Pokémon-Legenden: Arceus

Pokémon-Legenden: Arceus

Publisher: Nintendo
Entwicklerstudio: Game Freak
Genre: Rollenspiel
Art: Fullprice
Erscheinungsdatum: 28.01.2022
USK 12

Pokémon-Legenden: Arceus   15.02.2022 von LorD Avenger

Pokémon trifft Breath of the Wild - kann das funktionieren?


Inhalt

 

Der Protagonist, ein Teenager, gerät in einen Riss in Raum und Zeit. Ehe er sich versieht, findet er sich an einem Strand wieder und begegnet Professor Laven, der Hilfe beim Erstellen eines Pokédex benötigt - einer Pokémon-Enzyklopädie. Schnell wird aber klar, dass es sich hier um einen der ersten Pokédex handelt, nicht in Form eines smarten Taschencomputers, sondern auf Papier in Buchform. Der Teenager wurde nämlich durch die Zeit in die Hisui-Region geschickt, die feudale Version dessen, was später einmal die Sinnoh-Region aus Pokémon Perle / Diamant werden sollte.

 

Vieles ist hier noch anders als der Protagonist es aus der Gegenwart gewohnt ist. Zum Einen sind die Menschen erst kürzlich übergesiedelt und abgesehen von Jubelstadt ist die Region noch nahezu gänzlich naturbelassen. Außerdem sind Pokémon bisher wenig erforscht und gelten als wild und gefährlich - der Expeditionsleiter hat sogar seine gesamte vorherige Existenz an ihr Wüten verloren. Der zeitreisende Teenager hingegen kennt diese Ehrfurcht nicht und begegnet jedem Pokémon geradeheraus, kann zudem auch noch hervorragend mit den gerade erst erfundenen Pokébällen umgehen, in denen man die Monster fangen kann. Aufgrund dieser Qualifikationen wird er in die Galaktik-Expedition aufgenommen, um den Pokédex zu vervollständigen.

 

Seit dem Erscheinen der ersten beiden Pokémon-Spiele im Jahre 1996 hat sich Game Freak auf dem Überraschungserfolg ausgeruht und die letzten 25 Jahre ihr Erfolgskonzept nur immer wieder neu aufgewärmt. Die Ergebnisse waren, gerade in den vergangenen paar Jahren, alles andere als gut, aber auch im Zeitalter der PS5 wussten sie immer noch ausreichend Spieler auf der ganzen Welt zum Kauf zu animieren, obgleich sie sich nach wie vor wie GameBoy-Games spielen. Nun hat das Entwickler-Team sich aber endlich etwas getraut und sowohl vom Look als auch vom Spielprinzip her einiges umgeworfen.

 

Das macht Legenden: Arceus anders

 

Anders als in den Hauptspielen begegnet man nicht ansatzweise so vielen Menschen, entsprechend sind Trainer-Kämpfe eher eine Seltenheit und Arenen samt Orden, geschweige denn eine Pokémon Liga liegen in diesem Zeitstrang noch weit in der Zukunft. Das Spiel weist einen von Beginn an den Pokédex zu vervollständigen und darum dreht sich der Löwenanteil des Spiels. In den weiten Landschaften begegnet man diversen Pokémon, die es zu fangen gilt. Eine Besonderheit hier - fast als wäre es eine Mischung aus den klassischen Spielen und Pokémon Go: Man muss die Kreaturen gar nicht in einen Kampf verwickeln und schwächen, man kann sich auch anschleichen und sie direkt mit einem Pokéball bewerfen. Gerade, wenn man sich unbemerkt von hinten nähert, sind die Erfolgschancen recht gut. Das klappt aber natürlich nicht immer und gerade bei stärkeren Exemplaren muss man ganz klassisch in den Kampf wechseln. Eine schöne Neuerung auch hier: Es wird kein separater Kampfbildschirm geladen, die Auseinandersetzung geht nahtlos aus dem Erkundungsmodus hervor und auch ebenso flüssig wieder dorthin zurück. Auch das Verteilen der Erfahrungspunkte funktioniert ohne den Spielfluss zu unterbrechen. 

 

Zum Fangen stehen einem diverse Hilfsmittel zur Verfügung. Zum Einen kann man bei der Expedition im Rang aufsteigen und somit neue Bauanleitungen freischalten, die es einem ermöglicht variierende Pokébälle zu basteln, mithilfe der Rohstoffe, die man in der Umgebung findet. Neben den altbekannten Poké-, Super- und Hyperbällen, gibt es darüber hinaus auch besonders schwere oder besonders leichte Bälle, die speziell fürs Anschleichen gedacht sind. Für die schweren muss man sehr nah ans Ziel heran, die leichten hingegen fliegen über weite Distanzen und können selbst Pokémon in der Luft fangen. Wer seinen Prozess noch weiter verfeinern möchte, der kann die Monster auch mit Futter anlocken und ablenken, mit Schlamm verlangsamen oder mit Knallfröschen aufschrecken.

