Chained

Chained

Originaltitel: Chained
Genre: Horror-Thriller
Regie: Jennifer Chambers Lynch
Hauptdarsteller: Eamon Farren • Vincent D\\\\\\\'Onofrio
Laufzeit: Ca. 94 Minuten
Label: Capelight Pictures
FSK 18

Chained   21.05.2013 von Beef Supreme

Nehmt Euch mal ein bisschen Zeit und denkt ein wenig zurück, was habt Ihr die letzten zehn Jahre so getrieben? Habt Ihr mit eurem neuen, geilen Polyphonhandy ein Jamba-Sparabo abgeschlossen? Wart Ihr im neuen Streifen von Johnny Depp, Fluch der Karibik? Oder habt Ihr Eure altgediente Glotze durch einen dieser ominösen Flachbildfernseher ersetzt? Ihr werdet es wohl nicht alles zusammenbekommen. Und jetzt stellt Euch vor, Ihr hättet nichts davon erlebt. Alles was Ihr kennt, ist ein einziger Raum, in dem Ihr angekettet seid. Und alles was Ihr tut, ist vegetieren und das Blut ermordeter Frauen aufwischen. Kein Jack Sparrow, kein iPhone, keine HD-Glotze, nur der metallische Geruch von geronnenem Blut in der Nase und den Dreck frisch ausgehobener Gräber unter den Fingernägeln. Genau das lässt Jennifer Lynch einen kleinen Jungen erfahren ...


Wie lässt sich ein schöner Nachmittag besser verbringen, als zu zweit mit seinem kleinen Sohn einen ordentlichen Zombiestreifen zu glotzen? Genau das tut Sarah mit ihrem neunjährigen Sohn. Nach dem Film nehmen sich die zwei auf Drängen von Papa ein Taxi, da Busfahren so gefährlich ist, und machen sich auf den Weg nach Hause. Was die beiden noch nicht ahnen, ist, dass sie dort nie ankommen werden. Der Taxifahrer verschleppt die beiden in ein abgelegenes Haus, das noch nicht einmal Gott kennt und zerrt die schreiende Sarah ins Haus. Der Kleine versteht die Welt nicht mehr, hat Angst und muss die Schreie seiner Mutter ertragen. Doch auf einmal brechen diese Schreie ab und der Taxifahrer namens Bob kommt wieder zum Auto. Blutverschmiert. Doch anstatt den Kleinen auch zu töten kettet er ihn an und besiegelt somit sein Schicksal. Fortan heißt der kleine Rabbit und seine Aufgabe wird es sein, geschändete und ermordete Frauen zu vergraben und ihr Blut weg zu wischen. Keine Freunde, keine Familie, keine Hilfe, keine Sonne. Angekettet bis in alle Ewigkeit.


Die Zeit verrinnt, und Rabbit wird älter. Jahre voller Gräber und Leichen haben ihn abstumpfen lassen. Doch Bob ist nicht der Unmensch, der er anfangs zu sein scheint. Er nimmt sich Rabbit an und versucht, ihm Dinge über Anatomie beizubringen, wenn er nicht gerade Frauen schändet und tötet. Bob nimmt nach und nach die Vaterrolle ein und das geht so weit, dass er Rabbit sogar eines Tages die Kette abnimmt. Alles scheint auf eine verquere Weise gut zu sein. Bis zu dem Tag, an dem Bob beschließt, das Rabbit alt genug ist, selbst jagen zu gehen.


Harter Tobak, den Frau Lynch hier aus dem Folterkeller zaubert. Hier werden die tiefsten menschlichen Abgründe aufgerissen, und als ob das nicht reichen würde, steht die Regisseurin auch noch helfend mit der Schaufel in der Hand zur Seite. Chained liefert alles, was man als normal denkender Mensch mit tiefster Verachtung straft. Vergewaltigung, Mord, Sklaverei, und auch eine Prise Inzest und Verrat dürfen hier selbstverständlich nicht fehlen. Allein der Einstieg ist ein ordentlich derber Schwinger richtung Magengrube. Die Inszenierung des Todes der Mutter von Rabbit weiß wirklich zu verletzen. Die zwischen den Schreien gewisperten Worte der Mutter, die versucht, ihren Sohn zu beruhigen, als sie ins Haus geschleppt wird. Das endgültige Verstummen und die Klarheit, die auch Rabbit irgendwann dämmert, dass Mama wohl nicht mehr rauskommen wird, hauen richtig rein. Dennoch ist die Anfangssequenz recht kurz geraten, denn direkt danach befleißigt sich Frau Lynch eines Zeitsprungs und Rabbit ist im besten Teenageralter. Da wirkt es schon befremdlich, dass er in all der Zeit nicht irgendwie versucht hat, zu fliehen. Oder zumindest werden diese Fluchtversuche, abgesehen vom ersten im Kindesalter, dem Zuschauer vorenthalten. Dennoch ist die Entwicklung Rabbits nachvollziehbar. Nach Jahren voller Blut, Missbrauch und Tod bricht wohl jeder Geist irgendwann. Gerade wenn er noch so jung ist. Und genau das macht den Film so hart, obwohl es kaum visuelle Gewalt zu sehen gibt. Das meiste spielt sich in den Köpfen der Zuschauer ab.


