Im Schein des Sichelmonds

Im Schein des Sichelmonds

Genre: Gebietskontrolle • Kriegsspiel • Verhandlung
Autor: Steven Mathers
Illustrator: Navid Rahman
Spieleverlag: Osprey Games, Giant Roc
Empfohlenes Alter: ab 14
Spieldauer: 150-180 Minuten

Im Schein des Sichelmonds   12.02.2024 von 2-PL4Y3R5

Ihr werdet versetzt ins 10. Jahrhundert und übernehmt die Rolle rivalisierender Mächte im Nahen Osten. Diplomatie und Konflikte stehen an der Tagesordnung. Welche Rolle wirst Du übernehmen? Wirst Du als Kriegsherr durch die Lande ziehen und nur Leid und Verwüstung hinterlassen? Möchtest Du als Scheich deine religiösen Ansichten verbreiten und Einfluss auf die Bevölkerung nehmen? Wirst Du als Sultan neben Stützpunkten und Burgen auch Dörfer und Städte errichten und den Markt kontrollieren? Oder ganz entspannt als Kalif in deinem Palast sitzen und dich auf deinem Geld ausruhen? Mit fünf Spielern, darf auch jemand Nomade spielen und seine Truppen als Söldner anderen Fraktionen gegen Bezahlung zur Verfügung stellen. Im Schein des Sichelmonds ist ein extrem asymmetrisches Gebietskontrollspiel mit zentralen Verhandlungselementen und damit eine wirkliche Besonderheit!

 

Das Material und die Vorbereitung

 

Das Spielmaterial ist von sehr hoher Qualität, besonders hervorzuheben sind die Fraktions-spezifischen Materialien, von denen fast alle aus Holz sind. Stützpunkte und Burgen kommen mit Aufdruck, eingezeichnete Fenster und Türen. Jede Fraktion hat einen hochwertigen Stoffbeutel, in dem sämtliches Fraktions-spezifische Material aufbewahrt werden kann. Sehr cool, wenn auch nicht nötig, weil der Beutel sonst keine weitere Funktion während des Spiels hat. Zusätzlich hat jede Fraktion auch eine vierseitige Rollenbeschreibung mit hilfreichen Informationen fürs erste Spiel und allen Sonderregeln der Fraktion (und das sind einige). Die Übersicht ist aus Pappe, also schön stabil, sehr sinnvoll, weil eben auch häufig benötigt.

 

Zu Beginn des Spiels wählt jeder Spieler eine Rolle/Fraktion und nimmt sich sämtliches Material - den entsprechenden Stoffbeutel also. Alles gut sortieren und offen vor sich auslegen. Alle Spieler müssen sich in eine bestimmte Sitzreihenfolge begeben, da die Zugreihenfolge durch die gewählte Rolle vorgegeben ist: Der Kriegsherr beginnt jede Runde, dann kommen Scheich, Sultan, Kalif und zuletzt der Nomade, falls eine 5-Spieler Partie gespielt wird.

 

Nun muss eine der in der Anleitung vorgegebenen Landschaften, abhängig von der Spielerzahl, gewählt und mittels sechseckiger Terrainplättchen auf der Tischmitte ausgelegt werden. In fortgeschrittenen Spielen kann dies auch zufällig erfolgen. Es gibt verschiedene Terrainplättchen. Die Art des Terrains entscheidet auch über das Einkommen für die kontrollierende Fraktion in den Einkommensphasen. Zudem gibt es Flüsse, welche nicht mittels einfacher Bewegungsaktion überquert werden können und ein natürliches Hindernis darstellen.

 

Neben dem Terrain, muss auch die Marktauslage vorbereitet werden: Die Plättchen für den fernen, mittleren und nahen Markt werden nebeneinandergelegt und jeweils darunter vier, drei bzw. zwei Karten von dem gemischten Machtkartenstapel aufgedeckt. Die Nähe des Markts bestimmt die Kosten der Machtkarte während des Spiels (6, 4 oder 2 Dinar). Zudem werden drei Karten auf den Markt des Sultans gelegt – hier kommen die Fraktionen nur über Verhandlung mit dem Sultan dran!

