Persischstunden

Persischstunden

Originaltitel: Persian Lessons
Genre: Drama
Regie: Vadim Perelman
Hauptdarsteller: Nahuel Pérez Biscayart
Laufzeit: DVD (121 Min) • BD (127 Min)
Label: Alamode Film
FSK 12

Persischstunden   13.02.2021 von Dan DeMento

Lars Eidinger hat sich innerhalb der letzten 10 Jahre zu einer absoluten Institution des deutschen Schauspiels entwickelt, Regisseur Vadim Perelman bekam gleich für sein Debut Haus aus Sand und Nebel drei Oscarnominierungen und Nahuel Pérez Biscayart sorgte mit seinem Auftritt im französischen Drama 120 BPM international für Aufsehen. Wenn diese Drei jetzt im Holocaust-Drama Persischstunden aufeinandertreffen, sollte also eigentlich nichts mehr schiefgehen. Ob dem wirklich so ist, haben wir uns für euch angesehen.
 
Inhalt:
 
Im Jahr 1942 wird der junge Belgier Gilles (Nahuel Pérez Biscayart) während seiner Flucht in die Schweiz von der SS aufgegriffen und soll wenig später hingerichtet werden. Da er kurz zuvor mit einem Mitgefangenen ein persisches Buch gegen ein Brot getauscht hatte, behauptet er in seiner Verzweiflung, kein Jude, sondern Perser zu sein. Der Zufall rettet Gilles das Leben, denn der Hauptsturmführer Klaus Koch (Lars Eidinger) ist gerade auf der Suche nach einem Perser, der ihm Farsi beibringt. Gilles übernimmt diese Aufgabe, ohne ein einziges Wort der Sprache zu beherrschen. So muss er sich nicht nur eine komplette Sprache ausdenken, sondern sich auch den Hinterhalten von Rottenführer Max Beyer (Jonas Nay) widersetzen, der dem vermeintlichen Perser seine Geschichte nicht abnimmt.
 
Zuallererst: Persischstunden ist ein sehr harter Film. Und zwar ist er das nicht, weil die Gräuel des Holocaust hier in besonderer Drastik gezeigt würden, sondern eben weil genau das nicht passiert. Der Film, der die meiste Zeit in einem Konzentrationslager spielt, zeigt wie Gefangene gefoltert, getötet und wie Vieh behandelt werden, und das tut er so beiläufig, wie es in der Realität der Nazis eben war. Hier gibt es keinen erhobenen Zeigefinger, das Grauen entfaltet seine Wirkung dadurch, dass einem schnell klar wird, dass "Die Nazis" bei aller Grausamkeit Menschen waren. Menschen, die in der vollen Überzeugung, Juden, Ausländer oder Behinderte seien weniger wert als die von Gott erwählte Herrenrasse, unvorstellbare Dinge getan haben.
 
Hinter diesem Hintergrund gerät die im Vordergrund stehende Geschichte von Gilles und Offizier Koch, sowie die vielen kleinen Nebenhandlungen teilweise fast in den Hintergrund. Und das, obwohl sie von Anfang bis Ende spannend und glaubwürdig erzählt ist. Nahuel Pérez Biscayart und Lars Eidinger entwickeln gerade in den Szenen, in denen sie nur zu zweit agieren, eine Dynamik, die den Zuschauer förmlich in seinen Bann zieht. Von blankem Hass und Angst bis zu einer verqueren Freundschaft zu "seinem Perser" ist hier jede Emotion zu erleben. Doch auch wenn Eidinger und Biscayart natürlich die Hauptlast des Films auf ihren Schultern tragen, ist Persischstunden bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt und glaubwürdig geschrieben. Den stumpfsinnig Befehle brüllenden Nazi sucht man hier ebenso vergebens wie den tapferen Gefangenen, der selbstlose Taten vollbringt. Jeder Charakter ist - natürlich immer im Rahmen des Kontextes - nachvollziehbar und realistisch.
 
Doch nicht nur, wie Persischstunden inszeniert ist, ist faszinierend, auch die Arbeit dahinter muss gewürdigt werden. Nicht nur ist Hauptdarsteller Nahuel Pérez Biscayart nicht Belgier, sondern Argentinier - er musste sich für den Dreh nicht nur Deutsch beibringen, sondern auch eine komplett erfundene Sprache, und zwar in Vokabeln, Grammatik und Satzbau. Wie Lars Eidinger im Bonusmaterial verrät, konnte Biscayart nicht nur seinen Text, sondern war fähig, dieses Fake-Farsi fließend zu sprechen. In manchen Momenten weckt der Film Erinnerungen an Benignis Das Leben ist schön, kommt aber - trotz einiger bei aller Tragik spaßiger Momente - ohne dessen Komik aus. 
 
So bietet Persischstunden zwar eine recht lineare Geschichte und sogar ein recht gelungenes Happy End, gleichzeitig ist der Film darauf aber nicht angewiesen. Er würde auch ohne diesen Aspekt als Charakterstudie hervorragend funktionieren. Das beweisen die zahlreichen Nebenhandlungsstränge, die nur teilweise zuende erzählt werden, ohne deshalb unbefriedigend zu wirken.
 
Alles in Allem hat Vadim Perelman hier einen Film geschaffen, der nicht einfach nur der nächste Film über das dritte Reich ist, sondern eine weitere Facette hinzufügt. Persischstunden zeigt einen winzigen Hoffnungsschimmer in einer Welt aus Hass und Verzweiflung und dürfte sich innerhalb weniger Jahre zu einem Klassiker entwickeln.
 

Bildergalerie von Persischstunden (7 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Bild und Ton geben keinerlei Anlass zur Kritik, das Bild ist knackig und scharf, der Ton kommt kraftvoll aus den Boxen und die Dialoge sind sauber vom - großartigen - Score getrennt. Für die vereinzelten Szenen, die auf Französisch, Englisch oder Fake-Farsi erzählt sind, gibt es Untertitel. Das Bonusmaterial liefert entfallene Szenen, zwei Interviews und verschiedene Trailer.


Cover & Bilder © AlamodeFilm. Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Persischstunden hat definitiv das Zeug zum Klassiker. Eine spannende und trotzdem realistische Hauptstory, bis in die letzte Rolle überzeugende Darsteller, eine bedrückende und eindringliche Inszenierung und ein dezenter, aber extrem guter Soundtrack - Regisseur Vadim Perelman hat hier alles richtiggemacht, was man nur richtig machen kann. Dazu der unglaubliche Nahuel Pérez Biscayart und ein Lars Eidinger, der sich mit seiner ihm eigenen Exzentrik hier angenehm zurückhält. Dazu genug Pathos für Hollywood-Freunde und genug Realismus für Arthaus-Fans - Persischstunden ist beinahe jedem Publikum uneingeschränkt zu empfehlen!


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