Heredity: Die Geschichte von Swan

Heredity: Die Geschichte von Swan

Genre: Kampagne • Storytelling • Erkundung • Choose-Your-Own-Adve ...
Autor: Jerome Cance, Laurent Kobel
Illustrator: Florian de Gesincourt, Aurelien Delauzun, Tania Sanchez ...
Spieleverlag: Daruca, Pegasus Spiele
Empfohlenes Alter: ab 14 Jahre
Spieldauer: 120 bis 180 Minuten

Heredity: Die Geschichte von Swan   27.05.2025 von 2-PL4Y3R5

Willkommen in einer postapokalyptischen Welt. Die Apokalypse? Kein Virus, keine Zombies, kein Asteroideneinschlag und auch kein ewiger Winter. Es ist der Ausfall sämtlicher Technologie. Kein Transport, keine Kommunikation, keine funktionierende Währung. Warum? Das erfahrt ihr erst am Ende von Heredity. In Heredity übernehmt ihr die Kontrolle über vier Charaktere, einer Familie, die abseits vom Rest der Menschheit lebt, um den Problemen der neuen Gesellschaft aus dem Weg zu gehen. Doch in Kapitel 1 holt euch die Realität ein. Ihr werdet angegriffen. Über fünf Kapitel entfaltet sich die Geschichte, in der ihr erkundet, interagiert, kämpft und mehr über die Spielwelt erfahrt. Macht euch bereit tief einzutauchen, es geht los.

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Heredity besteht hauptsächlich aus viereckigen, durchnummerierten Karten, die den gesamten Spielverlauf steuern. So gibt es zum Beispiel Geländekarten, auf denen man seine Charaktere bewegt, Gegenstandskarten, die ausgerüstet werden können und besondere Fähigkeiten verleihen und Zeitleistenkarten, welche den zeitlichen Ablauf von Ereignissen steuern. Hinzu kommen Papp-Aufsteller mit Plastik-Füßchen, einige Pappmarker und Aktionsscheiben aus Holz in den vier Spielerfarben. Das Spielmaterial lässt sich in keiner Weise als besonders hochwertig oder umfangreich bezeichnen. Das ist nicht die Kategorie, in der Heredity glänzt. Aber das Material ist vollkommen ausreichend, um in die Geschichte einzutauchen und für ein immersives Spielerlebnis zu sorgen. Man hätte Heredity mit Miniaturen aufblähen können und so sicher UVP sowie Platzbedarf im Regal mehr als verdoppelt. Wir sind froh, dass hier „nur“ die Papp-Aufsteller zum Einsatz kommen.

 

Schauen wir uns den Spielaufbau an. Hier gibt es kaum etwas zu tun, weil sich der Spielbereich während der Kampagne und einzelner Kapitel erst entwickelt, indem immer mehr Karten ausgelegt werden. Zu Spielbeginn werden die vier Familienmitglieder auf die Mitspieler aufgeteilt. Zu jedem Familienmitglied gehören drei Aktionsscheiben, ein Pappaufsteller und drei Familienmitgliederkarten, die nebeneinandergelegt das Artwork des entsprechenden Familienmitglieds zeigen. Auf den Karten sind Felder abgebildet, auf die im Spielverlauf die Aktionsscheiben platziert werden können, um Aktionen auszuführen. Im Bereich des Kopfes ein Auge und eine Sprechblase; im Bereich des Oberkörpers zwei Hände; und im Bereich der Beine drei Füße. Am rechten und linken äußeren Rand der drei Familienmitgliederkarten sind jeweils ein Halbkreis abgebildet; hier können die passenden Gegenstandskarten ausgerüstet werden. Dementsprechend sollte rechts und links der Familienmitgliederkarten Platz gelassen werden.

 

Jeder Spieler erhält auch zwei Übersichtskarten mit einer Aktions- und Symbolübersicht. Dann werden auch alle Pappmarker in einem Vorrat bereitgelegt. Am wichtigsten sind hier: Marker mit den Aktionssymbolen Auge, Sprechblase und Hand, die im Spielverlauf auf Geländekarten platziert werden, um verfügbare Aktionen zu markieren; Schadensmarker, welche Aktionsfelder auf Familienkarten blockieren, wenn diese Schaden nehmen; Material-Marker, welche die einzige „Währung“ in Heredity darstellen; und Standardmarker, welche in vielerlei Hinsicht im Spielverlauf als Zähler fungieren.