 

Zu Beginn des Spiels muss der Kalif dann noch entscheiden, wo er seinen Palast platzieren möchte, der Kriegsherr bekommt die Karte „Kriegsführung“ und der Scheich führt die Aktion „Plan schmieden“ aus. Jede Fraktion nimmt sich dann noch 5 Mondpunkte (die Siegpunkte im Spiel), die verdeckt aufbewahrt werden, und zusätzlich die entsprechenden Start-Dinaren – der Sultan zum Beispiel 16 Dinar, der Kriegsherr 3 Dinar, der Nomade geht leer aus. Ich denke es ist deutlich geworden, dass im Schein des Sichelmonds ein extrem asymmetrisches Spiel ist. Zuletzt wird die Zeit- und Phasenleiste mit den jeweiligen Markern ausgelegt, welche den Spielfortschritt verfolgen.

 

Das Spielziel

 

Alle Fraktionen haben zum Ziel am Ende der Partie die meisten Mondpunkte zu haben. Aber jede Fraktion erhält Mondpunkte für unterschiedliche Ziele, die natürlich angepasst sind an die Fähigkeiten der Fraktion. Beides sorgt auch dafür, dass nicht alle Fraktionen per se gegeneinander arbeiten, sondern eben Allianzen entstehen. Über Verhandlungen (und Intrigen?) sollte man versuchen die Oberhand zu gewinnen und seine persönlichen Ziele am schnellsten zu erreichen. Denn Ziele werden immer am Jahresende gewertet und das wiederholt, sollte man ein erfülltes Ziel, wie z.B. die Kontrolle über ein Terrain, nicht wieder verlieren.

 

Der Spielablauf

 

Der Spielablauf an sich ist sehr simpel. Im Schein des Sichelmonds wird über drei oder vier Jahre gespielt – hierauf einigen sich die Spieler zu Beginn der Partie, können sich also für ein kürzeres oder längeres Spiel entscheiden. In jedem Jahr gibt es zu Beginn etwas „upkeep“ inklusive einer Einkommensphase und am Ende eine Wertung. Dazwischen sind alle Spieler vier Mal der Reihe nach am Zug und dürfen jeweils eine Aktion ausführen. D.h. jede Fraktion hat insgesamt 12 oder 16 Aktionen, je nachdem ob ein kurzes oder langes Spiel gespielt wird.

 

Es ist jedoch relativ schwierig den flow des Spiels zu erklären, indem man die möglichen Aktionen erklärt, denn der flow kommt maßgeblich durch die Asymmetrie der Fraktionen zustande. Es gibt einige Aktionen, die fast jeder Fraktion zur Verfügung stehen, aber jede Fraktion hat zusätzlich mindestens eine Fraktions-spezifische Aktion, die nur dieser Fraktion zur Verfügung steht. Zudem wird nicht jede Fraktion alle Aktionen gleichermaßen ausführen, sondern sich automatisch mehr auf bestimmte Aktionen fokussieren, weil die Ausgansbedingungen / Startressourcen, die Möglichkeiten durch das vorhandene Spielmaterial (der Kriegsherr hat viel mehr Truppen), die ebenfalls Fraktions-abhängige „Qualität“ der Aktion (der Sultan kann mehr Befestigungen pro Aktion erbauen) und die Zielvorgaben und Siegpunktebedingungen die Strategien maßgeblich beeinflussen. Insofern ist es hier fast interessanter direkt zum Fazit zu springen und unsere Eindrücke von unseren ersten Partien zu erfahren. Denn diese extreme Asymmetrie ist gleichermaßen eine sehr coole Erfahrung, weil man sich wirklich mit seinen Rollen identifiziert und ins Spielgeschehen einfühlt (Immersion!), andererseits sorgt es auch dafür, dass sich jede Partie gleich anfühlt; als ob die Spieler vom Spiel gespielt werden und nicht umgekehrt.

