableaus mit Karten-Symbol, dürfen sie jetzt auch eine neue Upgrade- bzw. Taktik-Karte ziehen. Schriftrollen kommen in jedem Fall immer auf die Legendenleiste und verbessern die Legenden-Fähigkeiten der Familie und Beschützer.

 

Zuletzt können sowohl Beschützer als auch Familie in der Aufräum-Phase ihr Primärziel verfolgen. Die Familie versucht einen Weg aus benachbarten Hex-Feldern von ihrem Heimatfeld bis zu einem Gebäude mit Stürmen zu bedecken. Gelingt dies, wird das Gebäude zerstört und die Familie erhält zwei Siegpunkte. Gebäude werden allerdings von dem Beschützer auf dem Spielplan positioniert, sodass die Familie es nicht leicht haben wird diese zu erreichen. Stürme werden automatisch in der Aufräum-Phase platziert, und zwar auf dem Feld, auf dem sich die Legende befindet. Bewegt man in jedem seiner Züge die Legende, so wird nach jedem Zug automatisch mindestens ein neuer Sturm generiert. Die Beschützer sind wesentlich agiler. Sie versuchen lediglich einen durchgängigen Weg aus Einheiten und Pfad-Plättchen zwischen ihrem Heimatfeld und einem Einwohner zu bilden. Sie haben es sogar noch einfacher, denn der Weg muss nicht mal durchgängig sein. Während der Aufräum-Phase können Einwohner entlang einer Route von Hex-Feldern mit eigenen Einheiten oder Pfad-Plättchen bewegt werden, auch wenn die Route nicht direkt zum Heimatfeld führt. So kann das Ziel schrittweise erreicht werden. Ist ein Einwohner am Heimatfeld angekommen, gibt es zwei Siegpunkte. Aber auch hier gilt: die gegnerische Fraktion wird es den Beschützern nicht einfach machen, denn sie platziert die Einwohner auf dem Spielplan.

 

Waren Beschützer und Familie dreimal am Zug, d.h. wurden jeweils drei Einmachgläser umgedreht und drei Aufräum-Phasen abgehandelt, geht es weiter mit Phase 3 der Runde, in der unter anderem die Siegbedingungen überprüft werden. Wer wird es schaffen das Spiel makabrer Zwietracht zu gewinnen?

 

 

Bildergalerie von Harrow County: Ein Spiel Makabrer Zwietracht (15 Bilder)

Spielmaterial

 

Kapitel 1

  • 1 Schachtel mit Baum
  • 1 Schlachtfeld
  • 1 Trichter
  • 1 Wertungstableau
  • 1 doppelseitiger Spielplan
  • 2 Übersichtskarten
  • 1 Laternenplättchen
  • 15 Ritualplättchen
  • 20 Vorrücken-Plättchen (Tatze)
  • 15 Beschwören-Plättchen (Knochen)
  • 15 Verstärken-Plättchen (Zähne)
  • 10 Erfahrungs-Plättchen (Schriftrolle)

 

Für den Beschützer (rot):

  • 1 Fraktionstableau der Beschützer
  • 1 Talentleiste der Beschützer
  • 1 Charaktertableau der Beschützer: Emmy
  • 1x Emmy-Figur mit Standfuß
  • 15 Spuke
  • 3 Einwohner
  • 20 rote Stärkemarker
  • 4 Pfadplättchen
  • 4x Einmachgläser (Fähigkeiten, Angriff, Legenden, Ritual)

 

Für die Familie (blau):

  • 1 Fraktionstableau der Familie
  • 1 Talentleiste der Familie
  • 1 Charaktertableau der Familie: Levi
  • 1x Levi-Figur mit Standfuß
  • 15 Spuke
  • 3 Gebäude
  • 15 blaue Stärkemarker
  • 15 Sturmplättchen
  • 4x Einmachgläser (Fähigkeiten, Angriff, Legenden, Ritual)
  • 1 blauer Stoffbeutel

 