Trotz der abartigen Freizeitbeschäftigung Bobs, schafft man es doch nicht immer, ihn zu hassen. Obwohl er Rabbit angekettet lässt, ist er nicht schlecht zu ihm. Ja, er tötet Frauen, ja er hat Spaß daran und nein, es gibt keinen plausiblen Grund dafür, und trotzdem versucht er, Rabbit einigermaßen anständig zu behandeln, ja fast schon zu erziehen. Natürlich immer unter dem Aspekt, dass alle Frauen den Tod verdient haben, dass er im Recht ist und dass Mord absolut in Ordnung geht. Interessant ist hierbei Bobs Hilf- und Ahnungslosigkeit, ist er doch eigentlich der eiskalte Killer.


Bezeichnend sind Szenen wie das Führerscheinquartett, das die beiden spielen, wenn Bob langweilig ist. Eine Box voller Führerscheine getöteter Frauen, hält als Spiel her, wenn er gerade nichts zum Töten da hat. Über weite Strecken weiß man auch nicht, wie Rabbit zu dem Ganzen eigentlich steht. Seine absolute Lethargie lässt nur durchblicken, dass er sich mit seinem Schicksal abgefunden hat.


Ein weiterer Höhepunkt sind die Flashbacks von Bob, die einen kleinen Einblick in seine kaputte Psyche erlauben. Auch hier grandios inszeniert und absolut publikumswirksam. Man kann festhalten, dass Chained ein richtig unangenehmer Film ist, aber im positiven Sinne. Nur gegen Ende hin geht Chained ein wenig die Luft aus. Macht der Film über sehr weite Strecken vieles richtig, wirkt das Ende hingegen irgendwie lustlos runtergekurbelt, irgendwie überhastet und unvollständig. Der finale Plot-Twist zum Beispiel erklärt zwar einiges, wirkt aber trotzdem aufgesetzt. Aber abgesehen davon ist Chained ein extrem atmosphärischer und beklemmender Film, der mal so richtig keinen Spaß macht. Das liegt wohl daran, dass hier alle Elemente so treffend ineinandergreifen. Ein ordentliches Drehbuch wird sehr gut inszeniert, glaubwürdig gespielt und stimmig mit passend beklemmendem Score untermalt.

 

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Auch technisch muss man sich keine Gedanken machen. Ein sauberes, absichtlich farbreduziertes Bild gesellt sich zu einem minimalistischen aber klaren Sound. Gerade die Schreie und Geräusche aus dem Off kommen gut zur Geltung, wenn Rabbit einmal mehr unter dem Tisch kauert und wartet, bis Bob sein blutiges Werk verrichtet hat.



Cover & Bilder © capelight pictures OHG


Das Fazit von: Beef Supreme

Beef Supreme

Hui, nicht schlecht Madame Lynch. Sie wissen, wie man die Zuschauerschaft dazu bringt, sich schlecht zu fühlen. Selten war der innere, stumme Schrei nach Gerechtigkeit in mir lauter, als nach der Ermordung von Rabbits Mutter. Aber auch von dieser einen exzellenten Szene abgesehen, liefert  Chained eine sehr gute Performance ab und weiß auch zu vermitteln, dass nicht alles nur schwarz oder weiß ist. Obwohl Bob zum Abschaum des Planeten gehört, konnte ich ihn nicht mit der Inbrunst verachten, wie ich eigentlich gewollt hätte, was daran liegt, dass man ihn nicht nur auf das mordende Monster reduzieren kann. Und genau das macht Chained erst so richtig gut. Diese Ambivalenz zwischen niederträchtigem Mörder und bemühtem Vaterersatz. Schade nur, dass das Ende so abrupt und irgendwie lieblos abgehandelt wird. Es rückt zwar den gesamten Film in ein neues, keinesfalls schlechteres Licht, kam mir aber überhastet vor. Abgesehen davon ist Chained richtig gut geworden. Eine Empfehlung an all jene, die mal wieder Bock auf schlechte Laune haben.


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