 

An dieser Stelle wollen wir dennoch einen Überblick über die Aktionen geben. Insgesamt gibt es 11 Aktionen und zusätzlich 6 Fraktions-spezifische Aktionen, auf die wir hier nicht weiter eingehen wollen. Wie bereits angedeutet können nicht einmal alle Fraktionen die 11 gewöhnlichen Aktionen ausführen. Der Kriegsherr kann z.B. nicht erbauen, der Scheich nicht rekrutieren. Findet man sich in seiner Rolle zurecht, macht das auch alles wunderbar Sinn!

 

Da es sich um ein Gebietskontrollspiel handelt, drehen sich die meisten Aktionen darum sich in der Landschaft auszubreiten. Jede Fraktion hat hier unterschiedliche Möglichkeiten. Um die Asymmetrie zu verstärken, gibt es verschiedene Formen von „Gebietskontrolle“ und bestimmte Einheiten verschiedener Fraktionen können auch friedlich auf demselben Terrain koexistieren (und sogar voneinander profitieren). Im Schein des Sichelmonds unterscheidet Präsenz („habe irgendetwas auf dem Terrain“), Kontrolle („habe Truppen oder Befestigungen auf dem Terrain“; Kontrolle kann immer nur eine Fraktion haben!) und Einfluss („habe ein Einflussplättchen auf dem Terrain“; auch Einfluss kann immer nur eine Fraktion haben!). Der Kriegsherr will meist Kontrolle, während der Scheich mehr von Einfluss profitiert. Nun aber zu den Aktionen.

 

Über „Beeinflussen“ darfst Du ein Einflussplättchen auf ein Terrain legen, das von einem Terrain aus erreichbar ist, auf dem Du Präsenz hast. Das geht nur, wenn keine andere Fraktion bereits Einfluss auf diesem Terrain hat. Der Scheich hat hier einige Vorteile, denn er kommt Dir selbst dann in die Quere, wenn er Einfluss auf einem anderen erreichbaren Terrain hat, quasi zwei Felder weiter von dem Feld, auf dem Du Präsenz hast, wenn man so will. Dennoch kannst Du in jedem Fall einen Wettstreit um den Einfluss auf dem jeweiligen Terrain starten. Am Wettstreit können verschiedene Fraktionen teilnehmen, abhängig von der Spielsituation. Er verläuft über sieben Phasen, in denen Bündnisse geschmiedet, Machtkarten gespielt und am Ende der Einfluss ausgewertet wird, sodass ein klarer Sieger hervorgeht, der von nun an Einfluss über das Terrain hat.

 

Über „Angreifen“ kann eine beliebige Anzahl Truppen von einem Terrain auf ein erreichbares Terrain bewegt werden. Wenn sich dieses Terrain unter feindlicher Kontrolle befindet, wird ein Kampf ausgelöst. Kämpfe folgen einem ähnlichen Ablauf wie Wettstreits, es gibt acht Phasen. Auch hier können mehrere Fraktionen involviert sein, weil der Scheich auch über seinen Einfluss in den Konflikt eingreifen kann. Am Ende eines Kampfes können feindliche Stützpunkte und Burgen entweder eingenommen (ersetze sie durch die entsprechende Einheit deiner Fraktion) oder geplündert werden (erhalte Gold und als Kriegsherr direkt Mondpunkte, entferne dann Stützpunkt/Burg ersatzlos). Kämpfe sind sehr strategisch, denn letztlich entscheidet die militärische Stärke über Sieg oder Niederlage, also die Summe aus Truppen, Stützpunkten, Burgen und gespielten Machtkarten. Es gibt übrigens Machtkarten verschiedener Kategorien. Effekte von „Charakteren“ können während des Kampfes durch die Machtkarte „Ermorden“ aus dem Spiel genommen werden, sodass die Machtkarten hier eine entscheidende Rolle spielen können. Das ist letztlich die Unbekannte in der Gleichung.

