Swallow
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BEWERTUNG |
07.12.2020 von Dan DeMento
Habt ihr schon mal eine Murmel gegessen? Eine Münze? Einen Reißnagel? Wem sich schon bei dieser Vorstellung der Magen umdreht, der sollte um Swallow einen großen Bogen machen. Doch wer wissen möchte, warum der Film mit Haley Bennett in der Hauptrolle nicht Splatterfreunde, sondern ein komplett anderes Publikum ansprechen dürfte, kann es bei uns herausfinden...
Inhalt:
Die junge Hunter (Haley Bennett) hat vermeintlich alles, was man sich wünschen kann. Ihr attraktiver Ehemann Richie (Austin Stowell) wurde gerade befördert, die beiden leben in einem luxuriösen Haus in Alleinlage am Hudson River und vor Kurzem hat sie erfahren, dass sie schwanger ist. Doch Hunter ist alles andere als glücklich mit ihrer Lage. Ihrem Mann ist seine Arbeit deutlich wichtiger als seine Beziehung und auch die Fürsorge ihrer Schwiegereltern Katherine (Elizabeth Marvel) und Michael (David Rasche) gilt offensichtlich mehr dem ungeborenen Enkel als der werdenden Mutter. Scheinbar der Macht über ihr Leben und ihren Körper beraubt, entdeckt Hunter eine recht seltsame Methode, sich aus dem tristen Alltag zu flüchten: Sie beginnt, diverse kleine Gegenstände, von der Murmel bis zum Reißnagel, zu verschlucken. Als ihr Mann dies entdeckt, droht Hunter nicht nur eine Zwangseinweisung in die Psychiatrie, sondern sie muss sich auch mit einem Kapitel aus ihrer Vergangenheit auseinandersetzen, das sie bisher erfolgreich verheimlichen konnte...
Swallow hat - voraussichtlich - ein ziemliches Imageproblem. Der Inhalt des Films, das Cover - wenngleich zumindest die Farbgebung reichlich arthausig angehaucht ist - und auch die Tatsache, dass den Film übereinstimmend als Psychothriller vermarket wird, lassen den geneigten Zuschauer einen knüppelharten Thriller mit reichlich Blut und Schockmomenten erwarten. Auch wenn das der Handlung zugrundeliegende Pica-Syndrom, bei dem der Wunsch entsteht, ungenießbare Dinge zu essen, nicht allen ein Begriff sein dürfte, so kann sich wohl jeder in die Vorstellung hineinversetzen, einen Reißnagel verschlucken zu müssen.
Damit vergrault die Vorstellung des Films den weniger Gore-erprobten Zuschauer genauso, wie der Film an sich die Liebhaber ebensolcher Filme schwer enttäuschen dürfte. Denn wirklich drastische Darstellungen sucht man in Swallow vergeblich. Natürlich wird deutlich, dass alles was oben reinkommt, unten auch wieder raus muss und dass der Verzehr einer Mignon-Batterie nicht zu den besten Ideen gehört, die man haben kann. Das alles spielt sich aber sehr subtil im Hintergrund ab, der Film an sich ist extrem ruhig, mit sehr wenig Dialog und vielen statischen Einstellungen. Statt des versprochenen Psychothrillers hat man hier also ein recht klassisches Drama vor sich.
Ist man aber bereit, sich darauf einzulassen, hat man mit Swallow tatsächlich ein kleines Meisterwerk vor sich. Man merkt in jeder Sekunde deutlich wie sehr Regisseur und Drehbuchautor Carlo Mirabella-Davis sein Werk liebt. Jede einzelne Einstellung, jedes Wort und jeder Gegenstand im Bild ist genau durchdacht und - trotz aller Härte - wunderschön anzusehen. Das gibt den Schauspielern sichtlich die Gelegenheit, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Hauptdarstellerin Haley Bennett, Horrorfreunden vielleicht noch durch ihre Titelrolle in Holly Harley - Die Tochter des Satans oder dem breiteren Publikum durch Girl on the Train bekannt, spielt mehr als überzeugend und gibt jeder teilweise noch so absurden Situation durch ihre glaubhafte Interpretation den nötigen Ernst. Zudem liefert sie eine der bisher echtesten Panikattacken ab, die es bisher im Kino zu sehen gab. Während die angeheiratete Familie, bestehend aus Austin Stowell (Fantasy Island), Elizabeth Marvel (House of Cards) und Sledge Hammer! David Rasche teilweise ein wenig farblos daherkommen, ist die größte Überraschung der aus American Horror Story bekannte Denis O'Hare, über dessen Auftritt ohne massiven Spoiler leider nicht viel verraten werden kann. O'Hare legt nicht nur selbst eine unfassbare darstellerische Leistung hin, sondern scheint auch eine Art Aura des Talents auszustrahlen, die bewirkt, dass auch alle Schauspieler in seiner Gegenwart plötzlich fünfmal so gut spielen wie bisher.
Neben den großartigen Darstellern und dem absolut gelungenen Soundtrack machen vor allem die Detailfreude der Bilder, die unerwartete Umsetzung der Geschichte und eines der seltsamsten Happy Ends der Filmgeschichte Swallow zu einem absoluten Geheimtipp. Eine mehr als deutliche Empfehlung für jeden Freund der Filmkunst jenseits des Mainstreams.
Details der Blu-ray:
Das Bild bewegt sich fast permanent in pastelligen Tönen, die nicht zufällig an die 50er Jahre erinnern, ist in diesem Rahmen aber klar und natürlich. Der Ton ist sehr gut gemischt, trotz oder gerade wegen seiner Ruhe wird hier jedem Detail sein Raum gegeben. Hier lohnt es sich wieder einmal sehr, zur Originalfassung zu greifen, da der deutschen Synchronfassung handwerklich zwar überhaupt nichts vorzuwerfen ist, sie die Emotionen und sprachlichen Feinheiten aber nicht ganz transportieren kann. An Bonusmaterial gibt es neben Trailern und einer Bildergalerie auch ein Interview mit dem Regisseur.
Cover & Bilder © Koch Films GmbH Das Fazit von: Dan DeMento |
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