 

Zuletzt werden ein paar Kartenstapel vorbereitet. Die Zusammensetzung der Kartenstapel unterscheidet sich von Kapitel zu Kapitel. Ganz zentral wären da die Stapel mit den Kapitelkarten. Jeder Kapitelkarten-Stapel beginnt mit einer Deck-Karte, welche die entsprechende Kapitelnummer zeigt, von 1 bis 5. Jeder Kapitelkarten-Stapel enthält alle Karten, die im jeweiligen Kapitel vorkommen; nicht alle davon werdet ihr zu Gesicht bekommen und die Reihenfolge der Entdeckungen wird von den eigenen Entscheidungen abhängig sein. Verändert auf keinen Fall die Reihenfolge der Karten im Deck, da alle Karten durchnummeriert sind und im Spielverlauf immer auf die entsprechende Nummer verwiesen wird, wenn eine bestimmte Karte benötigt wird.

 

Dann gibt es noch Geheimniskarten- und Karmakarten-Stapel; diese werden in allen Kapiteln benötigt, verändern aber ihre Zusammensetzung während der Kampagne. Karmakarten modifizieren Kampfstärken bei Angriffen, während Geheimniskarten, nun ja, bestimmte Entwicklungen im Spielverlauf ermöglichen.

 

Zuletzt wird die Familienkarte ausgelegt. Sie bildet die erste Karte der Zeitleiste in jedem Kapitel. Auf der Familienkarte wird der Zeitmarker platziert. Im Spielverlauf wandert der Zeitmarker von links nach rechts entlang aller Karten in der Zeitleiste, die dann entsprechend abgehandelt werden. Liegt der Zeitmarker auf der Familienkarte, zeigt dies an, dass die Familienmitglieder ihre Aktionen ausführen dürfen.

 

Nun kann es losgehen, indem die oberste Karte des Kapitelkarten-Stapels abgehandelt wird, wodurch der Kapitel-spezifische Aufbau vollzogen und die Hintergrundgeschichte erläutert wird.

 

Das Spielziel

 

In Heredity hat jedes Kapitel eine bestimmte Sieg-Bedingung, um es erfolgreich zu beenden. Manchmal ist das Ziel zu Beginn klar definiert. Manchmal weniger. In jedem Fall müssen sich die Charaktere durch die Spielwelt manövrieren und haben hier sehr viele Freiheiten: wohin gehe ich? Mit welchen Objekten oder Wesen interagiere ich, um Informationen zu sammeln? Bleibe ich friedlich, kämpfe oder flüchte ich? In manchen Spielabschnitten gibt es Zeitdruck, sodass man nicht unbegrenzt Aktionen hat; verstreicht zu viel Zeit, kann man an einem Kapitel scheitern. Man scheitert auch, wenn ein Familienmitglied stirbt, weil es sich mit zu vielen Leuten gleichzeitig angelegt hat oder einfach nur etwas unglücklich war und neben einem explodierenden Gastank stand. Lasst euch überraschen. Die Geschichte nimmt euch an die Hand und führt euch durch die Spielwelt; und hoffentlich auch ans Ziel, bevor Zeit oder Lebenspunkte auf null fallen.

 

Der Spielablauf

 

Der Spielverlauf in Heredity wird ausschließlich über Karten gesteuert. Eine Partie Heredity beginnt immer mit dem Abhandeln der ersten Karte aus dem jeweiligen Kapitelkarten-Stapel. Hier werden Geländekarten aufgedeckt und die Aufsteller der Familienmitglieder auf die markierten Positionen der ersten Geländekarten platziert. Außerdem wird etwas Hintergrundgeschichte erzählt und mal mehr, mal weniger das Spielziel erläutert. Erzählkarten kommen im Spielverlauf häufig vor, um den Spielern Hintergrundinformationen zu geben und die Szenen besser darzustellen, was häufig benötigt wird, um das Ziel zu erreichen oder bestimmte Rätsel zu lösen.