 

Eine weitere Aktion ist das „Erbauen“, um Stützpunkte und Burgen zu errichten. Hier hat der Sultan einen großen Vorteil, er kann drei Befestigungen erbauen statt nur zwei und kann zusätzlich Dörfer und Städte errichten, die Einkommen generieren. Der Kriegsherr hat diese Aktion gar nicht zur Verfügung. Kosten und Voraussetzungen sind ebenfalls Fraktions-abhängig.

 

Mit „Bewegen“ lassen sich Truppen von einem Terrain zu einem erreichbaren Terrain bewegen, das nicht unter fremder Kontrolle steht (andernfalls wäre die korrekte Aktion „Angreifen“). Mit „Rekrutieren“ lassen sich Truppen von der Reservekarte (hier gibt es während des upkeeps unter Umständen regelmäßig Nachschub) der eigenen Fraktion auf Terrains verteilen, die nicht unter fremder Kontrolle stehen. Dies können nur Kalif, Kriegsherr und Nomade. Es gibt auch verschiedene Voraussetzungen für diese Aktion, je nach Fraktion und es müssen im Spielverlauf Soldaten und Söldner voneinander unterschieden werden. Im Spiel zu viert gibt es die Aktion „Söldner anwerben“, wodurch man für 2 bzw. 6 Dinar einen oder zwei Söldner aus dem Vorrat platzieren kann. Im Spiel zu fünft wird diese Aktion durch zwei andere Aktionen ersetzt, die es erlauben mit dem Nomaden zu interagieren und von diesem Söldner zu erhalten („Söldner bestechen“ und „Söldner anwerben“).

 

Mit der Aktion „Machtkarten kaufen“ darf man beliebig viele Machtkarten aus der Marktauslage kaufen, solange man die Kosten bezahlen kann. Das Interessante hier: alle Machtkarten sind den verschiedenen Fraktionen zugeordnet und die Kosten werden an die entsprechende Fraktion bezahlt. Tatsächlich ist die Anzahl der Machtkarten jeder Fraktion ungleichmäßig verteilt, was mit dem Einfluss der verschiedenen Fraktionen übereinstimmt und dafür sorgt, dass auch während des Spiels der Geldfluss asymmetrisch bleibt. Kaufst Du eine Machtkarte deiner Fraktion, zahlst du nur die Hälfte. Mit derselben Aktion kannst Du auch mit dem Sultan über Machtkarten auf dem Markt des Sultans feilschen. Der Sultan darf diese Karten gratis nehmen. Zuletzt lassen sich Machtkarten mit den Stichworten „Aktion“ und „Jederzeit“ über die Aktion „Machtkarten ausspielen“ spielen und abhandeln. Und der Vollständigkeit halber: Die Aktion „Sammeln“ erlaubt es dir 1 Dinar zu erhalten.

 

