Vollmundig kündigt sich Point Blank an. „Zehnmal besser als 96 Hours“ brüllt das Cover mit stolz geschwellter Brust dem Käufer entgegen. „Einer der besten Actionfilme des Jahrzehnts“ legt die Rückseite resolut nach. Dabei ist das zarte Jahrzehnt doch noch so jung. Überdies hat dieser Franzosen-Actioner, abgesehen von den gewagten Äußerungen, so gut wie keine marketingtechnische Bemutterung erhalten. Sollte hier eine wahre Action-Perle erneut den Weg ans Tageslicht gefunden haben? Können die Franzosen, abseits von harten Horrorschockern, zum Schreien peinlichen Komödien zum Davonlaufen, der Traumfabrik tatsächlich Paroli bieten?
Samuel, Krankenpfleger in Ausbildung und werdender Vater, erlebt eine Nachtschicht wie jede andere. Kollegen zocken PSP in Krankenhausbetten, Ärzte machen ihn blöd an, halbtote Gewaltopfer werden angeliefert. Der neuste Patient, der die französischen Tugenden des Wegrennens nicht beherrscht, zieht gleich noch einen als Quacksalber getarnten Killer mit an, der ihm den Stecker ziehen will. Samuel begeht daraufhin den Fehler, dem Unbekannten das bisschen Leben zu retten, welches er noch hat. Am nächsten Morgen, beim Frühstück mit seiner hochschwangeren Frau, bekommt er auch gleich
einen Dankesgruß in Form eines Schleudertraumas, einer Entführung von zwei Dritteln seiner Familie und eines Handys. Das Telefon scheint kein Werbegeschenk zu sein und das fordernde Klingeln nötigt Samuel eine Antwort ab.
Das andere Ende fordert von dem Halbkrankenpfleger, er solle doch den netten Herren, dem er gestern den Einzug ins himmlische Reich verwehrt hat, aus dem Krankenhaus hinausschaffen und ihn innerhalb von strammen drei Stunden in einer Lagerhalle abliefern, wenn er Frau und Kind in einem Stück wiedersehen will. Selbstverständlich gibt es einige Gruppierungen, die da etwas dagegen haben. Wie zum Beispiel die Polizei und ein paar Killerkommandos. Wie gut, dass hierfür ein halber Tag Urlaub reicht ...
Point Blank macht keine Gefangenen. Na gut, außer Frau und Kind vielleicht. Aber ansonsten weiß der Streifen unter der Führung von Fred Cavayé rasant vorwärts zu marschieren. Nach kurzer Einleitung geht auch schon das Gerenne los und das weiß zu gefallen. Die Story ist zwar nur bedingt innovativ oder anders, weiß aber den Zuschauer bei der Stange zu halten. Leider spielt Point Blank seine Karten viel zu früh aus. In einer einzigen Schlüsselszene werden alle offenen Fragen auf einmal geklärt und das schon ziemlich früh. Ab der Hälfte erwartet den Zuschauer keinerlei Überraschungen mehr, sondern nur noch das Ausbügeln von unschönen Situationen. Obwohl hier noch Platz für Plotttwists gewesen wäre, wurden keine eingefügt, was den faden Beigeschmack verschenkten Potenzials mit sich bringt.
Das ist aber nicht so schlimm, wie es sich vielleicht liest. Die Handlung ist hier sowieso nur dekorativ Beiwerk, um Spannung und Action in einen plausiblen Rahmen zu kleiden. Und die hält sich bis zum Schluss, obwohl man ja eigentlich schon weiß, was Sache ist. Das gute an der Sache ist, dass Samuel nicht zum Superhelden hochstilisiert wird. Er bleibt der Fast-Krankenpfleger, der zu unlauteren Dingen gezwungen wurde, um seine Familie zu beschützen. Und dabei mutiert er nicht zu einer schreienden Killermaschine, der halb Frankreich einebnet. Trotzdem muss der herzensgute Lebensretter auch mal austeilen, obwohl zumeist sein unbekannter Begleiter sich die Hände schmutzig macht.
Eingefangen wird das Ganze von einer sehr gelungenen Kameraführung, die die Härte der Kämpfe und Rasanz der Fluchten sehr gut vermittelt. An die selbst gewählte Referenz von 96 Hours kommt der Film aber nicht heran. Dazu fehlen die nötige Intensität und das Martial-Art Know-How der Akteure. Trotz dieser Übertreibung des Covers macht das Point Blank nicht schlecht, ist es doch nicht so leicht, am Stuhl eines der knackigsten Actioner der letzten Jahre zu sägen. Schauspielerisch wird hier durch die Bank anständige Arbeit abgeliefert. Gilles Lellouche, der den Samuel spielt, ist zwar kein zweiter Liam Neeson, aber jemand, der seinen Job versteht und hier immer diese Mischung aus bersorgt-zornigem Bald-Vater und hilflosem Zivilisten wahrt. Sein Begleiter gibt den professionell-kühlen Kriminellen auch sehr überzeugend. Verbleiben noch etwas flach gezeichnete Feindbilder, die aber aus dem, was sie haben auch noch einiges herausholen. Etwas mehr Tiefe und weniger stereotypische Darstellung der Nebencharaktere hätte dennoch gut getan.
Bildergalerie von Point Blank - Aus kurzer Distanz (12 Bilder)
Technisch bewegt sich
Point Blank auf sehr hohem Niveau. Die Blu-Ray von Koch Media überzeugt mit sehr scharfem Bild. Dabei bleibt es dennoch etwas körnig, was dem Film einen leicht dreckigen Touch verleiht und der Atmosphäre zuträglich ist. Der Sound weiß auch zu überzeugen, ebenso wie die Synchronisation. Das Budget für anständige Sprecher war also da. Ein üppiges Menü aus Extras an Wendecover runden dieses Paket ab.
Details zum Steelbook
Koch Media veröffentlichte ca. 10 Monate nach dem Release der normalen Blu-ray auch ein Steelbook des Films. Das Cover zeigt den Schriftzug des Films, einige Szenenfotos mit einem silber-blau Farbton und drei Zitate der Fachpresse. Im richtigen Licht spiegeln viele Flächen und lassen das Steelbook sehr edel wirken. Die Rückseite ziert zwei zusätzliche Zitate, eine Beschreibung des FIlms und noch mehr Szenenfotos, die hier allerdings in Farbe zu sehen sind. Innendrin ist die Blu-ray enthalten, ohne einen Hintergrunddruck oder einem Booklet. Die Extras und die Version des Films sind mit der normalen Blu-ray identisch, den Mehrwert bekommt der Fan durch das edle Steelbook selbst, was übrigens auf 4000 Stück limitiert ist.
Kommentare[X]