Schon lange vor Release stand Sea of Thieves hoch im Kurs und gilt als eines der Zugpferde für Microsofts XBox One X. Ob der Piraten-Klamauk aber auch wirklich voll ins Schwarze trifft, klärt folgendes Logbuch...
Logbucheintrag #1: Arrrrrrr!
Ahoi, Ihr Landratten!
Eine unruhige Fahrt durch stürmische Gewässer liegt hinter mir und meiner Crew, bei der wir neben ein bisschen Proviant fast auch unsere armen Seelen verloren hätten. Unser Ziel war eine
vermeintlich einsame Insel, auf der laut einem Mitglied des Seelenordens ungeheure Reichtümer auf uns warten würden, doch stattdessen bot uns ein schlecht gelaunter und sehr untoter Skelett-Kapitän die knöcherne Stirn. Nur mit List und Gewalt konnten wir uns seiner entledigen und eine mysteriöse Truhe bergen, deren Erscheinung uns bereits in Misstrauen versetzte. Betört vom Geschmack des Triumphes verbrachten wir das hölzerne Objekt in den Bauch unseres Dreimasters - ein Fehler, wie wir kurz darauf bemerken sollten. Noch während wir bei mehreren Bechern Grog, der uns die Mägen umdrehte, und schönsten Seemannsliedern unseren Erfolg feierten, offenbarte uns das Schicksal sein grausiges Gesicht. Jenes Wimmern aus den Tiefen des Schiffes, welches wir als dem Alkohol geschuldetem Hirngespinst abtaten, nahm stetig zu, bis sich einer meiner tapferen Seebären ein Herz fasste (oder sich unter Deck erleichtern wollte) und nach dem Rechten sah. Die hölzerne Kiste weinte bittere Tränen und noch während wir verzweifelt versuchten, den tobenden Sturm zu umschiffen, füllte sich unser Laderaum mit den salzigen Tränen, die uns schließlich dazu verdammten, mit Eimern um unser Leben zu schöpfen. Doch wir hatten keine Chance...
Logbucheintrag #2: Steuerung und Sound
Sea of Thieves macht Euch den Einstieg in die Welt der Seefahrer nicht gerade leicht, denn es verzichtet komplett auf jegliche Form von Tutorial. Obwohl die Tastenbelegung grundlegend der eines Egoshooters ähnelt, so bedarf es doch einiges an Neugier, bis sämtliche Bewegungsabläufe und Aktionen verinnerlicht sind. Besonders das Ringmenü, auf welchem Ihr quasi Euer komplettes Inventar für sämtliche Situationen findet, fordert ein wenig Eingewöhnungszeit. Habt Ihr jedoch erst einmal das Controllerlayout verinnerlicht, steht einer frivolen Reise quer durch eine unerforschte offene Welt nichts mehr im Wege. Und wie lässt sich eine solche besser beginnen, als mit einem waschechten Shanty, gespielt auf einer Ziehharmonika? Rare versteht es vorzüglich, dem unverbrauchten Setting eine passende akustische Atmosphäre zu verleihen. Neben besagten Stücken, die direkt Euren und den Instrumenten Eurer Mitspieler entspringen, können auch sämtliche Umgebungsgeräusche sowie die unaufdringliche Hintergrundmusik eine Illusion von Tausend und einem Piratenabenteuer erzeugen. Selbst die Geräusche, die einem zu betrunkenen Piraten entstammen, wenn er sich seines Grogs entledigt, sind immer passend in die Situation integriert und sorgen für zahlreiche Lachanfälle.
Logbucheintrag #3: Grafik, Gameplay und Umfang
Optisch gelingt Rare ein kunstvoller Spagat aus witzigem Comic-Look und realistischen Einflüssen. Während die vielen menschlichen, tierischen und untoten Figuren bunt, grell und bewusst überzogen den Klamauk-Charakter betonen und sich selbst zu keiner Zeit ernst nehmen, könnten vor allem die Animationen von Wasser und Himmel einem Hollywoodfilm entsprungen sein. Peitschende Gischt, sanfte Wellen, glitzernde Sterne und ein Sonnenuntergang wie aus dem Bilderbuch sind nur ein paar der eindrucksvollen Momente, die Rare mit viel Liebe zum Detail präsentiert. Doch auch kleine, vermeintlich unscheinbare Aktionen wie etwa die Bewegungen der Figuren passend zum Takt der Shanties oder das Flattern der Segel im Wind zeugen davon, wie viel Arbeit die Entwickler in optische Feinheiten gesteckt haben. Gelegentliche Einbrüche der Framerate beschränken sich auf die ersten Minuten und das Ringmenü, die große offene Welt bleibt weitestgehend von selbigen verschont - angesichts der Größe der Spielumgebung eine positive Nachricht.