 

Anders als Fans es gewohnt sind, vervollständigt sich der Pokédex aber nicht einfach mit dem Fangen eines neuen Exemplars. Jedes eingetragene Pokémon kommt mit einer Reihe von Aufgaben daher, die wiederum Meilensteine beinhalten. Fange 3/5/10/25 Exemplare, besiege eine entsprechende Anzahl, beobachte eine bestimmte Attacke oder das Pokémon bei einer bestimmten Bewegung. Erst, wenn man genug von diesen Meilensteinen freigeschaltet hat, vervollständigt sich auf der zugehörige Eintrag. Das motiviert selbst die Pokémon zu fangen, die man bereits sein Eigen nennt.

 

Das Schöne ist, dass selbst all diese Duplikate in der Sammlung - im Gegensatz zu den Hauptspielen - gelegentlich einen Nutzen erfüllen. In Jubelstadt wartet nämlich eine Vielzahl von Nebenaufgaben auf einen. Zumeist geht es in der Regel darum einen bestimmten Pokédex-Eintrag zu vervollständigen und vorzuzeigen, oder aber ein ausgesuchtes Pokémon zu fangen und herzubringen. Manchmal genügt es den Auftraggebern, es zu sehen, andere Male hingegen möchten sie es gerne behalten, um es z.B. bei der Feldarbeit oder beim Kochen helfen zu lassen. Es ist eine wirklich erfrischende Idee seinen ganzen angesammelten Zoo nicht in der Box - oder in diesem Fall auf der Weide - versauern zu lassen, sondern anderen Menschen damit zu helfen und eine Freude zu machen.

 

Und die Pokémon-Kämpfe?

 

Das Kämpfen wird jeder Fan der Reihe sofort wiedererkennen, hier gibt es keine bahnbrechenden Änderungen, wenn auch ein paar Unterschiede. Zum einen ist auf jeden Fall das Balancing nicht sonderlich ausgewogen und ganz sicher nicht entsprechend dem, was man bisher aus der Reihe gewohnt war. Selbst gegnerische Pokémon mit einem nur halb so hohen Level, die eine nicht effektive Attacke einsetzen, sorgen noch für geradezu unverschämten Schaden. Egal, wie stark mein Team auch war, ich habe noch nie in der gesamten Reihe so viele von ihnen immer und immer wieder besiegt gesehen. Zum anderen lassen sich Attacken, sobald sie gelernt wurden, jederzeit im Menü beliebig austauschen und müssen nicht für immer vergessen werden. So kann man sich schön auf aktuelle Herausforderungen vorbereiten, auch wenn leider nach wie vor nur vier Attacken gleichzeitig aktiv sein dürfen. Eine weitere Änderung: Wenn Attacken gemeistert werden, können sie optional auch im Tempo- oder Kraftmodus eingesetzt werden. Das verbraucht mehr EP, ermöglicht aber ein schnelleres, aufeinanderfolgendes Angreifen auf Kosten der Angriffskraft, bzw. einen stärkeren Angriff auf Kosten der Geschwindigkeit.

Trotz der Zeitreise müssen Spieler übrigens nicht auf eine Form der VMs verzichten, die den Pokémon normalerweise zusätzliche Fähigkeiten verleihen, um neue Wege zu eröffnen. Durch das Besänftigen bestimmter Wächter-Pokémon erhält man deren Unterstützung und kann sie jederzeit herbeirufen, um auf ihnen zu reiten, mit ihnen vergrabene Items ausfindig zu machen, Wände zu erklimmen oder auch durch die Lüfte zu schweben. 

 

Eine weitere sehr willkommene Neuerung in diesem Zusammenhang: Die Wächter ersetzen gewissermaßen die Arenaleiter, die Bosskämpfe fühlen sich aber tatsächlich eher wie Bosse aus gewöhnlichen Action-Adventures an. Man bestreitet sie weniger mit seinen Pokémon als tatsächlich mit dem Protagonisten, der Attacken ausweichen und den Gegner bewerfen muss. 

 

Grafik & Feeling

 

Grafikstil und Umgebungs-Design werden immer unweigerlich an Breath of the Wild erinnern und sind natürlich in ihrer Darstellung auch ein wenig der Hardware-Limitierungen der Switch-Konsole zuzuschreiben. Allerdings ist das Ganze auch nicht vollends ausgereift auf einem Zelda-Level. Die Spielwelt ist zwar riesig und völlig offen, anders als bei Zelda aber in Sektoren aufgeteilt, die Story-bedingt erst nach und nach freigeschaltet werden.