Zuletzt noch ein paar Worte zu den Wertungen. Am Ende eines jeden Jahres, wenn also jede Fraktion ihre 4 Aktionen ausgeführt hat, erfolgt eine Wertung. Jede Fraktion hat unterschiedliche Bedingungen, um Siegpunkte zu erhalten. Als kleine Hilfestellung gibt es sogar Fraktions-spezifische Ziele für das 1. Jahr, welche extra Siegpunkte in der ersten Wertung einbringen. So muss der Scheich nach Ablauf des ersten Jahres Einfluss auf einem Terrain mit fremder Siedlung haben oder der Kriegsherr 4 Truppen in einer Landschaft. Unabhängig vom „Ziel des 1. Jahres“ gibt es Mondpunkte am Ende jeden Jahres für dieselben, meist 3-5 primären Ziele und 3 sekundären Ziele, die aber für jede Fraktion anders sind. Das könnte so etwas sein wie „habe Kontrolle über eine Kette von mindestens 4 erreichbaren Terrains“ (Kriegsherr) oder „habe Einfluss auf das Heiligtum“ (Scheich) oder „habe mind. 5 Siedlungen/Befestigungen in beliebiger Kombination in der Landschaft“ (Sultan). Diese Beispiele sind jeweils 4 Mondpunkte wert. Der Kriegsherr ist eine Ausnahme und bekommt auch während der Aktionsphase direkt Siegpunkte für das Plündern von Befestigungen oder Siedlungen. Der Nomade nutzt bei der Wertung beliebig viele Dinare, um sie in Mondpunkte einzutauschen – er muss also während der Aktionsphase seine Söldner gewinnbringend an den Mann gebracht haben.

 

Bildergalerie von Im Schein des Sichelmonds (14 Bilder)

Spielmaterial

 

  • Marktauslage mit Ferner Markt, Mittlerer Markt, Naher Markt und Markt des Sultans
  • 66 Dinare (45x 1, 21x 5)
  • 1 Sonnenmarker
  • 2 Leistenmarker
  • 81 Monde (25x 1, 25x 3, 21x 5, 10x 10)
  • 1 Phasenleiste
  • 1 Zeitleiste
  • 16 Terrains
  • 69 Machtkarten
  • 5 Kampfübersichten
  • 5 Einflussübersichten

 

Material der Fraktionen:


  • 5 Beutel
  • 5 Rollenbeschreibungen
  • 3 Reservekarten (1x Kalif, 1x Nomade, 1x Kriegsherr)
  • 42 Einflussplättchen (6x Kriegsherr, 12x Scheich, 8x Sultan, 8x Kalif, 8x Nomade)
  • 15 Burgen (2x Kriegsherr, 3x Scheich, 3x Sultan, 4x Kalif, 3x Nomade)
  • 32 Stützpunkte (4x Kriegsherr, 6x Scheich, 8x Sultan, 8x Kalif, 6x Nomade)
  • 60 Truppen (24x Kriegsherr, 6x Scheich, 6x Sultan, 12x Kalif, 12x Nomade)
  • 6 Dörfer und 5 Städte des Sultans
  • 1 Palast des Kalifen

 

 

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Cover & Bilder © Cover: Giant Roc/Ospey Games / Bilder im Artikel und Teaserbild: www.sofahelden.de


Das Fazit von: 2-PL4Y3R5

2-PL4Y3R5

Spielspaß: Disclaimer, die Bewertung eines Spiels ist uns noch nie so schwergefallen. Im Schein des Sichelmonds ist speziell, und man muss definitiv wissen, worauf man sich einlässt. Der Spielspaß jedes Einzelnen ist davon abhängig, ob man sich in seiner Rolle zurechtfindet und dann auch wohlfühlt. Der Kriegsherr muss kämpfen, und das muss man mögen. Der Scheich muss verhandeln, d.h. mit anderen am Tisch reden! Und das muss man mögen. Wenn das alles passt, wunderbar. Denn das, was Im Schein des Sichelmonds sein möchte, ist es auch: Ein sehr asymmetrisches Spiel, in dem verschiedene Fraktionen um Macht und Einfluss in verschiedenen Gebieten kämpfen, dabei auch voneinander abhängig sind und dadurch Interaktionen und Gespräche sehr wichtig werden. Vom reinen Spielspaß her hätten wir Im Schein des Sichelmonds also auch eher eine 8er Wertung verpasst – wobei der Spielspaß auch maßgeblich von der Gruppe abhängig ist, wegen der hohen Interaktion; d.h. wird eine Rolle schlecht gespielt, führt dies unabdingbar zum Nachteil oder Vorteil für andere Rollen, was natürlich dann die Freude drückt. Die finale Wertung haben wir tatsächlich etwas nach unten korrigiert, und zwar wegen der Regel und der Wiederspielbarkeit. Beides ist unten näher erläutert. Aber das heißt auch: Wenn das alles für dich keine Rolle spielt und Du eine passende Gruppe an der Hand hast, hältst Du mit Im Schein des Sichelmonds ein gutes Spiel in den Händen, das Dir sicher viel Freude bereiten wird. Und im Allgemeinen würden wir jedem Vielspieler empfehlen dieses Spiel mindestens einmal ausprobiert zu haben, denn es gibt wirklich nichts vergleichbares, sodass man durchaus von einer einmaligen Spielerfahrung reden kann.

