Cry-Baby
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BEWERTUNG |
15.08.2020 von Dan DeMento
Für unsere Generation ist eine Filmlandschaft ohne Johnny Depp wohl nicht mehr vorstellbar. 1990, kurz nachdem er mit 21 Jump Street über Nacht zum Star wurde und kurz bevor er mit Gilbert Grape und Dead Man den Wandel zum Charakterdarsteller anstrebte, bescherte "Pope of Trash" John Waters uns noch Cry-Baby. Zum 30. Geburtstag erscheint dieser jetzt in einer Neuauflage auf Blu-ray. Fast vergessener Klassiker oder Grease in noch schlechter? Seht selbst!
Inhalt:
Baltimore im Jahre 1951: Die Highschool ist ein hartes Pflaster, und Wade Walker alias Cry-Baby (Johnny Depp) ist der Coolste auf der Schule. Er ist der Anführer der gefährlichen "Drapes" und der Schwarm aller Frauen. Das bleibt auch der hübschen Allison (Amy Locane) nicht verborgen. Das Problem ist, sie kommt aus gutem Hause und gehört zu den schicken "Squares". Als sie Cry-Baby schließlich ihr Herz schenkt, beginnt eine gewaltige Schlacht zwischen den beiden Gangs, die die Drapes vor Gericht und Cry-Baby ins Gefängnis bringt. Aber die Drapes wären nicht die härteste Gang Baltimores, wenn sie ihren Anführer da nicht rausholen würden!
Auch wenn es in den letzten Jahren sehr ruhig um Regisseur John Waters geworden ist, den Titel „The Pope of Trash“, den er mit Stolz trägt, wird ihm wohl keiner mehr nehmen können. Sein Frühwerk, mit dem er die Dragqueen Divine zum Underground-Star machte, weist einige der kontroversesten und ekelhaftesten Szenen der damaligen Zeit auf. Später - und mit zunehmendem Erfolg - wurde Waters ruhiger, und spätestens nach dem Tod seiner Muse Divine 1988 wandte er sich endgültig dem Mainstream zu.
So ist von Sex oder Ekel - bis auf den wohl widerlichsten Kuss der Filmgeschichte - in Cry-Baby nicht mehr viel zu spüren, was von John Waters Handschrift aber blieb, war der Hang zur völligen Übertreibung. Kein Klischee der - vermeintlichen - 50er Jahre wird ausgelassen. Gegen dieses Machwerk wirken Grease oder Eis am Stiel wie graue Dokumentationen. Jede Szene, jede Figur, jeder Satz ist so übertrieben, so absurd und so saukomisch, dass man sich fragt, wie viele Anläufe die Darsteller wohl benötigt haben, um diesen ganzen Wahnsinn mit der Ernsthaftigkeit zu spielen, mit der sie es tun. Alles ist quietschbunt, allein das Budget für Pomade und roten Lippenstift dürften sechsstellig gewesen sein und auf die Kostüme wäre jede Bad Taste Party stolz.
Wer hier also eine sinnvolle Handlung, gut gezeichnete Charaktere und gar so etwas wie Realismus erwartet, der ist bei Cry-Baby komplett falsch. John Waters klaut an jeder Ecke, es gibt ein bisschen Romeo & Julia, ein bisschen Grease, ein bisschen Denn sie wissen nicht, was sie tun und so viele Anspielungen auf die Popkultur von 1951 bis 1990, dass man nicht dem Aufzählen nicht hinterherkäme. Das alles geschieht aber mit einer Selbstverständlichkeit und Genialität, dass man dem bunten Treiben einfach nur fassungslos und bestens unterhalten zusehen kann.
Johnny Depp liefert mit seinen 27 Jahren schauspielerisch schon unglaublich ab, was in diesem Fall heißt, dass er Overacting par Excellence betreibt. Seine Kollegin Amy Locane bleibt dahinter zwar ein wenig zurück, da ihr Spiel im Vergleich eher minimalistisch ausfällt, doch auch sie hat ihre Momente. Außerdem ist sie so atemberaubend hübsch, dass man in jeder Sekunde nachvollziehen kann, dass um ihre Gunst ein Bandenkrieg entbrennt. Das Ensemble wird ergänzt durch Pornolegende Traci Lords, Punk-Godfather Iggy Pop, oder auch Willem Dafoe in einer wundervollen Kleinstrolle.
Cry-Baby versteht sich als Musical, auch wenn im Vergleich zu anderen Vertretern dieser Gattung recht wenig gesungen wird. Die Handlung ist die eines klassischen Spielfilms, die Songs sind bestenfalls Ergänzung und dienen mehr der Stimmung als der Story. Und auch wenn weder Johnny Depp noch Amy Locane selbst singen, die Musik ist großartig und die beiden performen, als würde ihr Leben davon abhängen.
Abschließend gilt: Man kann Cry-Baby nur lieben oder hassen, dazwischen gibt es nichts. Wer Grease und die Rocky Horror Picture Show mochte, wird auch mit Cry-Baby etwas anfangen können, wobei Rocky Horror Picture Show stilistisch sicher näher ist als Grease.
Details der Blu-ray:
Man kann darüber streiten, ob ein Blu-ray Release für Cry-Baby wirklich nötig gewesen wäre. Viel Aufwand wurde zumindest offenbar nicht betrieben. Das Bild ist zwar deutlich besser als seinerzeit auf VHS, vom HD-Standard aber immer noch meilenweit entfernt. Das macht aber nicht viel, als Gesamtkunstwerk funktioniert er trotzdem wunderbar. Ärgerlicher ist da schon, dass auch der Ton reichlich dünn aus den Boxen rieselt. Das hätte man sich bei einem Musik-lastigen Film definitiv anders gewünscht. Etwas besser steht die Originalversion da, die außerdem den großen Vorteil bietet, dass Johnny Depp nicht von einem Elfjährigen synchronisiert wurde. Bonusmaterial gibt es außer ein paar Trailern leider nicht.
Cover & Bilder © Studio Hamburg Enterprises GmbH Das Fazit von: Dan DeMento
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