Spec Ops: The Line
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BEWERTUNG |
18.07.2012 von GloansBunny
Ein Third-Person-Shooter aus Deutschland, der nicht nur Spaß machen soll, sondern auch anders sein will als Gears of War 3? Die trauen sich ja was mit solchen Behauptungen, die Berliner Entwickler von Yager Development. Also rasch das Marschgepäck schultern, das M4A1 durchladen und in den Helikopter Richtung Dubai steigen. Spec Ops: The Line, klar zum Einsatz! Altbekannt, intuitiv und flüssig präsentiert sich die Controllerbelegung. Via Analogsticks bewegt man aus der Third-Person-View Hauptfigur und Kamera oder variiert die Körperhaltung des Alter Ego. Das Digikreuz hilft bei der Auswahl der Waffen und deren Zubehör. So werden unter anderem Schalldämpfer aufgeschraubt, Laservisiere aktiviert oder die Feuerrate angepasst. Die Schultertasten sind genretypisch fürs Brachiale zuständig. So wirft Walker beispielsweise auf Knopfdruck einen Blick durch sein Zielfernrohr, schleudert Granaten oder feuert seine ausgerüstete Waffe ab. Für die kleine Taktikfreude zwischendurch dürfen mit dem rechten Zeigefinger zudem Gegner markiert und umgehend von den KI-Mitstreiten unter Beschuss genommen werden. Die Aktionstasten initiieren Bewegungsmuster wie Hindernisse überspringen, Deckung suchen, nachladen oder Nahkampfangriffe. Das Deckungssystem agiert ganz im Stile der Gears of War-Reihe. Mit einem kleinen Stupser auf die Aktionstaste hechtet die Hauptfigur zuverlässig hinter den nächsten geeigneten Gegenstand und sucht dort Schutz. In Kombination mit dem linken Analogstick wird zudem flink die Seite gewechselt oder blind gefeuert. Insgesamt erweist sich die komplette Steuerung als präzises, durchdachtes und agiles Instrument der virtuellen Kriegsführung, inklusive mehrerer individueller Layouts und Intensitätsstufen.
Grafik und Design: Sand im Getriebe, Sand in der Hose, Sand überall ... Yager Development will mit Spec Ops: The Line frischen Wind in die herkömmliche Shooterszene bringen. Schon bei Betrachtung der Einführungssequenz wird ersichtlich: Das ist nicht nur ein schnöder Wind, sondern ein regelrechter Sturm, was die Entwickler da präsentieren. Genauer gesagt: ein Sandsturm. Dieser sorgt gemeinsam mit bis an die Zähne bewaffneten Kampfhubschraubern für den effektreichen und eindrucksvollen Absturz des Transporthelikopters des Einsatzteams. Unbändig, erbarmungslos und unvorhersehbar platziert sich die Naturgewalt im visuellen Zentrum des Spiels. Die Wüstenmetropole Dubai als Hauptschauplatz der Kampagne beeindruckt mit gewaltigen, gläsernen Hochhäusern, detaillierten Hotelkomplexen und weitläufigen Straßenzügen. Die Sonne brennt fast spürbar auf das sandige Paradies und zerfrisst Autolacke, Gebäude und menschliche Haut.
Die abwechslungsreichen Kulissen strotzen ebenso vor Details wie die Charaktere. Zerschlissene Uniformen und zahlreiche Blessuren zeugen von harten Kämpfen, in denen Blut und Schweiß literweise fließen. Von Staub und UV-Strahlung zerstörte Luxusfahrzeuge blockieren Einkaufspassagen, hochklassige Hotellobbys buhlen mit pompösen Aquarien, Hallen und Bars um die Gunst der Schönen und Reichen. Doch der einstige Glanz der ehemaligen Wüstenmetropole ist längst verblichen und von gigantischen Dünen begraben. Sand, Staub und Schmutz sind allgegenwärtig und hüllen die Szenerie fast durchgehend in einen Schleier aus Gelb und Rot, lediglich durchbrochen von blau-grauer Innenarchitektur der Gebäude. Zwar wurde das echte Dubai nicht 1:1 nachgebildet und gelegentlich sind nachladende Texturen im Hintergrund zu sehen, eine großartige Weitsicht, schillernde Glaspaläste und eindrucksvolle Ruinen lassen diesen Fakt aber zur Nebensache werden. Das Setting der zerfallenden Großstadt wirkt unheimlich authentisch und real und ist zudem eine hochwertige Abwechslung zu kommerziellen Kriegsschauplätzen anderer Spiele.
