Das blutrote Kleid

Das blutrote Kleid

Originaltitel: In Fabric
Genre: Horror • Arthouse
Regie: Peter Strickland
Hauptdarsteller: Marianne Jean-Baptiste • Jaygann Ayeh
Laufzeit: DVD (113 Min) • BD (118 Min)
Label: Koch Films GmbH
FSK 16

Das blutrote Kleid   03.07.2021 von MarS

Die Filme des britischen Filmemachers Peter Strickland waren bisher alle sehr kreativ, doch wenig zugänglich für ein Massenpublikum. Dieser Verzicht auf gängige Sehgewohnheiten setzt sich nun mit seinem vierten Langfilm Das blutrote Kleid weiter fort...

 

Inhalt

 

Die Bankangestellte Sheila (Marianne Jean-Baptiste) hat einfach kein Glück. Sie wurde von ihrem Mann verlassen, wird auf der Arbeit mit seltsamen Vorwürfen konfrontiert, und lebt mit ihrem Sohn Vince (Jaygann Ayeh) von der Hand in den Mund. Auch ihre Dates entpuppen sich immer wieder als waschechte Katastrophe. Das soll sich mit einem neuen Kleid ändern, das Sheila in einem Luxuskaufhaus im Ausverkauf entdeckt, denn Kleider machen ja bekanntlich Leute. Tatsächlich sorgt das Kleid zunächst für ein neues Lebensgefühl, und Sheila lernt sogar einen Freund kennen. Doch dann scheint das Kleid plötzlich ein Eigenleben zu entwickeln...

 

Bis hierhin klingt Das blutrote Kleid noch wie ein simpler Horrorstreifen über ein verfluchtes Objekt, ganz wie man es bereits mehrfach gesehen hat. Allerdings gibt es da ja noch Drehbuchautor und Regisseur Peter Strickland, der aus dieser banalen Geschichte ein kunstvoll inszeniertes, völlig surreales und zugegeben am Ende auch wenig eingängliches Gesamtkunstwerk arrangiert. Bereits die visuelle Gestaltung in Verbindung mit dem treibenden, teils bizarren Score wecken direkt Erinnerungen an die alten Giallos und sorgen dafür, dass Das blutrote Kleid völlig aus der Zeit gerissen zu sein scheint. Strickland legt aber auch hier eine ganz eigene Richtung fest, denn im Gegensatz zu den klassischen Werken des Giallo setzt die Inszenierung weniger auf plakative Gewaltexzesse oder gar ausgiebige Splatterszenen, sondern lässt fast das gesamte Grauen mit nur wenigen Ausnahmen komplett im Kopf des Betrachters ablaufen. Atmosphäre ist hier das große Stichwort, und Atmosphäre hat Das blutrote Kleid reichlich - nur eben eine, die alles andere als eingängig oder leicht zu verdauen ist, sondern ihren fesselnden Kern aus dem Surrealen des Geschehens bezieht. Nur sehr selten kommen explizite Momente zum Einsatz, alle anderen brutalen Szenen werden geschickt durch ungewöhnliche Kameraeinstellungen oder auch visuelle Stilmittel verzerrt. Noch absurder erscheint das Ganze immer dann, wenn Strickland das Geschehen sogar mit regelrecht humorvollen Augenblicken anreichert, die einfach so falsch wirken, dass sie schon wieder perfekt zum Stil der Inszenierung passen.

 

Doch der Abkehr vom Mainstreamkino damit noch nicht genug, bietet Das blutrote Kleid auch noch zwei gänzlich eigenständige Erzählstränge, die lediglich durch das titelgebende Kleidungsstück sowie einen finalen Schlussmoment miteinander verbunden sind. Strickland lässt hier nach etwa einer Stunde den kompletten bisherigen Spannungsaufbau und die gesamte Atmosphäre in einem einzigen Moment verschwinden, nur um das im Prinzip gänzlich gleiche Spiel noch ein weiteres Mal von Grund auf neu zu beginnen. Ein mutiger Schritt, jedoch kommt im Verlauf des zweiten Handlungsbogens durchaus immer wieder die Frage auf, ob dies dem Film wirklich zuträglich ist - wirklich Neues bietet die zweite Filmhälfte nämlich kaum noch, sondern wandelt das Bisherige nur in anderer Form ein wenig ab. Vielleicht wird aber genau das auch dringend benötigt, denn ausführliche Erklärungen für das Geschehen liefert Das blutrote Kleid keine. Stattdessen wird der Zuschauer von Reizen, Stilmitteln und visuellen Spielereien regelrecht überflutet, eine Auflösung zu dem bizarren Spiel muss man aber dennoch selbst finden. Und das ist gar nicht so einfach, denn eigentlich wird man von Stricklands Inszenierung völlig überfordert. Das blutrote Kleid ist in einem Moment sinnlich erotisch, im nächsten widerwärtig und pervers, manchmal sanft, manchmal gewalttätig, auf der einen Seite ästhetisch und wunderschön, auf der anderen Seite hässlich und surreal, mal von traumhaften Klängen begleitet, mal mit aggressiven Soundfetzen auf den Zuschauer einhämmernd. Eines ist der Film aber keineswegs: Leichte Kost für Zwischendurch. 

 

Bildergalerie von Das blutrote Kleid (5 Bilder)

Details der DVD

 

Entgegen des zugrundeliegenden Giallo-Stils der Inszenierung erweist sich das Bild der DVD als unerwartet sauber und scharf. Farben neigen durch einen nicht sonderlich gut ausbalancierten Kontrast teilweise dazu zu übersteuern, ansonsten ist die Bilddarstellung aber sehr ansprechend. Die in Dolby Digital 5.1 vorliegende Tonspur ist im Bereich von Soundeffekten und Score sehr kraftvoll, wogegen die Dialoge im Vergleich etwas leiser ausfallen. Dies dürfte aber als Stilmittel absichtlich so gewählt sein, da ohnehin ein deutlicher Fokus auf der akustischen Untermalung liegt. 



Cover & Bilder © Koch Films GmbH


Das Fazit von: MarS

MarS

Mit seinem verstörenden, surrealen Werk dürfte Peter Strickland wohl ein weiteres Mal nur ein sehr kleines und sehr spezielles Publikum ansprechen, während sich alle anderen mit Sicherheit sehr schwer damit tun, sich auf Das blutrote Kleid überhaupt einzulassen. Wem dies gelingt, den erwartet ein bizarres, visuell und akustisch hervorragend arrangiertes kleines Kunstwerk, das eine Menge eigene Interpretationen einfordert. Eigentlich ein großartiger Film, dessen kraftvolle Sogwirkung sich aber wahrscheinlich nur den Wenigsten tatsächlich offenbaren wird - Zugegeben hatte auch ich massive Probleme mit Das blutrote Kleid und musste das bizarre Erlebnis erst einmal eine Zeitlang verarbeiten.


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