Hatching

Hatching

Originaltitel: Pahanhautoja
Genre: Horror • Drama • Coming-of-Age • Creature-Horror
Regie: Hanna Bergholm
Hauptdarsteller: Siiri Solalinna • Sophia Heikkilä
Laufzeit: DVD (84 Min) • BD (87 Min)
Label: Capelight Pictures
FSK 16

Hatching   17.10.2022 von MarS

Bislang beschränkte sich die finnische Regisseurin Hanna Bergholm auf Kurzfilme und TV-Serien. Nun präsentiert sie mit dem Horror-Drama Hatching ihr Langfilmdebüt, zu dem sie auch die zugrundeliegende Geschichte schrieb. Capelight veröffentlicht den ungewöhnlichen Genremix hierzulande auf DVD, Blu-ray, und im limitierten 2-Disc Mediabook...

 

Inhalt

 

Im Leben der 12-jährigen Tinja (Siiri Solalinna) dreht sich alles um Perfektion. Während ihre Mutter (Sophia Heikkilä) stets darauf bedacht ist, sich und ihre Familie nach außen hin ins beste Licht zu rücken, um damit Follower für ihren Video-Blog zu gewinnen, wird Tinjas Alltag von harten Trainingseinheiten bestimmt, die sie auf einen anstehenden Wettkampf im Turnen vorbereiten sollen. Für Tinjas Mutter kommt nur der Sieg in Frage, doch Tinja würde viel lieber mit ihrer neuen Nachbarin Reeta (Ida Määttänen) spielen, dem einzigen Mädchen in Tinjas Umfeld, das überhaupt Interesse an ihr zeigt. Als Tinja allerdings eines Nachts im Wald ein geheimnisvolles Ei findet, ahnt sie noch nicht, dass sich ihr Leben bald schlagartig ändern wird. Tinja beschließt, das verlassene Ei in ihrem Zimmer auszubrüten, und vernachlässigt dafür sogar ihren sonst so strengen Tagesplan. Doch was für eine mysteriöse Kreatur wächst wohl unter der unaufhörlich wachsenden Schale heran...?

 

Manche Filme überfordern sich selbst, indem sie viel zu viele Themengebiete und Genres zusammenführen wollen. Und dann gibt es Filme wie Hatching, die dieses Kunststück nicht nur meistern, sondern die daraus entstehende Komplexität und Vielschichtigkeit sogar zu ihren Gunsten zu nutzen wissen - und das, obwohl sich die skandinavische Produktion dafür gerade einmal knapp 90 Minuten Zeit lässt. Hatching profitiert zweifellos von seinen starken Kontrasten, von der Ambivalenz seiner Geschichte, ebenso wie der in mehrfachem Sinne gespaltenen Persönlichkeit seiner Hauptfigur - grandios dargeboten von Jungdarstellerin Siiri Solalinna. Auf der einen Seite steht hier die herrische, eigensinnige Mutter, die sich selbst über alles stellt, und eigene Verfehlungen und verpasste Chancen in ihrem Leben ohne jegliche Rücksicht oder Hemmungen auf ihre Familie überträgt, allen voran auf ihre Tochter. Diese wiederum will den Ansprüchen ihrer Mutter stets gerecht werden, und bleibt ihr selbst dann noch treu, als ihre die Verfehlungen und Probleme ihrer Mutter bereits bewusst sind. Der Vater wiederum ist mit der Situation innerhalb der Familie völlig überfordert, hält sich am liebsten aus allem raus, und lässt seine Frau gewähren. Selbst eine offene Affäre wird hier zu einer lapidaren Banalität, mit der man eben rechnen muss, wenn man eine starke Frau geheiratet hat. Für weitere innerfamiliäre Konflikte sorgt schließlich noch Tinjas Bruder, gegen dessen ekelhafte und verzogene Art selbst das Kind aus Der Babadook wie eine liebenswerte Persönlichkeit wirkt. Weitere Kontraste entwickeln sich aus der Arbeit der Mutter als Vloggerin, deren perfekte und heile Welt sich zunehmend als virtuelle Wahrheit offenbart, und deren Fassade in der Realität längst bröckelt. Kein Wunder eigentlich, dass sich diese Gesamtsituation auf eine unausweichliche Eskalation zubewegt, und damit den Weg für eine äußerst ungewöhnliche Coming-of-Age Geschichte für die Hauptfigur ebnet.