Kapitel 2

  • 16 Taktikkarten der Beschützer
  • 9 Verbesserungskarten der Familie
  • 9 verbesserte Fähigkeitsplättchen der Familie
  • 5 Charaktertableaus der Familie und Figuren: Corbin, Odessa, Kaine, Willa, Mildred
  • 4 Charaktertableaus der Beschützer und Figuren: Bernice, Malachi, Priscilla, Hautloser Junge
  • 5 Plättchen der Beschützer: 2x Bernices Eisennagel, 1x Malachis Kampfeswut, 2x Priscillas Anstacheln

 

Kapitel 3

  • 9 Bonusplättchen
  • 1 Einwohner
  • 1 Gebäude

 

Kapitel 4: Spielmaterial für Kammi

  • 1 Fraktionstableau von Kammi
  • 1 Talentleiste von Kammi
  • 3 Goblin-Charaktertableaus von Kammi: Schläger, Schwindler, Beißer
  • 1x Kammi-Figur mit Standfuß
  • 15 Spuke
  • 3 Goblins
  • 15 violette Stärkemarker
  • 12 Goblinkarten
  • 1 Aktionstableau von Kammi
  • 1 Machtplättchen
  • 3 Puppenplättchen (2 Köder, 1 echte)
  • 4x Einmachgläser (Fähigkeiten, Angriff, Legenden, Ritual)

 

Kapitel 5: Spielmaterial für das Spiel zu dritt

  • 1 Fraktionstableau von Hester
  • 13 Hesterkarten
  • 1 Übersichtskarte
  • 1 Hesterfigur mit Standfuß
  • 12 Feuerplättchen
  • 8 Schlangen
  • 3 braune Wurzeln
  • 3 schwarze Wurzeln
  • 4x6 Stärkemarker (braun, gelb, türkis, grün)


Cover & Bilder © Cover: Corax Games/Off The Page Games / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

SpielspaßHarrow Countyliefert einfach ein Gesamtpaket ab, das Freude bereitet: sehr hübsches Spielmaterial, anspruchsvolle Mechaniken, ohne überkomplex zu sein, maximale Spielerinteraktion mit „take that“ Elementen, ohne dass es zu bestrafend daherkommt. Sich Taktiken zu überlegen und diese während einer Partie zu verfolgen und alle Steine aus dem Weg zu räumen, die der Gegner so werfen mag, das macht richtig Spaß, wenn’s denn am Ende klappt. Und wenn nicht, auch nicht schlimm. Spaß macht es trotzdem. Vernachlässigt man die Tatsache, dass Harrow County auch zu dritt gespielt werden kann, ist es ab sofort unser persönlicher Favorit im 2-Personen-Spiele Segment. Es hat uns den meisten Spaß gemacht hat. Uns beiden gleichermaßen – das alleine will schon was heißen. Und wir vergleichen hier mit knapp vierzig 2-Personen Spielen, die wir im Regal haben. Das bedeutet nicht, dass wir Harrow County immer allen anderen 2-Personen Spielen vorziehen würden. Welches Spiel auf den Tisch kommt, ist natürlich stimmungsabhängig. Harrow County kommt auf den Tisch, wenn wir zu zweit sind, Stimmung für ein kompetitives Spiel und Lust auf mehr als ein schnelles Kartenspiel haben. 

 

Balancing/Glücksfaktor: Wir haben die ersten vier Partien zu zweit abwechselnd Familie und Beschützer gespielt. Es hat immer der Beschützer gewonnen. Mal knapper, mal relativ deutlich. Familie und Beschützer haben sehr unterschiedliche Spielweisen und -Regeln. Deutet das darauf hin, dass beide nicht gut ausgeglichen sind? Wir sind uns nicht sicher. Wo wir uns sicher sind: die Beschützer kommen wesentlich schneller an die Bewohner als die Familie an die Gebäude. Damit nimmt die Familie eine defensivere Rolle ein, die vielleicht etwas schwieriger zu spielen ist; oder einfach nicht unserer Spielweise entspricht. Wir sind beide eher offensive Spielweisen gewohnt.