Weil der Zeitmarker in jedem Kapitel zu Beginn auf der Familienkarte liegt, sind nun die Familienmitglieder am Zug und dürfen jeweils, in beliebiger Reihenfolge drei Aktionen ausführen, indem sie ihre Aktionsscheiben auf die entsprechenden Felder der Familienmitglieder-Karten platzieren. Die Aktionsscheiben bekommen die Familienmitglieder immer zu Beginn ihres nächsten Zuges zurück.

 

Welche Aktionsmöglichkeiten gibt es? Zu Spielbeginn mag die Fülle an Aktionsmöglichkeiten, die auch auf der Aktionsübersicht aufgelistet ist, überfordern. Auf der anderen Seite kann man diese getrost ignorieren. Denn die tatsächlich verfügbaren Handlungsmöglichkeiten sind relativ begrenzt und sehr gut auf der Geländekarte sichtbar, auf der sich der Charakter gerade befindet. Man schaut sich also erstmal das ausliegende Gelände an. Fuß-Symbole und verschiedenfarbige Linien zeigen an, wie man sich bewegen kann. Platziert man eine Aktionsscheibe auf einen Fuß, so darf man sich über weiße oder grüne Linien bewegen. Dabei stellen grüne Linien Türen dar. Schwarze Linien sind unpassierbare Wände. Am Rand von Geländekarten können Zahlen neben Fuß-Symbolen abgebildet sein. Sie zeigen an, welche Kartennummer aus dem Kapitelkarten-Stapel aufgedeckt und an die jeweilige Geländekarte angelegt werden kann, um dort weiterzulaufen. Das kann man jederzeit tun, wenn man im entsprechenden Rand-Bereich der Geländekarte steht. So erkundet man das Gelände, das mit der Zeit immer größer wird. Achtung: betritt man ein neues Gelände kann dies direkt ein „Ereignis“ auslösen, was durch ein Blitzsymbol oder ein rotes Ausrufungszeichen gekennzeichnet ist.

 

Neben der Fortbewegung bieten Geländekarten auch andere mögliche Interaktionen. So zeigen Hand-, Auge-, und Sprechblasen-Symbole an, dass im jeweiligen Bereich eine Hand-, Auge- oder Sprechblasen-Aktion ausgeführt werden kann, indem auf das entsprechende Feld der Familienmitgliederkarten eine Aktionsscheibe platziert wird. Neben dem Symbol steht immer eine Zahl, die wieder auf eine Karte im Kapitelkarten-Stapel hinweist. Nach Ausführen der Aktion wird also die entsprechende Karte herausgesucht und abgehandelt. Die Art der Aktion gibt lediglich einen Hinweis darauf was folgen könnte: gibt es was zu tun? Etwas zu sehen? Oder mit jemandem zu interagieren?

Auf Gelände kann auch Material liegen, die Marker mit Zahnrad-Symbol, welche mit einer Hand-Aktion eingesammelt werden können. Am besten so viel wie möglich mitnehmen, denn mit Material kann man gefundene Gegenstände verbessern!

 

Ihr seid aber nicht die einzigen, die sich auf dem Gelände bewegen. So gibt es viele verschiedene Begegnungen, die durch Begegnungskarten und dann auch über Pappaufsteller ins Spiel kommen. Begegnungen können befreundet, neutral oder feindlich sein. Sind Begegnungen befreundet oder feindlich, kommen die entsprechenden Karten in die Zeitleiste und haben dann ihren eigenen Zug, wenn der Zeitmarker von der Familienkarte weiter rückt. Was diese Begegnungen dann tun, ist auf den Karten beschrieben. Begegnungskarten neutraler Begegnungen bleiben neben den Geländekarten liegen. So gibt es Händler, bei denen man Gegenstände kaufen kann; oder andere Charaktere, mit denen man interagieren oder kommunizieren kann. Man kann neutrale Begegnungen jederzeit auch angreifen und diese so zum Feind machen; dann wandert die Begegnungskarte in die Zeitleiste. Kleiner Tipp: manchmal muss man das, um weiterzukommen; jedenfalls glauben wir das, da wir nicht immer auf friedliche Lösungswege gekommen sind.