Bereits in der Einführungssequenz beweisen die Entwickler ihre Hingabe zu Spec Ops: The Line. Die absolut flüssigen, lebensechten Animationen sowie die faszinierende Mimik der Figuren machen Lust auf mehr und erstrecken sich über das ganze Spiel. Erstklassige Licht- und Schatteneffekte zaubern ein wahres Wüstenembargo auf den heimischen Bildschirm. Besonders imposant sind auch moralisch grenzwertige Abschnitte wie etwa die Durchquerung eines von Phosphorgranaten zerstörten Platzes. Die glühende Umgebung sorgt hier ebenso für Staunen wie die umherkriechenden Menschen, die zum Teil völlig verbrannt um Erlösung betteln. Diese und weitere drastische Darstellungen des Krieges machen Spec Ops: The Line besonders und einzigartig. Die Altersfreigabe ist absolut gerechtfertigt und wird sicherlich noch in Zukunft für hitzige Diskussionen in Bezug auf den Gewaltgrad sorgen – denn auch bis ins Detail dargestellte Leichen und Exekutionsszenen bietet das Spiel zuhauf. Gerade in den gescripteten Szenen fühlt sich Spec Ops: The Line eher wie ein Kinofilm an. Realistisches, cineastisches und detailliertes Material für Erwachsene. Der ein oder andere kleine Grafikfehler hat sich dann allerdings doch eingeschlichen. Einschusslöcher in der Umgebung sucht man beispielsweise ebenso vergeblich wie frische Fußspuren im Sand. Sobald man jedoch vom Spiel dazu aufgefordert wird, beispielsweise die Glaswand hinter den verschanzten Gegnern zu sprengen, sind diese Mankos allerdings schnell wieder vergessen. Denn enorm eindrucksvoll ergießt sich an festgelegten Stellen eine vom Spieler ausgelöste Sandlawine über die Feinde und begräbt diese unter sich. Großes Kino mit großem spielerischem Effekt, toll inszeniert!
Sound und Synchronisation: Es pfeift aus dem letzten Loch ... Die Vertonung von Spec Ops: The Line überzeugt von Anfang bis Ende. Der Mix aus treibender Rockmusik und arabischen Stücken unterstreicht das düster-bedrohliche Endzeitszenario gezielt. Die Umgebungsgeräusche fügen sich absolut stimmig ins Spielgeschehen ein. Authentische Waffensounds, dröhnende Explosionen, unzählige Schüsse und Querschläger beehren die heimische Surroundanlage, und zwar ebenso wie das Hauptthema des Spiels: Sandstürme. Immer wieder pfeift und heult es bedrohlich aus allen möglichen Ecken, während sich der Bildschirm zunehmend in ein sandiges Rot hüllt. Die Vertonung der gnadenlosen Naturgewalt erzeugt ein beklemmendes Gefühl, das den Spieler jeden weiteren Schritt überdenken lässt.
Spec Ops: The Line beweist auch bei der Synchronisation, dass deutsche Tugenden nicht nur ein Ammenmärchen sind. Die Berliner Entwickler von Yager Development spendieren ihrem neuesten Shooter eine äußerst zuverlässige und punktgenau gesetzte Synchronisation. Sowohl die deutsche als auch die englische Tonspur sorgen für abwechslungsreiche, einprägsame Dialoge. Motivierte Sprecher vermitteln Gefühle wie Angst, Wut und Trauer ebenso professionell wie den ein oder anderen sarkastischen oder witzigen Kommentar. Aus kaputten Autoradios dröhnen zudem scheppernd und rauschend fetzige Gitarrenriffs, während aus dem Funkgerät ein mysteriöser Moderator irrwitzige und fragwürdige Anordnungen gibt. Nicht selten staunt man über das perfekte Zusammenspiel von Wahnsinn und Realismus oder lauscht fasziniert den inhaltsstarken Unterhaltungen argloser Gegner. Authentisches, atmosphärisches und akkurates Audiohandwerk made in Germany!