Glück spielt in Harrow County so gut wie keine Rolle; ok es gibt die Kartenstapel und die Auslage der Fähigkeitsplättchen zu Beginn des Spiels. Aber das ist alles wirklich nicht entscheidend. Das, was man daraus macht, sehr wohl! Harrow County ist sehr taktisch und bietet sehr viele Möglichkeiten. Dabei hat der Spieler immer eine grobe Idee welche Aktionen dem Gegner noch zur Verfügung stehen, z.B. auf Basis der noch verfügbaren Einmachgläser und Bonusplättchen auf dem Wertungstableau oder der bisher platzierten Plättchen auf dem Fraktionstableau – aber es gibt auch jede Menge Überraschungsmomente, z.B. durch die Handkarten, die dem Gegner völlig unbekannt sind und alles verändern können. Insgesamt ist es sehr schwer gewesen auch nur ansatzweise die Taktiken des Gegners vorherzusagen, weil es kurzfristig sehr viele verschiedene Ziele gibt: Angreifen, um die Bewegung des Gegners zu unterbrechen oder Siegpunkte zu erhalten, die Dornen besetzen, Plättchen einsammeln, oder doch schnell Richtung Primärziel vorpreschen? Vielleicht erstmal eine Verteidigungslinie aufbauen und Nachschub holen? Durch die vielen Möglichkeiten ist Harrow County ein Spiel, bei dem man versucht den Gegner zu studieren, um reagieren zu können. Oder eben nicht, wenn man den Gegner mit seiner eigenen Strategie überraschen möchte.

 

Komplexität/Regeln: Das Regelwerk ist zwar umfangreich, die Anleitung hat 40 Seiten mit verhältnismäßig kleinem Text, dennoch spielt sich Harrow County nicht sonderlich kompliziert und es stellt sich schnell ein angenehmer Spielfluss ein, ohne ständig in den Regeln nachschlagen zu müssen. Ein gewisser Anspruch kommt durch die Anpassung an die Aktionen des Gegners im Rahmen der eigenen strategischen Möglichkeiten, nicht durch die Regel zustande. Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal in unseren Augen. Umfangreiche Regel: ja, aber dennoch nicht zu kompliziert und meist intuitiv verständlich und leicht zu merken.

Wir waren erstaunt, als wir bemerkt haben, dass die Originalregel im Englischen komplett revisioniert wurde. Die neue Regel hat sogar 56 Seiten und steht kostenlos zum Download bereit. Die einzelnen Kapitel, welche die Spielregeln nach und nach einführen, wurden abgeschafft; es gibt nur noch ein „Training Game“ und ein „Full Game“. Grund war wohl, dass einige Spieler die Unterteilung in Kapitel missverstanden und nach dem ersten Kapitel aufgehört haben, weil das Spiel nicht zusagte. Das ist natürlich blöd, plump gesagt. Denn das erste Kapitel zeigt nicht mal im Ansatz das vollständige Spiel. Wir fanden die Regel in der ursprünglichen Version, d.h. so wie sie auch immer noch in der deutschen Ausgabe ausgeliefert wird, vollkommen in Ordnung. Auch das Kapitel-weise Erlernen der Regeln hat uns zugesagt. Man muss das halt wissen. Und bei Bedarf kann man ja gleich mit den vollständigen Regeln starten. Einziges Manko: das Regelwerk eignet sich nicht so gut als Nachschlagewerk, weil die Regeln relativ verstreut sind und man wissen muss in welchem Kapitel eine bestimmte Regel eingeführt wurde. Da ist die aktuelle englische Regel besser; sie kommt sogar mit einem sehr nützlichen und ausführlichen Anhang.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Wir haben Harrow County bisher nur zu zweit getestet. So haben wir weder Eindrücke vom Solomodus noch von der 3-Personen-Variante, die wir teilen könnten. Das 2-Personen Spiel allerdings haben wir ausgiebig getestet. Hier herrscht maximale Spielerinteraktion. Direkte Interaktion gibt es auf dem Spielplan zuhauf. Einmal das Wettrennen um die ausliegenden Plättchen, die so wichtig sind für die Verbesserung des eigenen Charakters. Dann die Tatsache, dass sich gegnerische Einheiten auf dem Spielplan blockieren, d.h. man kann sich einfach in den Weg des anderen stellen, und er darf das Feld nicht mehr betreten. Jedenfalls nicht, ohne die Einheit zuvor im Kampf zu besiegen (oder über andere Wege vom Zielfeld wegzubewegen). Stellungsspiel mündet damit über kurz oder lang in einen Kampf. An „take that“ Elementen mangelt es in Harrow County nicht, auch durch Kartenaktionen. Das Gute: selbst eine schmetternde Niederlage im Kampf ist nicht übermäßig bestrafend. Man kann nicht auf einmal alles verlieren. Und die Kampfstärke ist selbstregulierend: gewinnt man einen Kampf, muss man eigene Stärke-Würfel vom Schlachtfeld entfernen, um gegnerische Einheiten vom Spielplan zu tilgen. Dadurch hat der unterlegene Spieler in kommenden Kämpfen erstmal wieder einen Vorteil.