Feindliche Begegnungen greifen an, wenn sie am Zug sind. Kämpfe laufen sehr simpel ab und sind auch schnell abgehandelt, ganz unabhängig davon, ob eine feindliche Begegnung ein Familienmitglied angreift oder ein Familienmitglied eine Begegnung. In Heredity gibt es Nah- und Fernkampf. Reichweite und Schadenswert ist immer direkt auf den Karten angegeben, entweder auf der Karte der Begegnung oder auf der Gegenstands- oder Erzähl-Karte, die vom jeweiligen Familienmitglied für den Angriff verwendet wird. Wird ein Angriff ausgeführt, so zieht man eine Karmakarte, die den Schadenswert modifiziert, d.h. verbessert oder verschlechtert. Dann wird ggf. noch der Rüstungswert abgezogen. Die Differenz ist der Schaden, den der angegriffene einstecken muss. Wird eine Begegnung besiegt, wird die entsprechende Karte aus der Zeitleiste und der Pappaufsteller von der Geländekarte entfernt. Nimmt ein Familienmitglied Schaden, müssen entsprechend viele Schadensmarker auf Aktionsfelder (oder spezielle Felder von ausgerüsteten Gegenständen) platziert werden. Diese sind dann blockiert. Wenn man Schaden nimmt und keine Aktionsfelder mehr frei sind, darf man auch eine der drei Familienmitglieder-Karten umdrehen, was eine schwere Verletzung anzeigt und die Gesamtanzahl an Aktionsfeldern für das laufende Kapitel permanent reduziert. Sind alle drei Familienmitglieder-Karten umgedreht, liegt man im Sterben. Das gilt es zu vermeiden.

 

Mit einer Hand-Aktion kann man Gegenstände reparieren oder sich heilen; in beiden Fällen entfernt man einen entsprechenden Schadensmarker von einem Feld eines Gegenstands oder einer Familienmitgliederkarte. Man sollte also schauen, dass man eine Hand freilässt, um sich selbst heilen zu können; ansonsten können dies nur andere Familienmitglieder im selben Bereich des Geländes.

 

Ein wichtiges Konzept ist das gemeinsam angreifen, ohne dass man in vielen Kämpfen gar keine Chance hat. So kann ein Familienmitglied mit einem Messer im Nahkampf angreifen, indem eine Aktionsscheibe auf das Messer platziert wird, während ein anderes von einem benachbarten Bereich mit einer Schrotflinte schießt, in dem es gleichzeitig eine Aktionsscheibe auf das Aktionsfeld der Schrotflinte platziert. Der Schadenswert wird dann addiert und nur eine Karmakarte gezogen, um den Gesamtwert zu modifizieren. Warum ist das wichtig? Weil viele Gegner einen hohen Rüstungswert haben, der niedrige Schadenswerte vollständig blockt.

 

Zum Thema Gegenstände: im Spielverlauf werdet ihr Gegenstände kaufen können; ihr könnt sie stehlen; ihr findet sie beim Erkunden; Gegenstände gibt es überall. Und sie sind sehr wichtig, weil es in Heredity keine Charakterentwicklung gibt. Ihr werdet nur dann stärker, wenn ihr entsprechende Gegenstände ausrüstet. Gegenstände vermitteln passive Fähigkeiten, neue Aktionsmöglichkeiten oder verbessern Schaden oder Rüstung. Gegenstände können aufgehoben, fallen gelassen und getauscht werden. Bis auf das Fallenlassen, werden auch hierfür Hand-Aktionen benötigt. Und wie erwähnt können Gegenstände auch verbessert werden, was Material kostet.

 

Das sind fast alle Grundregeln im Schnelldurchlauf. Um eine Idee vom Spielverlauf zu bekommen, ist folgendes ganz zentral: eine Partie Heredity entfaltet sich durch die Karten quasi „automatisch“. Hier gilt es insbesondere auf einige wichtige Symbole zu achten, um nicht irrtümlicherweise in einer Sackgasse zu landen. Das wichtigste Symbol zeigt, wenn eine neue Karte ins Spiel gebracht werden soll. Ein anderes Symbol zeigt, wenn eine Karte aus dem Spiel entfernt werden muss; Und ein drittes Symbol gibt an, wann eine Karte umgedreht werden muss, um Geheimnisse auf der Rückseite zu enthüllen. Habt ihr das Kapitel erfolgreich abgeschlossen wird euch eine Erzählkarte darauf hinweisen. Dann könnt ihr eure Kampagne „speichern“ oder direkt mit dem nächsten Kapitel weitermachen.