 

Balancing/Glücksfaktor: Der Glücksfaktor ist relativ gering und kommt eigentlich nur bei Kämpfen und Wettstreiten zum Tragen, wenn Machtkarten verdeckt gespielt werden. Das Spielgeschehen ist abhängig vom Verhandlungsgeschick mit anderen am Tisch. Darüber hinaus handelt es sich um ein reines Strategiespiel. Planung und Voraussicht sind gefragt.

 

Zum Thema Balancing: Jede Fraktion hat Aktionsmöglichkeiten, die nur ihr zur Verfügung stehen. Zudem sind einige Basis-Aktionen für bestimmte Fraktionen mit weniger Kosten verbunden oder verstärkt. Manche Aktionen stehen bestimmten Fraktionen gar nicht zur Verfügung. So kann der Kriegsherr nicht erbauen und der Scheich nicht rekrutieren. Zu den unterschiedlichen Fähigkeiten der Fraktionen kommen auch unterschiedliche Bedingungen dazu, wie diese Mondpunkte erhalten. Das macht thematisch auch sehr viel Sinn so. Und es war sicher nicht leicht bei diesem Grad der Asymmetrie balance und fairness zu optimieren. In unseren Partien war immer eine der kriegstreibenden Fraktionen – Kriegsherr oder Kalif – siegreich. Wobei wir dazusagen müssen, dass wir in unterschiedlichen Gruppen gespielt haben und selbst immer dieselbe Fraktion, Kriegsherr und Kalif eingenommen haben. Insgesamt lagen die Fraktionen punktetechnisch auch nicht sehr weit auseinander, sodass wir Im Schein des Sichelmonds bezüglich balancing durchaus ein Lob aussprechen würden. Die Verhandlungen am Tisch tragen dazu bei, dass sich das System selbstreguliert, wobei die Mondpunkte verdeckt sind und nicht immer klar ist wer führt und wie man sich sinnvoll zusammentut.

 

Komplexität/Regeln: Es handelt sich hier ganz klar um ein Expertenspiel mit relativ hoher Einstiegshürde. Einerseits sorgt die Asymmetrie der Fraktionen dafür, dass sich jeder Spieler wirklich tief mit seiner Fraktion und möglichen, sinnvollen Strategien auseinandersetzen muss. Erst am Ende unserer Erstpartie wurde uns klar, wie die jeweilige Fraktion zu spielen sein könnte. Um wirklich ernsthaft spielen zu können ist auch ein guter Blick auf die Ziele der anderen Fraktionen und deren Fortschritte nötig. Alles im Blick zu behalten kann aber sehr anstrengend sein; Tatsächlich haben wir das in unseren Partien auch nicht getan, weshalb der Sieger meist für alle am Tisch überraschend war (sogar für den Sieger selbst).