Neben dieser direkten Interaktion auf dem Spielplan, muss man den Gegner immer im Blick behalten und ihn studieren, versuchen seine Pläne zu durchschauen, denn nur so kann man sie auch vereiteln. Klar, man hat seine eigenen Ideen und Strategien, um als erster die 7 Siegpunkte zusammenzubekommen, aber ohne dem Gegner Steine in seinen Weg zu legen, wird das selten für den Sieg reichen. Man ist also fast so häufig mit dem Gegner beschäftigt wie mit sich selbst. Und auch bei den gegnerischen Spielerzügen immer involviert, stellt sich selbst stetig die Frage: was passiert hier und muss ich jetzt gegensteuern?

 

Spieldauer: Unsere Partien verliefen meist über 4-6 Runden und dauerten knapp 60-75 Minuten. Für ein Gebietskontroll-Spiel ist die Spieldauer damit eher kurz. Zu kurz? Nein, denn im Gegensatz zu anderen Gebietskontrollspielen war man direkt in der ersten Runde mittendrin. Es gibt keine „Aufbauphase“. Das Spiel ist direkt zu Beginn spannend und man kann richtig viel schaffen. Es wurde nie langweilig. Die Spieldauer ist genau richtig, auch wenn man bei einer Niederlage oft denkt: oh nein, eine weitere Runde und ich hätte das Blatt wenden können. Schade, aber dann war der Gegner eben besser. Ein weiterer Gedanke zur Spieldauer: zumindest in unseren Testpartien gab es weder Sackgassen oder nerviges Stellungsspiel. Das liegt vermutlich daran, dass es schwieriger ist den Gegner daran zu hindern Siegpunkte zu machen, als selbst Siegpunkte zu generieren, sodass das Spiel automatisch voranschreitet und die Spieldauer relativ konstant bleibt.

 

Wiederspielbarkeit: Harrow County bietet eine sehr hohe Spieltiefe, sodass wir nach 5 Partien noch immer verschiedene Strategien ausprobieren wollen und noch nicht das Gefühl haben das Spiel vollständig durchschaut zu haben. In einigen Strategiespielen denkt man sich schon nach 2-3 Partien: ich hab‘s verstanden, so geht’s, next please. Bei Harrow County ist das zumindest für uns nicht der Fall gewesen. Außerdem bieten schon die zwei ersten Fraktionen, Familie und Beschützer, jede Menge Abwechslung durch die verschiedenen Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten, die beiden Talent-Leisten und die Kartendecks, die man in einer Partie nie komplett sehen wird. Und wer sich mit den Fraktionen der Familie und Beschützer sattgespielt hat, für den bieten Kammi und auch Hester in 3-Personen-Partien nochmal komplett neue Spielmechaniken. Zudem gibt es auch noch eine separat erhältliche Erweiterung mit der Feenvolk Fraktion. Die Asymmetrie der Fraktionen in Harrow County sorgt auch nochmal dafür, dass man seine Strategien an die Mechaniken und Fähigkeiten einer jeden Fraktion anpassen muss. Wir sind überzeugt, dass es uns mit Harrow County lange nicht langweilig werden wird. Ein kleiner Wermutstropfen: Dadurch, dass man seine Strategien über mehrere Partien hinweg entwickelt und verfeinert, macht es Sinn immer mit demselben Partner zu spielen. Hat man mehrere Partien Harrow County hinter sich und lädt einen Neuling zu sich ein, hat dieser in der Erstpartie einen deutlichen Nachteil. Aber bei 2-Personen Spielen ist das glücklicherweise häufig kein großes Problem, meist wohnt man ja mit seinem Mitspieler in denselben Räumlichkeiten.


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