 

 

Bildergalerie von Heredity: Die Geschichte von Swan (15 Bilder)

Spielmaterial

 

  • 351 Karten
  • 214 Figuren und Marker aus Pappe
  • 18 Standfüße
  • 14 Marker aus Holz
  • 1 Anleitung


Cover & Bilder © Cover: Pegasus Spiele GmbH / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Heredity erinnerte mich an die gute alte Zeit der Runden-basierten RPGs, die Ende der 1990er, Anfang der 2000er Jahre auf dem PC erschienen. Es kam etwas Baldur‘s Gate Feeling auf. Natürlich ist das Setting ein anderes: Statt einer mittelalterlichen Fantasy-Welt spielt Heredity in einer post-apokalyptischen Welt, nach dem Untergang der Zivilisation durch einen weltweiten Zusammenbruch der digitalen Infrastruktur. Während ich persönlich mit Post-Apokalypse weniger anfangen kann als mit Fantasy, war die Geschichte dennoch fesselnd und richtig gut inszeniert, auch weil man sich im Spielverlauf immer mehr mit den Charakteren und der Spielwelt identifiziert.

Es gibt viele Interaktionen und Entscheidungen, die man treffen muss, welche dann den weiteren Spielverlauf beeinflussen. Wer ist freundlich, wer feindlich gesinnt? Das entscheidest Du. Und ja, man kann jeden „NPC“ töten, auch kleine Mädchen, die unschuldig ihres Weges gehen. Man hat alle Freiheiten. Aber alle Entscheidungen haben Konsequenzen. In diesem Sinne ist Heredity mit „Choose Your own Adventure“ Spielen vergleichbar. Ein kleines i-Tüpfelchen: Während des Abenteuers gibt es auch ein paar Rätsel zu lösen, die fast an Exit Spiele erinnern.

Das Karten-basierte System, welches das gesamte Spielgeschehen verwaltet, funktioniert super. Ständig müssen neue Karten ausgelegt, ersetzt oder umgedreht werden: Geländekarten, auf dem sich Gegner, NPCs und die eigenen Charaktere bewegen; Begegnungskarten, welche Interaktionsmöglichkeiten mit NPCs zeigen; Karten der Zeitleiste, welche bestimmen wann welche Aktivitäten stattfinden; Gegenstandskarten, welche die Charaktere ausrüsten und verwenden können; und weitere Kartenstapel und -Auslagen. Alles wird durch Karten gesteuert. Auch die Narrative im Spielverlauf.

Uns hat die Spielerfahrung sehr gefallen, wir haben uns richtig tief in die Geschichte hineinversetzt und alles mit Herz und Seele miterlebt. Wir wollten immer die „richtigen“ Entscheidungen treffen, so immersiv ist Heredity, so fesselnd die Geschichte. Wir waren auch bei jedem Hinweis „Nimm Karte XXX“ darauf gespannt, was als nächstes kommt oder welcher Loot / welche neuen nützlichen Gegenstände auf uns warten. Vor dem Kauf von Heredity sollte man sich aber klarmachen: Heredity lebt von der Narrative, dem Storytelling und der Erkundung sowie der Interaktion mit der Spielwelt. Wer also Freude an frühen RPGs auf dem PC hatte, der wird auch seine Freude an Heredity haben, und sicher auch etwas Nostalgie verspüren.

