7 Minuten nach Mitternacht
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BEWERTUNG |
28.10.2017 von LorD Avenger
Kein Wunder, dass der junge Conor Albträume hat - seine Mutter ist schwer krank, sein Vater in Amerika, mit seiner Großmutter verträgt er sich überhaupt nicht und in der Schule wird er täglich verprügelt. Als er eines Nachts wieder pünktlich um 7 Minuten nach Mitternacht erwacht, verwandelt sich der Baum auf dem Hügel hinter seinem Haus zu einem riesigen Monster, das ihm drei Geschichten erzählen möchte...
Ahnungslos und ganz spontan wurde ich damals zu diesem Film ins Kino eingeladen, weil ich ja "auf Fantasy-Filme stehe". Im Radio hieß es bereits, dass er nur in ausgewählten Kinos laufen würde und in unserem ohnehin schon kleinen lokalen Kino wurden wir dann noch in den mickrigsten Saal von allen geschickt. Sicher nicht die besten Voraussetzungen für einen Film, der mit Namen wie Liam Neeson und Sigourney Weaver wirbt. Aber Fantasy-Filme, die nicht gerade Harry Potter oder Herr der Ringe sind haben es ja selten leicht.
Trotz der jungen Hauptfigur Conor, gespielt vom noch unbekannten Lewis MacDougall, handelt es sich hier weniger um einen Film, der sich an Kinder richtet, sondern eher an Eltern. Gefühlt verbirgt sich hinter den düsteren Bildern des bewölkten Englands die unterschwellige Botschaft, dass Kinder weit mehr von den Ereignissen um sie herum wahrnehmen, als den meisten Erwachsenen bewusst ist. Überhaupt strotzt der Film nur so von Botschaften und ähnelt damit nicht nur in Sachen Atmosphäre einem meiner absoluten Lieblingsstreifen Pan's Labyrinth. Tatsächlich ist die Geschichte sehr ähnlich - ein Kind in einer dramatischen, grausamen Ausgangslage, bei dem das Alice im Wunderland-Phänomen einsetzt - es zieht sich in eine Fantasiewelt zurück, die ihm bei der Verarbeitung der traumatischen Ereignisse im realen Leben hilft. Ähnlich wie auch bei den beiden in diesem Abschnitt genannten Filmen steht der Zuschauer aber auch bei 7 Minuten nach Mitternacht vor der persönlichen Entscheidung: War es nun wirklich nur Fantasie? Es gibt einige dezente Hinweise im Film verteilt, die eine andere Möglichkeit anbieten - gerade wenn man weiß, dass das Monster von Liam Neeson gesprochen wird.
Dessen übliche, ebenso wirkungsstarke Synchronstimme wurde erfreulicherweise auch in der deutschen Fassung genutzt und auch die anderen Figuren werden hervorragend gesprochen. Überhaupt ist der Streifen mit einem geschätzten Budget von 43 Millionen Dollar technisch rundum gelungen, wenn auch nicht zwingend so bildgewaltig wie Genre-Kollegen. Das Baum-Monster schält sich schon sehr beeindruckend aus seiner starren Form und die sich ausbreitenden, verschlingenden Wurzeln in einigen Szenen sind ebenfalls so überzeugend, dass man sie beinahe ins Horror-Genre einordnen könnte, nur die sehr menschlichen Augen und seine humanoide Körperform empfand ich als etwas befremdlich - aber auch hier halten Drehbuch und Regie Erklärungen bereit, wenn man aufmerksam zusieht, mitdenkt und etwas Eigeninterpretation leistet. Dann wundert man sich im Nachhinein lediglich noch über die altmodische Aufmachung der Hauseinrichtungen und die Kleidung der Charaktere, die zwar in der modernen Zeit spielen sollten, aber eher wirken, als wären sie einige Jahrzehnte in der Vergangenheit angesetzt. Sieht es so in den ländlichen Teilen Großbritannien aus? Die Armen.
Hervorzuheben ist noch die sehr eigene Darstellungsform der Baumgeschichten. Zwei seiner drei märchenhaften Geschichten werden in einem Stil animiert, den ich bisher nur aus Indie-Videospielen kannte. Sehr malerisch und abstrakt wirken sie schon als starker Kontrast zu den sonstigen Filmszenen, erklären sich am Ende aber ebenfalls mit einem langgezogenen Aha-Effekt.
Das Bonusmaterial der Heimkinoveröffentlichung von STUDIOCANAL ist reich an Quantität, lässt beim Inhalt dann aber ein wenig die Qualität vermissen. In zahlreichen einzeln anzuwählenden Extras-Kapiteln bekommen wir sehr kurz zusammengefasst Einblicke in die Arbeit Hinter den Kulissen und Interviews mit Darstellern und Regisseur. Gerade die Interviews sind ein wenig enttäuschend, weil sie das typische Bonusmaterial darstellen - im Kapitel über die einzelnen Darsteller kommt jeder seiner Kollegen für ein paar Sekunden zu Wort mit den üblichen leeren Floskeln, wie "Er ist sehr talentiert... Es hat viel Spaß gemacht mit ihm zu spielen... bla bla" - selbes gilt für die Statements über den Regisseur "Er ist sehr talentiert... Er versteht sein Handwerk... Er ist so gut wie Spielberg...". Wirklich interessant fand ich nur den Part über das Monster und den Umstand, dass weit weniger im Film computeranimierte Spezialeffekte sind als man denken würde. Auch die Arbeit an den gezeichneten Animationszwischensequenzen, die im Film während den Geschichten des Monsters auftauchen, wird im Schnelldurchlauf in all ihren Ebenen dargestellt. Cover & Bilder © [2015] A Monster Calls A.I.E. Das Fazit von: LorD Avenger
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