Crimes of the Future

Crimes of the Future

Originaltitel: Crimes of the Future
Genre: SciFi-Horror
Regie: David Cronenberg
Hauptdarsteller: Viggo Mortensen
Laufzeit: DVD (104 Min) • BD (108 Min)
Label: Weltkino Filmverleih
FSK 16

Crimes of the Future   11.03.2023 von Dan DeMento

Der König des Bodyhorror ist zurück! Stolze acht Jahre nach Maps to the Stars legt David Cronenberg ein neues Werk mit altem Namen vor - Crimes of the Future. Und nicht nur in Sachen Titelgebung besinnt Cronenberg sich damit wieder auf sein Frühwerk. Wir haben einen höchst interessierten Blick auf den Sci-Fi-Horror mit Viggo Mortensen, Léa Seydoux und Kristen Stewart geworfen!
 
Inhalt:

Ein paar Jahre in der Zukunft hat die Menschheit sich weiterentwickelt - nur leider nicht zum Positiven. Unser Umgang mit unseren Mitmenschen und der Natur ist noch genauso fatal, dafür wachsen einigen Menschen neuerdings zusätzliche Organe, teilweise ohne bekannte Funktion. Mit den Veränderungen am eigenen Körper wächst auch das Interesse daran - nicht nur kann jeder Operation am heimischen Schreibtisch durchführen, auch die Kunstszene hat den Bereich für sich entdeckt. Der größte Star der Szene ist Saul Tenser (Viggo Mortensen), der sich zusammen mit seiner Performance- und Bettpartnerin Caprice (Léa Seydoux) seine neu gewachsenen Organe öffentlichkeitswirksam wieder herausschneiden lässt. Als nach einer ihrer Performanes der zwielichtige Lang Daughtery (Scott Speedman) auf Saul zukommt und ihm die Leiche seines achtjährigen Sohnes für eine Performance anbietet, laufen Saul und Caprice Gefahr, sich noch mehr zwischen die Fronten zu begeben. Denn so sehr die Gruppe, die sich hinter Daughtery formiert hat, eine unbequeme Wahrheit ans Licht bringen will, so sehr versucht eine unbekannte Macht, genau das zu verhindern.
 
"Operationen sind der neue Sex" - Das ist nicht nur ein wörtliches Zitat aus Crimes of the Future, sondern fasst dessen Ästhetik auch perfekt zusammen. Und damit kehrt David Cronenberg, nachdem er sich in den letzten knapp zwei Jahrzehnten mit Filmen wie A History of Violence oder Maps to the Stars eher - aber ebenfalls sehr erfolgreich - in dramatischen Gefilden ausgetobt hat - wieder zu dem zurück, was ihn einst auf seinen Thron hob: Sci-Fi-Body-Horror in einer Anmutung, die eigentlich sofort klar macht, wer hier auf dem Regiestuhl sitzt. 
 
Crimes of the Future erinnert in seinen guten Momenten extrem an den 1999er Szene-Klassiker eXistenZ, kommt aber deutlich düsterer daher. Wir sehen Wohnungen, deren organisch-mechanische Inneneinrichtung beim Essen oder Schlafen hilft, Schmuckstücke, die auffällig an Wirbelsäulen, Fernsteuerungen, die auffällig an lebende Amphibien erinnern, und Künstler, die am ganzen Körper mit Ohren bedeckt sind. Also alles wie gehabt, keine neuen Ideen? Ganz im Gegenteil, denn in Crimes of the Future, sauber eingebettet in all dem Ekel, dem Blut und der Perversion der Menschen, versteckt sich eine Geschichte über Liebe, Emanzipation und Eifersucht, hervorragend getragen (vor allem) von seinen beiden Hauptdarstellern.
 
Während Viggo Mortensen kein neues Gesicht ist, sondern bereits in A History of Violence, Eastern Promises und Eine dunkle Begierde mit Cronenberg arbeitete, feiert die Französin Léa Seydoux hier ihren Einstand, und das tut sie extrem gut. Vielleicht auch durch ihre Frisur, vor allem aber durch ihr Spiel wirkt sie in Crimes of the Future problemlos zehn Jahre älter als im nur ein Jahr früher erschienenen Bond-Quasi-Finale Keine Zeit zu sterben. Das ist aber keineswegs negativ zu verstehen, sondern macht sie in ihrer Konsequenz und ihrem Selbstbewusstsein zu einer absolut ebenbürtigen Partnerin für Mortensen, dem man seinerseits den charismatischen, aber im eigenen permanenten Schmerz gefangenen Künstler zu jeder Zeit vollkommen abnimmt.
 