 

Diese ist schließlich geprägt, beziehungsweise besser gesagt begleitet, von Creature- und Body-Horror Elementen, die von Regisseurin Hanna Bergholm so geschickt in die Handlung integriert wurden, dass diese niemals in den Fokus gedrängt werden. Ein echtes Kunststück, denn die handgemachten Creature-Effekte sind einfach nur grandios, und verschaffen sogar der Kreatur eine ganz eigene Persönlichkeit, angesiedelt irgendwo zwischen Abscheu, Ekel, Furcht, aber auch Zuneigung und Empathie. Zudem gelingt es Hatching, äußerst gekonnt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers zu spielen, und stets eigene Interpretationsmöglichkeiten offenzuhalten - selbst dann noch, wenn die Erzählung endgültig klarstellt, mit was man es hier zu tun hat. Wobei klarstellen hier das falsche Wort ist, denn Hatching bleibt stets darauf bedacht, nicht alle Fragen zu beantworten, und verzichtet bewusst auf eine einzige, unumstößliche Linie. Ist die Kreatur nur ein Sinnbild für die Entwicklung Tinjas? Eine Metapher für die Abwehrhaltung beziehungsweise Gegenwehr gegenüber ihrer Mutter? Oder steckt doch mehr hinter dem seltsamen Wesen? Fragen, deren Beantwortung alles andere als einfach erscheint, und deren Beantwortung im Verlauf der Geschichte immer wieder aufs Neue in eine andere Richtung gelenkt wird. Was daraus resultiert, das ist ein beeindruckender Spannungsbogen, eine Erzählung, die gespickt ist mit zahlreichen Wendungen und inhaltlichen Facetten, am Ende aber vor allem ein gefühlvolles Drama um die Entwicklung eines jungen Mädchens, dem es bisher verwehrt geblieben ist, seinen eigenen Weg im Leben zu finden. 

 

Bildergalerie von Hatching (12 Bilder)

Details der Blu-ray

 

Die Blu-ray überzeugt allem Voran durch ein gestochen scharfes, glasklares und detailreiches Bild. Der kräftige Kontrast sorgt für leuchtende, prächtige Farben, die hervorragend mit dem beinahe sterilen Look harmonieren. Der Schwarzwert ist sehr gut eingestellt, und liefert satte dunkle Bildbereiche, ohne dabei Details zu verschlucken. Die Tonspur liegt in einer DTS-HD 5.1 Abmischung vor, und ist insgesamt ansprechend ausbalanciert. Zwar fehlt es hier und da ein wenig an Druck und Dynamik, im Großen und Ganzen wissen aber die Räumlichkeit und die atmosphärische, wenngleich auch oftmals nur dezente Einbindung der Surroundkanäle zu gefallen. Die Sprachausgabe ist unterdessen durchwegs klar und deutlich, während sich der hervorragende und stets perfekt unterstützende Score sehr angenehm ins Geschehen einfügt, ohne sich dominant in den Vordergrund zu drängen. Leider wurde sowohl bei der Blu-ray, wie auch bei der DVD-Variante, auf zusätzliches Bonusmaterial verzichtet. Hier wäre ein Making-Of, zumindest aber ein Featurette über die Entstehung der Kreatur, wirklich interessant gewesen.

 

Details des Mediabooks

 

Das limitierte 2-Disc Mediabook bietet im Gegensatz zu den übrigen Veröffentlichungen ein alternatives Covermotiv, das wesentlich simpler, aber sehr ansprechend ausgefallen ist. Während das Mediabook grundsätzlich matt und griffig gestaltet wurde, setzen Titelschriftzug und Creature-Motive auf Vorder- und Rückseite durch ein Hochglanz-Finish bewusste Akzente. Das Deckblatt mit den üblichen Details und Inhaltsangaben wurde wie gewohnt lose auf die Rückseite aufgelegt. Der Innendruck des Mediabooks beschränkt sich auf eine nuancierte Fortsetzung des Booklet-Motivs, welches auch auf der Blu-ray beziehungsweise der DVD weitergeführt wird. Das 24-seitige Booklet beschränkt sich auf ein ausführliches Interview mit Regisseurin Hanna Bergholm, ergänzt durch zahlreiche Szenenbilder.



Cover & Bilder © capelight pictures OHG / Produktfotos: www.sofahelden.de


Das Fazit von: MarS

MarS

 

Mit Hatching liefert die Finnin Hanna Bergholm ein beeindruckendes Langfilmdebüt ab, das geschickt seine genreübergreifenden Elemente zu einer ebenso spannenden, wie gefühlvollen Einheit zu verbinden weiß. Hier trifft Creature- und Body-Horror auf Arthouse, ein Coming-of-Age Drama auf Social-Media Kritik, ein Familiendrama auf einen Horrorthriller, eine ruhige Erzählung auf intensive, gezielt eingesetzte Gewalt- und Ekel-Spitzen - und das alles so gelungen, als wäre dies völlig normal. Unterdessen lässt Hatching eine Menge Spielraum für eigene Interpretationen, und verzichtet bewusst auf klare Strukturen, unumstößliche Aussagen, oder ein rundum abschließendes Finale. Ein großartiges Werk aus Skandinavien, das bleibenden Eindruck hinterlässt.


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