 

Zweitens ist es uns schwer gefallen sich die Regeln zu merken. In der Erstpartie mussten wir kontinuierlich im Regelwerk nachschlagen. Wir haben nach unseren Partien am Tisch darüber geredet und wir waren uns einig; der Grund dafür sind nicht übermäßig komplexe Regeln. Die Regel selbst ist mit 24 Seiten relativ kurz und mit schönen langen Beispielen für Kampf und Wettstreit versehen. Auch bekommt jede Fraktion einen 4-seitigen Übersichtsbogen, in dem alle Besonderheiten erklärt sind; wobei diese tatsächlich wesentliche Informationen enthalten, die so in der Regel selbst nicht stehen; also am besten alles lesen! Für uns war eher das Problem, dass jede Fraktion seine Besonderheiten hatte, aber es wurde versucht alles mit denselben Keywords einheitlich zu referenzieren; Beispiel einer anfänglichen Verwirrung: Nur der Sultan hat Städte und Dörfer (zusammen: Siedlungen), sie bringen laut Anleitung „Präsenz“, aber keine „Kontrolle“ oder „Einfluss“ auf dem entsprechenden Terrain. Während eines Wettstreits dagegen bringen Siedlungen Einfluss (konkret: ziviler Einfluss), offensichtlich ein anderer Einfluss, aber dennoch als „Einfluss“ in diesem Kontext benannt. In Bezug auf die Regeln müssen wir darüber hinaus Kritik ans Lektorat weitergeben. Positiv: Die Struktur der Anleitung ist super, und man findet direkt, wenn man etwas bestimmtes sucht. Negativ: Leider ist die Anleitung grammatikalisch kein Meisterwerk und es gab auch andere Auffälligkeiten in der aktuellen Regel-Version 1.6 („des Sch Scheichs eichs“).

 

Spielerinteraktion/Spieleranzahl: Die Spielerinteraktion ist riesig. Absprachen und Verhandlungen sind an der Tagesordnung! Ehrlich gesagt ist uns nicht klar gewesen wie viele Absprachen erlaubt sind und auch nicht, ob diese bindend sind, weil Hinweise in der Regel dazu fehlen. Vor einem Kampf mal kurz um die Gunst des Scheichs buhlen (dieser kann durch seinen Einfluss Angreifer oder Verteidiger unterstützen) oder vorab mit dem Sultan klären, ob man am Sultan Markt eine heiß begehrte Machtkarte erhalten kann. Heißt auch, so etwas muss man mögen und still vor sich her spielen ist hier nicht. Nicht zuletzt geht es um Gebietskontrolle auf verschiedenen Ebenen, vor allem um Kontrolle und Einfluss, aber auch unabhängig davon um Präsenz (Siedlungen des Sultans). Sind dadurch Auseinandersetzungen vorprogrammiert? Ja, aber dadurch, dass jede Fraktion andere Siegpunkte Bedingungen hat, wird dies etwas entschärft und Absprachen und Verhandlungen werden weiter gefördert. Beispiel, der Scheich zum Kalifen: Ich benötige Einfluss in dem Gebiet, bitte übernimm die Kontrolle und verteidige es für mich vor den Truppen des Kriegsherrn! Ich unterstütze dich dafür im Kampf!

 

Im Schein des Sichelmonds funktioniert gut zu viert. Aber der Nomade als fünfter Spieler sorgt dafür, dass Sultan und Scheich nur über Verhandlung mit dem Nomaden an Truppen kommen. Zu viert kann jede Fraktion Truppen einfach „kaufen“. Durch den Nomaden werden Truppenstärken, insbesondere von Sultan und Scheich nochmal reguliert (Kriegsherr und Kalif kommen über andere Wege an Truppen), sodass der Kampf Aspekt mehr Potential für Bündnisse liefert! Aber es ist kein muss zu fünft zu spielen. Zu viert fehlt lediglich ein Verhandlungselement, wodurch Im Schein des Sichelmonds evtl. weniger rund wirkt. Aber zu viert hat es uns dennoch Spaß bereitet.