Gibt es etwas Negatives zu sagen? Ja, und diese Aspekte sorgen auch für Punktabzug. Zum einen gibt es einen Fehldruck einer Karte in Kapitel 2 und gleich mehrere in Kapitel 5, die ein Voranschreiten der Partie verhindern. Sollte man hier nicht selbst auf den Gedanken kommen, dass etwas nicht stimmen kann, wird dies das Spiel komplett zunichtemachen. Tipp: vor der ersten Partie also auf jeden Fall aktuelle Errata online nachschlagen. Ein anderer Aspekt ist der Zeitdruck und die Niederlage-Bedingungen. Unsere Partien hatten eigentlich immer einen sehr knappen Ausgang. So sind wir auch in zwei Kapiteln knapp gescheitert. Einmal hatte nur eine Aktion eines einzelnen Charakters gefehlt; dann hätten wir das Kapitel erfolgreich beendet. Wir haben an diesen Stellen bewusst geschummelt, weil für uns die Geschichte im Vordergrund stand. Denn bei einer Niederlage muss man das Kapitel nochmal von vorne starten; es gibt keine alternative Story, wenn man an einem Kapitel scheitert. Und nochmal drei Stunden dasselbe Kapitel spielen, obwohl wir den Lösungsweg jetzt kennen, darauf hatten wir keine Lust.

 

Balancing/Glücksfaktor: Heredity ist ein kooperatives Spiel, in dem alle Charaktere dieselben Fähigkeiten haben. Es gibt also keine Asymmetrie. Allerdings können die gefundenen Gegenstände frei zwischen den Charakteren verteilt werden, d.h. diese definieren dann die besonderen Fähigkeiten der Charaktere. Ein Charakter mit Waffe wird also kämpfen, ein Charakter mit… nun, wir wollen hier nicht großartig spoilern. Im Kern können aber alle Charaktere dieselben Aktionen gleichermaßen gut.

Wie sieht es mit dem Thema Glück aus? Glück spielt, mit einer kleinen Ausnahme, keine Rolle in Heredity. Lediglich im Kampf wird von einem gemischten Kartenstapel – dem Karmakarten-Stapel –gezogen, und so der Schaden modifiziert; allerdings sind die Modifikatoren relativ gering. Der Basisschaden ist bekannt und auf Erfolg eines Angriffs wird auch nicht gewürfelt. Ein Angriff trifft immer, nur der Schaden könnte um ein bis zwei Schadenspunkte größer oder niedriger ausfallen als der Basisschaden angibt. Bis auf diesen Aspekt kommt Heredity ohne Glück aus. Was allerdings in Heredity eine Rolle spielt, ist die Unvorhersehbarkeit der Spielwelt. In Heredity ist klar definiert, was der Spieler tun muss, um erfolgreich zu sein. Als Spieler muss man diesen Weg aber erstmal finden. Oft gibt es auch mehrere Wege, die zum Ziel führen und man kann Zeit verlieren, wenn man unwissentlich beide Wege verfolgt und ein Weg gereicht hätte. Denn, um alles zu erkunden, reicht manchmal die Zeit nicht; In manchen Kapiteln gibt es Timer in der Zeitleiste, nach deren Ablauf man automatisch verliert. Man sollte also schlau vorgehen und sich Gedanken machen. Eventuell kann man es auch als Glück bezeichnen, wenn man die richtigen Schlüsse gezogen und Aktionen ausgeführt hat. Oder als Pech, wenn man den falschen Weg einschlägt oder einfach nicht auf die Lösung kommt. Achtung kleiner Spoiler: In Kapitel 2 strebten wir eine friedliche Lösung an. Wir haben alle Winkel durchsucht und Aktionen ausgeführt, bis wir einfach nicht mehr weiterkamen. Dann haben wir eben doch die Türsteher angegriffen, um ans Ziel zu kommen; Die Zeitleiste war dann aber bereits so weit vorangeschritten, dass wir nicht mehr rechtzeitig flüchten konnten.

 

Komplexität/Regeln: Das Pegasus-Label klassifiziert Heredity als Expertenspiel. Häufig schrecken „Experten“ Label unnötig ab. Lasst euch nicht abschrecken, denn Heredity ist unserer Meinung nach nicht mehr als ein einfaches Kennerspiel. Das Regelwerk hält sich in Grenzen. Die 24 Seiten sind schnell durchgearbeitet, insbesondere weil die Regeln zum Spielablauf auch nur 18 Seiten ausmachen und mindestens die Hälfte davon Abbildungen und Beispiele darstellen.