Bildergalerie von Sea of Thieves (17 Bilder)
Doch was verbirgt sich eigentlich spielerisch hinter Sea of Thieves? Dass Ihr in die Rolle eines Piraten schlüpft, welchen Ihr Euch vor Beginn Eures Abenteuers komfortabel via Auswahlmenü selbst aussuchen dürft, sollte wohl auch dem letzten Nachwuchs-Freibeuter inzwischen bekannt sein. Frisch gepudert steht es Euch nun frei, ob Ihr alleine oder mit einem weiteren Mitspieler an Bord einer schnuckeligen, aber wenig robusten Schaluppe geht oder ob Euch mehr der Sinn nach einer bis zu drei Köpfen zählenden Crew samt eindrucksvoller Galeone steht. Da Sea of Thieves auf gutes Teamwork abzielt, ist es ratsam, mit befreundeten Kameraden in See zu stechen - alternativ versorgt Euch das gemächliche Matchmaking mit den jeweils notwendigen, zufällig
ausgewählten Partnern aus aller Welt. Diese sind dank gut frequentierten und stabilen Server trotz mitunter mehrminütigen Ladezeiten meist schnell gefunden und fortan bereit, die Meere unsicher zu machen. Getreu dem Motto "Joho und ne Buddel voll Rum" nimmt sich das Spiel selbst alles andere als ernst und erlaubt Euch frei heraus, nach Lust und Laune dem Leben eines Piraten zu frönen. Ihr wollt erst einmal mit der Crew feiern und mit Ihr anstoßen? Kein Problem, rüstet einfach den Krug voller Grog über das Kreismenü aus, gebt auf gleiche Weise einen Trinkspruch zum Besten und spült das Gebräu Eure virtuellen Gurgeln hinab! Doch seid gewarnt, auch ein erfahrener Seemann ist nicht vor einem Rausch gefeit - der erste Humpen sorgt nur für ein schwankendes Gangbild, doch der zweite kann bereits zur Folge haben, dass Euer Alter Egos sich alles nochmal "durch den Kopf gehen lässt". Was zunächst ein wenig eklig klingt, entpuppt sich allerdings schnell als urkomische und extrem kurzweilige Möglichkeit, eine von vielen witzigen Ideen Rares zu entdecken. Speziell dann, wenn man in diesem Zustand dann auch noch die Ziehharmonika aus dem Inventar kramt und verzweifelt versucht, sich irgendwie auf den Beinen zu halten, bleibt kein Auge trocken. Im Anschluss begebt Ihr Euch zu einem der zahlreichen Außenposten, bei welchem Ihr über eine der Fraktionen Handelsbund, Seelenorden oder Goldsammler diverse Aufgaben annehmen könnt. Die auf den ersten Blick große Auswahl an Missionen entpuppt sich jedoch schnell als repetitive, abwechslungsarme Mischung aus Sammel-, Kampf- oder Jagdmissionen, die Euch von Insel A zu Insel B scheucht, dort entweder eine Ansammlung aus Skeletten bekriegen, Hühner und Schweine einfangen oder einen Schatz suchen lässt und nur selten mit kleinen Rätseln überrascht. Zwar gilt es, das jeweilige Eiland zunächst auf der Karte zu identifizieren und anschließend das Ziel sicher zu erreichen, doch wirkliche Abwechslung sucht man leider vergeblich. Lediglich die Spielmechanik, die gutes Teamwork und Kommunikation erfordert, sorgt für einen gewissen Grad an Spielspaß, müsst Ihr doch sämtliche Aufgaben an Bord und an Land selbst übernehmen. Den Anker einholen, die Segel hissen und gemäß der Windrichtung positionieren, den Kurs halten, während gleichzeitig ein Crewmitglied die Seekarte im Auge behält und ein anderes die Umgebung nach feindlichen Schiffen oder anderen Gefahren absucht... Die Aufgabenverteilung ist gelungen und erhält durch die Tatsache, dass Ihr nie wisst, wie Euch fremde Spieler gesinnt sind, einen Hauch von Spannung. Wer beschwingt und frei unüberlegt auf Erkundungstour geht, trifft nicht selten auf unliebsame Überraschungen: plötzlich aufziehende Gewitter, bedrohliche und anspruchsvolle Skelett-Forts oder sogar eine Begegnung mit Riesenkraken sind jederzeit möglich. Wohl dem, der seine Beute in Form von Schatztruhen, vergoldeten Kerlchen oder wertvollen Schädeln zügig beim nächsten Landgang verkauft und so im Ansehen der jeweiligen Gilde aufsteigt! Leider könnt Ihr das so verdiente Gold lediglich in teure kosmetische Gegenstände wie etwa Kleidung, Waffen oder Schiffsverzierungen stecken. Gerade für Piraten, die alleine in den reinen Online-Weltmeeren unterwegs sind, wären eine Verbesserung von Fertigkeiten oder spezielle Boni durchaus sinnvoll und hätte auch der Langzeitmotivation nicht geschadet. Auch wenn das Erkunden der tollen offenen Welt von Sea of Thieves gerade in einem eingespielten Team durchaus zu unterhalten weiß, bleibt unterm Strich zu wenig spielerischer Tiefgang für ein potentiell wirklich nettes Onlinespiel.
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