Titane

Titane

Originaltitel: Titane
Genre: Fantasy • Drama
Regie: Julia Ducournau
Hauptdarsteller: Agathe Rousselle • Vincent Lindon
Laufzeit: DVD (103 Min) • BD (108 Min)
Label: Koch Films GmbH
FSK 16

Titane   23.01.2022 von MarS

Das französische Fantasy-Drama Titane ist nicht nur Gewinner der Goldenen Palme der 74. Internationalen Filmfestspiele in Cannes, sondern auch Frankreichs Kandidat für den besten internationalen Film bei der Oscarverleihung 2022. Doch sind die Vorschusslorbeeren tatsächlich gerechtfertigt...?

 

Inhalt

 

Seit einem schweren Autounfall in ihrer Kindheit trägt Alexia (Agathe Rousselle) eine Titanplatte in ihrem Kopf. Zwar kann Alexia damit ein normales Leben führen, doch schon kurz nach ihrer Operation hat sie ein seltsames Verlangen nach Fahrzeugen entwickelt, weshalb sie inzwischen als erotische Tänzerin auf Autoshows arbeitet. Zudem reagiert zu unberechenbar und aggressiv, sobald sie bedrängt wird, wodurch sie im Affekt bereits mehrere Menschen ermordet hat. Als sie nach einer Show mit einem Cadillac Sex hat, wird Alexia plötzlich schwanger, und weitere Morde zwingen sie dazu, endgültig ihr Elternhaus zu verlassen. Um ihrem bisherigen Leben zu entkommen, schlüpft Alexia in die Rolle des vor zehn Jahren verschwundenen Adrien, und nistet sich kurzerhand bei dessen Vater Vincent (Vincent Lindon) ein. Der Feuerwehrkommandant empfängt seinen verlorenen Sohn mit offenen Armen, doch für die schwangere Alexia wird es mit der Zeit immer schwerer, ihre wahre Identität zu verheimlichen. Während die übrigen Feuerwehrmänner langsam Verdacht schöpfen, weigert sich Vincent allerdings strikt, die Wahrheit zu erkennen und damit seinen Sohn noch ein weiteres Mal zu verlieren...

 

Bereits mit ihrem kontroversen Debütfilm Raw hatte die französische Regisseurin Julia Ducournau das Publikum polarisiert, nun setzt sie mit Titane zum nächsten Schlag in die Magengrube an - und liefert dabei gleichzeitig erneut einen Film, der es dem Zuschauer alles andere als leicht macht, und sich von üblichen Sehgewohnheiten bewusst und mit voller Wucht distanziert. Zusätzlich verstärkt wird dieser Eindruck, da sich Titane in keines der gängigen Genres einordnen lässt. Wuchtige, intensive Bilder sowie die grundsätzlich bizarre Geschichte bilden eine im Arthouse-Bereich angesiedelte Grundlage, es gibt Splatter- und Bodyhorror-Elemente, genauso aber auch ein emotionales Familiendrama. Zudem verzichtet Titane auf eine Identifikationsfigur. Man spürt zwar den Schmerz, der sich als tragendes Element durch alle Bereiche der Erzählung zieht, ebenso wie man die bedingungslose Liebe wahrnimmt, die der Vater seinem verlorenen Sohn entgegenbringt, eine Verbindung zu einer der Figuren wird aber zu keinem Zeitpunkt hergestellt. Als Außenstehender, Fremder, verfolgt man einen brutalen Leidensweg, an dessen Ende eine vermeintliche Erlösung lockt, die wiederum erneut den stetigen Schmerz und die wahrhaftige Liebe aufgreift, dabei aber nur ein Minimum an Hoffnung oder Freude aufkommen lässt. Das alles gelingt Ducournau alleine durch visuelle und akustische Reize, ohne dabei nennenswert auf Dialoge zu setzen. Ganz im Gegenteil, denn gerade Alexia/Adrien spricht lange Zeit kein einziges Wort, und sorgt alleine durch Mimik und Gestik doch in jeder Szene dafür, dass jedes noch so kleine Gefühl sicht- und spürbar wird. Ein großes Lob an dieser Stelle an Agathe Rousselle, die hier ihr Kino- und Spielfilmdebüt ablegt. Dennoch bleibt man stets auf einer gewissen Distanz, betrachtet das Geschehen von außen, und bekommt nur wenig greifbare Informationen geliefert. Doch Titane will den Zuschauer auch überhaupt nicht zufriedenstellen, will nicht alle Fragen bis ins Detail beantworten. Vielmehr löst sich Titane mit konkreter Absicht von allem, was man für gewöhnlich hält, stellt gängige Geschlechterrollen nicht nur in Frage, sondern führt diese ad absurdum, sexualisiert Lebensbereiche, in denen Sexualität eigentlich nicht angedacht ist, findet Liebe und Zuneigung, wo man sie nicht erwartet, und stellt als Gesamtkonstrukt auf diese Weise einfach alles auf den Kopf, was man für selbstverständlich hält. Und innerhalb all dieses methodischen Chaos ist es der Schmerz einer fremden, beinahe unwirklich erscheinenden jungen Frau, der seine Spuren hinterlässt, während man die Tragik ihrer Geschichte beinahe am eigenen Körper spüren kann.

 

Bildergalerie von Titane (4 Bilder)

Details der Blu-ray

 

Trotz zahlreicher stilmittelgeprägter Szenen zeigt sich das Bild der Blu-ray sehr scharf, sauber und detailreich. Farben werden absichtlich leicht übersteuert, das Kontrastverhältnis hingegen ist eher zurückhaltend eingestellt. Die Tonspur erweist sich als äußerst dynamisch und sehr ansprechend ausbalanciert. Der treibende Score wird kraftvoll und mit viel Druck wiedergegeben, während sich das Geschehen durch sauber platzierte Umgebungsgeräusche und Effekte sehr schön in den Raum öffnet. Die Sprachausgabe ist stets sauber ortbar und verständlich.



Cover & Bilder © Koch Films GmbH / © Carole Bethuel


Das Fazit von: MarS

MarS

 

Titane ist ein bizarres Kunstwerk, dessen stetiger Kontrast zwischen Aggression und Hingabe, Schmerz und bedingungsloser Liebe, Gewalt und Sexualität, absolut polarisierend wirkt. Julia Ducournaus Werk hinterlässt einen schweren Kloß im Hals, schert sich nicht um die Zufriedenheit oder Gefühle des Zuschauers. Stattdessen zeigt Titane das Trümmerfeld eines tragischen Lebens in all seiner schmerzhaften Intensität, bei dem man seinen Blick trotz der bizarren und beinahe surrealen Bilder einfach nicht abwenden kann. Ganz klar ein Festival-Film, der die breite Masse mit brachialer Wucht vor den Kopf schlägt, und im Mainstream-Kino wohl keine Anhänger finden wird.


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