Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins

Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins

Originaltitel: Mr. Jones
Genre: Thriller • Drama
Regie: Agnieszka Holland
Hauptdarsteller: James Norton
Laufzeit: DVD (114 Min) • BD (118 Min)
Label: Koch Films GmbH
FSK 16

Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins   01.02.2021 von Dan DeMento

Die Beziehung zwischen Russland und der Ukraine ist bis heute nicht gerade freundschaftlich. Wohl nicht den Anfang, aber zumindest einen Höhepunkt nahm dieser Konflikt in den Jahren 1932 und 1933, als Stalin die Ukraine im Rahmen seines Fünfjahresplans in eine gigantische Hungersnot trieb. Weltweit bekannt wurde diese Tatsache durch die Berichterstattung des britischen Journalisten Gareth Jones, dessen Reise in die Sowjetunion jetzt in dem Film Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins erzählt wird.
 
Inhalt:
 
Ein Interview mit Adolf Hitler hat dem jungen britischen Journalisten Gareth Jones (James Norton) einige Anerkennung eingebracht. Für seine nächste große Story möchte er sich jetzt der Gegenseite widmen und Josef Stalin zu seinem Fünfjahresplan interviewen. Dank seiner Freundschaft zum ehemaligen Premierminister David Lloyd George (Kenneth Cranham) schafft er es tatsächlich, ein Visum für die Sowjetunion zu erhalten und reist nach Moskau. Dort angekommen muss er schnell feststellen, dass er nicht nur auf das Gespräch mit Stalin verzichten muss, sondern zudem Moskau nicht verlassen darf. So macht er sich auf eigene Faust auf den Weg in Ukraine, um den Gerüchten nachzugehen, dass dort eine Hungersnot herrscht. Dort angekommen wird er nicht nur Zeuge unglaublichen Leids, auch sein eigenes Leben ist in Gefahr...
 
Das Thema des Holodomor, also der Hungersnot in der Ukraine zu Zeiten der Industrialisierung der Sowjetunion, wurde zumindest außerhalb der Ukraine filmisch noch nicht wirklich aufgearbeitet. Umso spannender ist, dass sich ausgerechnet eine polnische Regisseurin, nämlich die durch Hitlerjunge Salomon oder Der geheime Garten bekannte gewordene Agnieszka Holland, des Themas annimmt. Mit dem unter der Hand als neuen James Bond gehandelten James Norton in der Hauptrolle sowie der aus der Serie The Crown bekannten Vanessa Kirby und Hollywood-Urgestein Peter Sarsgaard in Nebenrollen gelang der Polin auch eine Besetzung, die sich sehen lassen kann. 
 
Trotz Weltpremiere auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin und einer dortigen Nominierung wurde dem Film hierzulande nicht viel Aufmerksamkeit zuteil. Das dürfte wohl hauptsächlich daran liegen, dass das Thema Holodomor nicht (mehr) im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Und das, obwohl die Ukraine noch immer um dessen Anerkennung als Völkermord kämpft.
 
Doch auch abgesehen davon, ist Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins keine leichte Kost. Durch den deutschen Titel - im Original heißt der Film schlicht Mr. Jones - und die Aufmachung erwartet man einen Sowjet-Agenten-Thriller, stattdessen bekommt man ein sehr ruhiges, sehr langsames, gerade an den ukrainischen Schauplätzen aber auch extrem hartes Drama vorgesetzt. Auch die Laufzeit von fast zwei Stunden schreckt im ersten Moment vielleicht ab, sie gibt dem Film aber die Zeit, die er braucht, seine Geschichte zu erzählen und seinen Figuren den nötigen Raum zu geben.
 
Gareth Jones' Reise nach Moskau, sein illegaler Ausflug in die Ukraine und auch sein verzweifelter Versuch, seine Geschichte trotz der standhaften Gegenwehr seiner eher sowjetfreundlichen Kollegen öffentlich zu machen - All das erzählt Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins, ohne etwas zu verschweigen, ohne zu glorifizieren oder zu beschönigen. Dieser Vorteil ist aber gleichzeitig der Nachteil des Films, denn es fehlt eine wirkliche Identifikationsfigur. Natürlich folgen wir Mr. Jones durch die Geschichte, und natürlich ist er der Gute und natürlich ist Walter Duranty, dessen Pulitzer-gekrönter Kollege, der die Vorgänge in der Sowjetunion stets verharmloste, der Böse. Doch da die ganze Geschichte sehr realitätsnah erzählt ist, ist wenig Platz für hollywoodtypische Szenen, Verfolgungsjagden - wobei es eine solche sogar gibt, allerdings auf einem Fahrrad - oder epische Konfrontationen. Das ist zwar erzählerisch interessant, entspricht aber einfach nicht mehr den Sehgewohnheiten und lässt den Film in manchen Momenten recht langatmig erscheinen.
 
Es gibt eigentlich wenig zu kritisieren, die Optik ist authentisch, die Schauspieler überzeugen - auch wenn Peter Sarsgaard in seinen wenigen Szenen seine gesammelte Kollegenschaft an die Wand spielt - und die Inszenierung ist absolut solide. Trotzdem ist Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins kein Film, bei dem man sich vor Spannung in den Fernsehsessel krallt. Wer bereit ist, sich auf so etwas einzulassen, der bekommt einen wirklich guten Einblick in das Thema der ukrainischen Hungersnot und die Arbeit von Gareth Jones, wer aber einen knallharten Thriller erwartet, der wird sich vermutlich schnell langweilen.
 
Abschließend kann man sagen, dass dem Film ein wenig Straffung in der ein oder anderen Szene vielleicht gutgetan und ein etwas breiteres Publikum beschert hätte. Insgesamt ist Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins aber ein atmosphärisch dichtes und stimmungsvolles Drama, mit dem man bestimmt nichts falsch macht. 
 

Bildergalerie von Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins (5 Bilder)

Details der Blu-ray:

An Bild und Ton ist nichts auszusetzen, es gibt keinerlei Störungen und auch in dunklen Szenen kein störendes Rauschen. Auch die deutsche Sprachfassung ist hochwertig und gut abgemischt. Als Extras gibt es einige Trailer sowie eine Bildergalerie.


Cover & Bilder © Koch Films GmbH


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins erzählt keinen einfachen Stoff, und er tut es auf keine einfache Weise. Man muss sich auf diesen Film einlassen und ihm die Zeit geben, sich zu entwickeln. Gerade in der ersten Stunde fällt das teilweise wirklich nicht leicht. Wenn man aber dranbleibt, wird man mit einem Drama belohnt, das auch Tage später zum Nachdenken und Nachforschen einlädt. Einige interessante Chancen im Film wurden leider vertan, und so bleibt einiges Potenzial auf der Strecke. Red Secrets - Im Fadenkreuz Stalins ist beileibe kein Meisterwerk, aber trotzdem ein solides (Vor-)kriegsdrama und für das richtige Publikum auf jeden Fall einen Blick wert. Nur den auf dem Cover angepriesenen Polit-Thriller sollte man lieber nicht erwarten.


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