 

Spieldauer: Tatsächlich hat unsere Erstpartie zu viert wegen Regelunklarheiten sowie Unsicherheiten bzgl. idealer Strategien ganze 5 Stunden gedauert, obwohl sich jeder zuvor vorbereitet hatte, also die Regeln und eigenen Rollen gelesen wurden und wir ein kurzes Spiel über 3 Jahre wählten. Die zweite Partie dagegen in einer anderen Gruppe, ebenfalls 3 Jahre, war in 2 Stunden beendet. Insgesamt sind die Aktionen relativ schnell durchgeführt, und abhängig von der Intensität der Verhandlungen kann man Im Schein des Sichelmonds also auch relativ schnell spielen. Auf der anderen Seite lebt das Spiel unserer Meinung nach von der Immersion und den „Zwischenspielen“ und es macht besonders Spaß sich in seine Rolle einzufühlen und ein bisschen Storytelling zu betreiben. Im Schein des Sichelmonds will also eigentlich nicht schnell runtergespielt werden, unserer Meinung nach. Und man sollte sich wirklich darauf einstimmen einen ganzen Abend mit diesem Spiel zu verbringen.

 

Wiederspielbarkeit: Auf der einen Seite sollte man eine Fraktion zwei bis dreimal gespielt haben, um eine gute Idee davon zu bekommen, wie sie funktioniert und ein wenig zu optimieren. Dann gibt es natürlich die fünf Fraktionen. Und es gibt jeweils fünf Landschaften für 4- und 5-Spieler Partien, also mehrere Möglichkeiten die Terrains anzuordnen. All das bringt natürlich viel Variabilität.

 

Auf der anderen Seite befürchten wir, dass jedes Spiel irgendwie sehr ähnlich verläuft. In unseren Partien war das so, trotz unterschiedlichen Mitspielern. Einfach dadurch, dass natürlich jede Fraktion sehr konkrete Ziele hat, die ihr Mondpunkte einbringen. Auch sind die Handlungsmöglichkeiten jeder Fraktion eingeschränkt, sodass eigentlich gewisse Strategien vorgegeben sind. Das Spiel lebt durch den allgegenwertigen Konflikt zwischen den Fraktionen, aber gesamtheitlich verlief dieser irgendwie immer gleich: Der Sultan breitet sich zunächst schnell aus, da er leicht erbauen kann und mit viel Dinaren startet. Der Kalif und der Kriegsherr gehen sich aus dem Weg und bauen langsam Kampfstärke auf oder es kommt zu einem frühen Konflikt. Der Scheich hilft entweder Sultan oder Kriegsherr gegen Mondpunkte, denn der Konflikt Kriegsherr vs. Sultan ist vorprogrammiert. Am Ende wird der Sultan vom Kriegsherrn oder Kalif dezimiert, denn beide brauchen Kontrolle oder Plünderung für Mondpunkte. Klar, Einzelentscheidungen variieren, aber im Großen und Ganzen wiederholt sich die Art der Interaktion und die sich entwickelnden „diplomatischen Beziehungen“. Vielleicht ist das so gedacht und gewollt, weil natürlich jede Rolle eben konkrete Ziele hat und jede andere Rolle eben entweder geeigneter oder weniger gut geeigneter Verbündeter ist. Vielleicht haben wir aber auch nicht häufig genug gespielt, um hier auf andere Ideen zu kommen.

 

Ein weiteres Kontra, was Wiederspielbarkeit angeht ist die Kombination aus der hohen Einstiegshürde für neue Spieler, der doch relativ hohen Spieldauer und der Tatsache, dass man eigentlich mehrere Partien in denselben Rollen und derselben Gruppe spielen sollte, um das Spiel wirklich ‚richtig‘ zu spielen. Und wie oft bekommt man dieselben 4-5 Personen für einen ganzen Abend an den Tisch? Zuletzt aber nochmal der Hinweis, dass dies natürlich eine sehr subjektive Einschätzung darstellt und wir trotz der Kritikpunkte Im Schein des Sichelmonds für ein sehr besonderes Spiel halten, das Vielspieler unbedingt einmal ausprobiert haben sollten!


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