 

Der Erkundungsfokus erinnert ein klein wenig an New Pokémon Snap, nur dass man auf dieser Safari eben eher Pokébälle als Fotos schießt. Man hätte sich an dieser Stelle aber gerne noch etwas mehr von Snap inspirieren lassen sollen, denn leider hatte ich nie das Gefühl, dass die wilden Pokémon sich wirklich natürlich verhalten haben. In Snap interagieren die Monster miteinander, spielen zusammen, verbinden sich wie reale Tiere mit der Umwelt. In Legenden Arceus fühlt es sich dann doch eher an wie Copy & Paste. In einem bestimmten Umkreis tummeln sich bestimmte Pokémon, die nicht sonderlich natürlich von Punkt A nach B laufen und wieder zurück. 

 

Grafisch sieht das Spiel keineswegs schlecht aus, hat aber zweifelsfrei seine Schwächen. In einigen Sequenzen erscheinen einige Konturen extremst pixelig, aus der Ferne lassen sich selten Details erkennen, die erst beim Näherkommen nachgeladen werden müssen. Besonders befremdlich sind weit entfernte Pokémon, die sich in einzelnen Standbildern bewegen und selbst so erscheinen als wären sie einem Raum-Zeit-Riss zum Opfer gefallen.

 

Auch beim Sound hätte ich mir ein wenig mehr Eigeninitiative und frischen Wind gewünscht, da viele Melodien und Soundeffekte einfach aus den Hauptspielen übernommen wurden, die sie wiederum seit Jahren und Jahrzehnten aus ihren Vorgängern übernehmen. Entsprechend klingt vieles eben einfach noch nach GameBoy und wirkt vollkommen fehl am Platz. Ebenso vermisse ich eine Synchronisierung. Selbst bei Zelda wird inzwischen, wenn auch nur vereinzelt, hörbar gesprochen und gerade in diesem Pokémon-Abenteuer mit seinen festen, regelmäßigen Hauptfiguren, hätte es sich auf jeden Fall auch angeboten.

 

Bildergalerie von Pokémon-Legenden: Arceus (6 Bilder)



Cover & Bilder © 2021 Pokémon. ©1995–2021 Nintendo / Creatures Inc. / GAME FREAK inc. Pokémon and Nintendo Switch are trademarks of Nintendo.


Das Fazit von: LorD Avenger

 LorD Avenger

Legenden: Arceus ist bei Weitem noch nicht das, was es sein könnte - gerade mit einem Budget, das dem Markenwert von Pokémon entsprechen sollte. Man traut sich noch nicht genug. Das Kampfsystem könnte endlich einen frischen Anstrich gebrauchen, zudem ist das Balancing hier sehr durcheinandergeraten. Die Interaktion der wilden Pokémon miteinander und mit der Umgebung wurde so wundervoll von New Pokémon Snap vorgemacht, hier hätte man sich ruhig etwas abschauen können. Richtige, synchronisierte und visuell beeindruckende Filmsequenzen wären super, wo man sich jetzt schon mehr auf eine vernünftige Geschichte konzentriert - gleichzeitig auch eine stärkere persönliche Entwicklung des hier viel relevanteren Protagonisten (stattdessen nimmt der es unbeeindruckt hin, aus seiner Welt mutterseelenallein in die Vergangenheit geschickt worden zu sein). Die Gefährlichkeit der Pokémon in dieser anderen Zeit und die Angst vor ihnen hätte man noch viel deutlicher und glaubhafter porträtieren können. Trotz dieser und zahlreicher weiterer Kleinigkeiten ist das Spiel ein Jahrzehnte überfälliger frischer Wind im Franchise, den man nicht nur gutheißen, sondern auch feiern und unterstützen muss. Das ist noch auf keinen Fall das Niveau, wo Pokémon hin muss, es ist aber ein riesiger Schritt in die richtige Richtung und macht alleine aufgrund seiner neuen Ansätze speziell für Fans ungemein Spaß. Gerade auch, obgleich die Hauptstory lediglich rund zehn Stunden umfasst und so viel zu tun bietet (obgleich vieles davon auch einfach nur Fleißaufgaben sind), dass ich den Abspann erst nach annähernd zwanzig Spielstunden gesehen habe - und das Game auch für danach noch ein paar nette Missionen und spezielle Pokémon bereithält. Zweifelsohne das beste Pokémon-Abenteuer seit über zehn Jahren.


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positiv negativ
  • Riesige, offene Spielwelt mit viel Abwechslung
  • Gut funktionierendes Safari-Fang-System, das sich vom ausgelutschten Kampfprinzip abhebt
  • Kampfbildschirm findet nahtlos in der Spielwelt statt und ermöglicht darin noch freie Bewegung der Spielfigur
  • Coole Charaktere und interessante Hauptstory
  • Viele Nebenaufgaben und in der Umwelt zu findende Materialien
  • Keine Synchronisation, keine richtigen Filmsequenzen
  • Wilde Pokémon bewegen sich nur in festgelegten, wenig natürlichen Bewegungsmustern
  • Technisch ausbaufähig, gerade im Vergleich zu einem inzwischen 5 Jahre alten Breath of the Wild
  • World Building hätte noch etwas mehr Fokus gebrauchen können





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