Eine kleine Überraschung im Cast ist Kristen Stewart, der man ja nun nicht gerade eine hohen Emotionalität in ihrem Spiel nachsagt. Hier schafft sie es aber, in ihrer verhältnismäßig kleinen Rolle mehr zu zeigen als in so manchem ganzen Franchise. Insgesamt ist die Besetzung sehr gelungen, von Scott Speedman, den Genre-Freunde sicher noch aus Underworld kennen, bis zu Don McKellar, der nicht nur ebenfalls ein aus eXistenZ bekanntes Gesicht ist, sondern auch in dem leider viel zu wenig bekannten The Middle Man großartige Arbeit geleistet hat.
 
Doch wo Licht ist, ist - meistens - auch Schatten, und Schatten gibt es auch in Crimes of the Future. Und es ist der Nachteil, der schon einige ähnliche Machwerke ereilt hat, das bekannte "zu viel wollen". Der Film erschafft uns in recht kurzweiligen 108 Minuten eine dystopische Zukunft, wie zwar bei Gott nicht das Rad neu erfindet, sich aber in ihren Feinheiten doch von allem unterscheidet, was man bis dahin gesehen hat. Und wie so oft in solchen Werken ist nicht alles, wie es scheint. Während die Analogie auf die Kunst und deren Grenzen und damit selbstverständlich auch auf Cronenbergs eigenes - und stetig von Zensur und Kritik begleitetes - Schaffen sehr eindeutig ist, verhält es sich mit der Kritik an Bürokratie und Gesetzgebung ein wenig anders. Zwar ist auch das nicht wirklich dezent, aber rein in Bezug auf die Filmhandlung einfach zu kompliziert und verworren. Da gibt es einfach zu viele Behörden, Registraturen, Tätowierungen und verdeckte Ermittlungen, um noch wirklich durchblicken zu können. Ein bis vier Handlungsstränge könnte man ersatzlos streichen und Crimes of the Future würde dadurch nichts verlieren, aber viel gewinnen.
 
Aber trotzdem ist Crimes of the Future eine gelungene Rückbesinnung aufs eigene Frühwerk, eine schön erzählte Dystopie und vor allem ein dicht und atmosphärisch erzählter Film zwischen SciFi, Drama und Horror, der zwar vielleicht nicht das Zeug zum Klassiker hat, mit dem Fans der Materie aber auf keinen Fall etwas falsch machen.
 

Bildergalerie von Crimes of the Future (3 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Trotz 5.1 Tonspur kommt der Sound ein wenig dünn aus den Boxen, und das gilt interessanterweise sowohl für die deutsche, wie auch die Originalfassung. Sobald man sich daran aber gewöhnt hat, steht dem Filmgenuss nichts im Wege, denn es ist alles ordentlich abgemischt und gut verständlich. Das Bild ist klar, scharf und störungsfrei, das 16:9-Format impliziert zwar mehr TV- als Kino-Bild, aber auch das vergisst man schnell. Angenehm ist das mit unter anderem vielen Interviews und einem Making of sehr reichhaltige Bonusmaterial.


Cover & Bilder © LEONINE Distribution GmbH - Alle Rechte vorbehalten.


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Er kann es immer noch! Die Hochzeit des Bodyhorror waren die 80er Jahre, mit Scanners, Die Fliege und Videodrome machte David Cronenberg sich unsterblich, und es mag ein wenig Berechnung dahinter gesteckt haben, als er sich mit Beginn des neuen Jahrtausends und dem Verblassen dieses Subgenres anderen Stoffen zuwendete. Zum Glück, möchte man sagen, gäbe es solche Meilensteine wie A History of Violence oder Maps to the Stars sonst nicht. Doch mit Crimes of the Future legt er einen soliden, toll besetzten und schön gefilmten Streifen aufs Tablett, der auch 1986 schon funktioniert hätte, und es vermutlich auch 2086 noch tun würde - wenn bis dahin die Realität nicht längst jede Dystopie naiv erscheinen lässt. Cronenberg-Jünger und Bodyhorror-Fans tun es sowieso, doch auch alle anderen, die mit ein wenig Blut und gepflegtem Wahnsinn umzugehen wissen, sollten hier einen Blick riskieren!


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