Story und Gameplay: Leben und leben lassen ... Spec Ops: The Line versetzt den Spieler in die Haut von Delta Force-Captain Martin Walker. Gemeinsam mit den beiden Flügelmännern Lugo und Adams gilt es, einen mysteriösen Funkspruch des 33. Bataillons zu orten und Überlebende zu retten. Von einem gewaltigen Sandsturm überrascht und von den eigenen Männern beschossen stürzt ihr Hubschrauber im ehemaligen Emiratenparadies Dubai ab. Dort entpuppt sich die Rettungsmission als Reise in die Hölle. Das vermisste Bataillon unter Colonel John Konrad stellt sich gegen Walker, tötet Zivilisten und sich selbst. Auf der Suche nach Antworten und der Lösung des Wahnsinns dringt das Drei-Mann-Team immer tiefer ins verschüttete Dubai vor und muss feststellen, nichts ist, wie es scheint und die Psyche des Menschen ist verwundbar. Was ist Krieg, was ist Realität und was ist Einbildung? Eine tiefgründige, erschreckende und verstörende Geschichte voller Gewalt und Moral wartet darauf, in einem von bis zu drei alternativen Enden erzählt zu werden ...
Rund 15 Kapitel mit insgesamt etwa sechs Stunden Spielzeit umfasst Yagers Third-Person-Shooter. Objektiv betrachtet ist das ein recht kurzes Vergnügen für einen Full-Price-Titel. Das flotte Gameplay, die spannende Story und nicht zuletzt die stimmige Atmosphäre des erschreckend realen Szenarios jedoch sorgen für einen hohen Wiederspielwert, wenn auch der Einstieg etwas träge wirkt. Während man mit Walker agil von einer Deckung zur anderen hechtet und Gegner ins Visier nimmt, agieren die KI-Kumpanen Lugo und Adams intelligent und eigenständig. Taktisch klug positionieren sich die beiden meist in der Nähe von Walker, wechseln angemessen zwischen Defensivhaltung und Angriff und leisten erste Hilfe bei drohendem Ableben. Wenn es die Situation verlangt, geben sie selbstständig oder auf Wunsch per Knopfdruck Rückendeckung oder Kreuzfeuer und melden gesichtete Feinde. Bemerkenswert: Auch die Ingame-Sprachausgabe wurde an die jeweiligen Level angepasst. So meldet Lugo beispielsweise in einer Hotellobby eine „Schrotflinte, dort bei dem Brunnen“ oder Adams warnt vor einem Scharfschützen auf dem Dach auf 12 Uhr. Würde man nicht gelegentlich die gleiche Äußerung hören, könnte man glatt vergessen, dass es sich hierbei nur um eine künstliche Intelligenz und nicht um echte Mitspieler handelt. Diese kann man aber im Onlinemodus zu den genretypischen Matches Marke Deathmatch, einschließlich diverser Modi, herausfordern oder alternativ im Vierer-Koop mehrere Missionen bestreiten.
Natürlich steht in der Kampagne die Action im Vordergrund, die in manchen Spielabschnitten ordentlich fordert. Wenn eine Gegnerwelle nach der anderen das Trio malträtiert, Munition knapp wird und sich die Deckung in Luft auflöst, färbt sich der Bildschirm rot, der Sound wird dumpf und schlussendlich liegt Walkers Leiche im Wüstenstaub Dubais. Zwar ist Spec Ops: The Line insgesamt gut ausbalanciert und arbeitet mit wählbaren Schwierigkeitsgraden, aber manche Situationen benötigen trotzdem mehrere Anläufe. Fair gesetzte Speicherpunkte motivieren aber dennoch, den jeweiligen Abschnitt erneut zu versuchen und eventuell eine andere Taktik zu wählen. Oftmals stehen mehrere Lösungswege zur Verfügung, die nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich sind. Für Abwechslung ist also gesorgt – vor allem, wenn der Sand als spielentscheidendes Element in den Vordergrund rückt. Wer die Augen offen hält, kann labile Stahlkonstruktionen, Fenster oder Brückenabschnitte erspähen oder wird mit etwas Glück verbal von Lugo und Adams auf solche hingewiesen. Ein paar Magazine später macht sich die Naturgewalt selbstständig und sorgt für ausgedünnte Gegnerreihen. Optisch wie spielerisch ist der aktive Umgang mit dem körnigen Element eine angenehme Erfrischung im heißen Wüstenszenario.
Wusstet Ihr schon ...
Yagers Spec Ops: The Line ist anders als jedes Gears of War oder Call of Duty, wenngleich auch manche Grundzüge ähnlich sind. Dieses Spiel haut einen vom Hocker wie ein gewaltiger, rostroter Wüstensturm. Ein absoluter Kauftipp, und noch dazu komplett ungeschnitten erhältlich! Das Fazit von: GloansBunny
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