Die Regeln selbst sind nicht sehr umfangreich, eigentlich spielt sich das Spiel fast von selbst. Denn das Spiel wird vorangetrieben durch ein Kartendeck, das sich selbst verwaltet. Auf Karten steht, wenn man eine neue Karte nehmen und abhandeln muss, wann eine Karte das Spiel verlässt oder umgedreht werden muss, um so ein Geheimnis auf der Rückseite zu enthüllen. Auf Karten wird die Geschichte erzählt und gesagt was zu tun ist. Dementsprechend nimmt der Kartenstapel die Spielenden an die Hand und führt sie durch das Spiel. Ein paar Symbole sind dabei besonders wichtig; hierfür gibt es eine Symbol-Referenzkarte. Übersieht man ein kleines Symbol, kann dies allerdings ein Voranschreiten in der Partie komplett blockieren, z.B. wenn man übersieht, dass man eine bestimmte Karte umdrehen muss, oder eine neue Karte ins Spiel kommt; also sollte man hier gut aufpassen. Einziger kleiner Kritikpunkt: Man weiß zu Beginn eines Kapitels nicht wie viel Platz man für die vielen Kartenauslangen benötigt und es kann leicht etwas unübersichtlich auf dem Tisch werden. Eine gute Ordnung hilft alles im Griff zu behalten, weniger gute Ordnung verkompliziert den Überblick über das Spielgeschehen dann aber.

Neben dieser „Selbstverwaltung“ gibt es nur wenige Regeln, die man verinnerlichen muss und in vier Themenkomplexe gegliedert werden können. Zum einen das Karten-Management: wo kommen welche Karten hin und wann werden welche Kartentexte gelesen / ausgeführt? Dann das Aktionsmanagement: wie bewege ich mich auf dem Gelände und führe andere Aktionen aus? Und zuletzt muss verinnerlicht werden, wie die Zeitleiste und die Kämpfe abgehandelt werden.

Es gibt zwar kein Tutorial, welches die Regeln Schritt für Schritt einführt, wie in vielen neueren Kampagnenspielen der Fall ist; dafür ist das erste Kapitel etwas kürzer gehalten, sodass man Zeit hat alles zu verdauen. Außerdem wird in der Regel in einigen wenigen Abschnitten darauf hingewiesen, dass man die Regel in Kapitel 1 noch nicht benötigt und erst später zum Lesen des Abschnitts aufgefordert wird; und einige Regeln werden auch über die Karten im Spielverlauf selbst erst eingeführt. Insgesamt wird das Regelstudium dadurch weiter entzerrt und vereinfacht.

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Wir haben Heredity zu zweit durchgespielt und schätzen, dass es sich dabei um die optimale Spieleranzahl handelt. In Heredity gibt es vier Charaktere, die immer alle am Spiel teilnehmen und daher unter den Mitspielern aufgeteilt werden müssen. Zu zweit spielt also jeder zwei Charaktere gleichzeitig. Aber das ist nicht der einzige Grund. Zu zweit kann man sich besser absprechen und Entscheidungen treffen, man ist „näher“ am Spielgeschehen, weil man öfter selbst Karten liest und in die Hand nimmt, und hat durch das Steuern von zwei Charakteren auch mehr zu tun als in Partien mit mehreren Spielern.

Dennoch spricht rein gar nichts dagegen Heredity zu viert oder auch alleine zu spielen. Es ändert sich spielmechanisch überhaupt nichts. Und weil alle Charaktere gleichzeitig spielen bzw. die Zugreihenfolge beliebig gewählt werden kann, und die Narrative währenddessen alle interessiert, kann man auch nicht argumentieren, dass mit erhöhter Spieleranzahl die Downtime größer wird oder stört. Von daher funktioniert Heredity wirklich für alle Spielerzahlen. Uns hat es aber insbesondere zu zweit richtig gut gefallen.

Wie sieht es mit der Spielerinteraktion aus? Die kommt hauptsächlich durch die Gespräche um die gemeinsamen Entscheidungen zustande. Darüber hinaus können Charaktere sich frei, auch individuell über das Gelände bewegen, interagieren und erkunden. Alle Charaktere haben dieselben symmetrischen Aktionsmöglichkeiten. Nur manchmal muss man sich treffen, um gefundene Gegenstände oder Material auszutauschen, oder auch gemeinsam zu kämpfen. Charaktere interagieren daher häufiger, aber die Interaktion zwischen den Spielern wird hauptsächlich durch die benötigten Absprachen geprägt.

 

Spieldauer: Heredity ist ein Kampagnen-Spiel, das aus nur fünf Kapiteln besteht und daher auch in einer relativ kurzen Zeitspanne durchgespielt werden kann. Das heißt für uns: man kann Heredity auch tatsächlich durchspielen. Wir haben so viele Kampagnen-Spiele im Regal, die wir unbedingt spielen wollen. Aber wann hat man die Zeit für 30 oder mehr Partien? Das ist ein großer Vorteil von Heredity. Ein Kapitel kann zwar lange dauern, man sollte also auf jeden Fall einen ganzen Abend für ein Kapitel einplanen, insbesondere, wenn man sich gerne bespricht und gemeinsam abwägt, um Entscheidungen zu treffen. Was Sinn macht, denn Entscheidungen können weitreichende Konsequenzen für den Spielverlauf haben. Aber es sind eben nur fünf Kapitel. Für Kapitel 1 haben wir inklusive Regelstudium knapp 3 Stunden gebraucht. Kapitel 2 hatte einen doppelt so dicken Kapitelkarten-Stapel und uns dementsprechend fast 4 Stunden beschäftigt. Die gesamte Kampagne kostete uns etwa 15-20 Stunden.

Kann man Heredity ohne Probleme pausieren? In vielen Kampagnenspielen ist es so, dass man nach ein paar Monaten oft vergessen hat, worum es eigentlich ging. In Heredity ist die Narrative in den Spielverlauf integriert, und nicht beschränkt auf eine Geschichte am Ende oder am Anfang einer Partie. Die wesentlichen Handlungsstränge sind relativ leicht zusammengefasst, was den Wiedereinstieg sehr vereinfacht. Es gibt auch eine Einleitung wie die Karten abzulegen sind, um das Spiel zu lagern und später die Kampagne fortzusetzen. Mitten in einem Kapitel ist das aber nicht möglich. Wir verzichten hier auf Spoiler, möchten aber festhalten, dass der Umfang bzgl. Kapitelanzahl und die Narrative Heredity zu einem Kampagnen-Spiel machen, das tatsächlich machbar durchgespielt werden kann, auch wenn man eben nicht so viel Zeit für solche Spiele zur Verfügung hat.

 

Wiederspielbarkeit: Ohne viel zu spoilern können wir verraten, dass Heredity am Ende der Kampagne zwei Wiederspielreize bietet. Zum einen gibt es einen Gegenstand, mit dem man beim zweiten Durchspielen die Möglichkeit erhält, einen anderen Weg einzuschlagen. Zum anderen gibt es ein Bewertungssystem wie gut man sich geschlagen hat – vielleicht motiviert das, beim zweiten Durchgang besser zu werden? Aber Hand aufs Herz: einmal durchgespielt bietet Heredity keinen wirklichen Wiederspielreiz. Es handelt sich zwar nicht um ein Legacy Spiel, das heißt ein Zurücksetzen und Neustart ist kein Problem: einfach alle Karten wieder den Kartennummern nach sortieren. Aber man hat die Geschichte bereits erlebt, und das Erleben der Geschichte ist die Hauptmotivation in Heredity. Die Geschichte wird am Kampagnen-Ende auch vollständig aufgelöst, sodass sich alle Zusammenhänge erschließen. Unserem Gefühl nach gibt es auch keine großartig unterschiedlichen Handlungsstränge, die man in verschiedenen Durchgängen der Kampagne erleben könnte. Man kann unterschiedliche Entscheidungen treffen, die dann andere Auswirkungen haben, aber das ändert nichts am Kern der Story. Für manche mag das genug sein, für einen zweiten Durchgang. Aber danach ist wirklich Schluss. Und es bleibt eigentlich nur noch eines: Das Spiel zurücksetzen und einem befreundeten Pärchen in die Hand drücken. Für uns war Heredity seinen Preis wert; auch, wenn - und eigentlich erstrecht, weil - die Spielerfahrung einmalig war. Man muss nur mal grob durchrechnen: 50 EUR für 20 Stunden Spielspaß und immersives Storytelling: das sind 2,5 EUR pro Stunde. Ein Kinoabend kostet heutzutage locker das Fünffache.


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