Ex Drummer

Ex Drummer

Originaltitel: Ex Drummer
Genre: Drama
Regie: Koen Mortier
Hauptdarsteller: Dries Van Hegen
Laufzeit: BD (105 Min)
Label: Camera Obscura Filmdistribution
FSK 16

Ex Drummer   19.04.2021 von Dan DeMento

2007 erschien mit Ex Drummer das Regiedebüt des belgischen Filmemachers Koen Mortier, und wurde direkt zu einem handfesten Skandalfilm. Das schicke Mediabook von Camera Obscura und AL!VE hat uns inspiriert, uns anzusehen wie viel Skandalpotential der Film 14 Jahre später noch zu bieten hat.
 
Inhalt:
 
Die drei Verlierer Koen (Norman Baert), Jan (Gunter Lamoot) und Ivan (Sam Louwyck) haben einen ehrgeizigen Plan: Sie wollen Rockstars werden, zumindest für ein einziges Konzert. Allerdings fehlt ihnen dafür noch ein Schlagzeuger. Mann ihrer Wahl ist der berühmte Schriftsteller Dries (Dries Van Hegen), der überraschenderweise sogar mitmacht. Er kann zwar nicht besonders gut Schlagzeug spielen, was zwischen einem tauben Gitarristen, einem lispelnden Sänger und einem Bassisten mit steifem Arm aber nicht besonders auffällt. Schließlich sind "The Feminists" vollzählig, der erste Song geschrieben und die Bühnenpremiere beim Nachwuchswettbewerb in Leffinge gebucht. Der vermeintliche Trumpf der Kapelle: Das Mitglied hat ein Handycap. Doch leider hat jedes der Bandmitglieder noch ganz andere Probleme. Koen empfindet sexuelle Lust nur wenn er Frauen verprügelt, Ivan lässt Frau und Kind in einer Drogenhöhle verwahrlosen, Jan ist heimlich schwul und hält seinen Vater in Zwangsjacke in seinem Bett gefangen. Und der Schriftsteller hat mit den drei gescheiterten Existenzen seine ganz eigenen Pläne...
 
Belgien hat im Vergleich zu seiner Größe eine beeindruckende Zahl von bekannten Künstler aller Fachrichtungen hervorgebracht. Während Filmfans wohl zuerst Jean-Claude Van Damme und vielleicht sogar noch Big Bang Theory - Star Johnny Galecki einfallen, schätzen Kunstfreunde je nach Generation eher Peter Paul Rubens oder Lucky Luke Erfinder Morris. Der belgische Autor Herman Brusselmans ist international weniger bekannt, genießt im eigenen Land aber einen ebenso zweifelhaften Ruf wie ein Michel Houellebecq oder - um in die Welt des Films zurückzukehren - ein Lars von Trier. Brusselmans Romane drehen sich primär um Sex, Drogen, Langeweile und Gewalt und aus dessen Feder statt auch die Vorlage zu Ex Drummer.
 
Mit einer gemeinhin als unverfilmbar geltenden und von sämtlichen Förderstellen abgelehnten Vorlage ausgerüstet, gab Regisseur Koen Mortier trotzdem nicht auf, fand Investoren im Ausland und drehte Ex Drummer schließlich komplett in Eigenorganisation. Das sieht man dem Film auch an, in diesem Fall ist das aber ein großer Vorteil. Ex Drummer ist dreckig. Das gilt für die Musik ebenso wie für die Kameraführung und die Kleidung und Wohnungen der Akteure. Aber unter diesem Wort lässt sich auch die gesamte Handlung des Films zusammenfassen. Während der Grundplot wohl am ehesten noch als extrem finstere Komödie durchgeht, ist Ex Drummer gewürzt mit komplett surrealen Einschüben, expliziten Gewaltausbrüchen, Hardcore-Sexszenen und Skinheads, die an Zimmerdecken entlanggehen.
 
In einer auf Hochglanz polierten Produktion hätte all das nicht funktioniert. Ex Drummer ist ein Film, den niemand gemacht hätte, der sich über dessen kommerzielle Verwertung Gedanken gemacht hätte. Und genau das hat den Film über die letzten 14 Jahre zu dem Kultfilm gemacht, der er heute ist.
 
Von der ersten Sekunde an ist man als Zuschauer sehr verwirrt, bleibt es durchgehend, hat irgendwann das Gefühl etwas verstanden zu haben, wird dann eines Besseren belehrt und spätestens zum Finale begreift man gar nichts mehr. Vermutlich muss man Ex Drummer sehr oft gesehen haben, um ihn wirklich zu verstehen. Oder er ist einfach wirklich genau so wahnsinnig und absurd, wie man denkt.
 
Die Parallelen zu Trainspotting sind unverkennbar, trotzdem würde man in keiner Sekunde Gefahr laufen, die beiden Filme zu verwechseln. Während Danny Boyles Werk - und damit soll dessen Großartigkeit nicht im Geringsten in Zweifel gezogen werden - eine doch recht gut verträgliche Dramedy mit vereinzelten skandalösen Szenen ist, ist Ex Drummer eine einzige Aneinanderreihung von Absurdität, Gewalt, Sex, Blut, Dreck und menschlichen Abgründen.
 
Der Film hat über die Jahre nichts von dem Sog eingebüßt, in den er den Zuschauer zieht, und ist damit auch heute nichts für zarte Gemüter. Manche der Dialoge muten doch recht unbeholfen und unfreiwillig komisch an, das ist aber wohl auch der deutschen Übersetzung geschuldet. Der Einsatz von Blut, Dreck und anderen Flüssigkeiten löst aber auch im Jahre 2021 den Wunsch aus, nach Ende des Films heiß duschen zu gehen.
 

Bildergalerie von Ex Drummer (4 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Einen gestochen scharfen Film wird aus dem verwackelten, halbprofessionellen Ex Drummer niemand machen können. Im Rahmen der Möglichkeiten sieht die Blu-ray Veröffentlichung aber unglaublich gut aus. Das zeigt sich vor allem in den Außenszenen, die sehr natürlich und klar aussehen, und darin dass es selbst beim finalen Konzert im dunklen Club keine Bildstörungen und kaum Rauschen gibt. Auch der Ton kommt solide aus den Boxen, wird klar von der Musik dominiert, was hier aber absolut Absicht ist.
 
Richtig schön ist das Mediabook umgesetzt. Im 16-seitigen Booklet bekommt man viel Interessantes über Film und Regisseur, was durch ein Making Of und ein Interview auf der Scheibe noch ergänzt wird. Die abgegriffene braune Optik, in der das Mediabook gehalten ist, passt gut zum Film und ist für Fans eine wahre Zierde im Regal. Für Sammler besonders angenehm: Der unansehnliche FSK-Aufkleber ist auf der Folie angebracht, nicht direkt auf dem Mediabook und hinterlässt entsprechend keinerlei Spuren. An Bonusmaterial gibt es zusätzlich zum oben erwähnten noch einige Musikvideos, Trailer, sowie zwei Kurzfilme des Regisseurs.


Cover & Bilder © Camera Obscura Filmdistribution / Produktfotos: www.sofahelden.de


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Könnte man Punkrock sehen, er würde aussehen wie Ex Drummer. Gnadenlos, kompromisslos, dreckig, laut und politisch unkorrekt - Und auch fast 15 Jahre nach seiner Entstehung immer noch eine echte Ansage. Mir würde spontan kein vergleichbarer Streifen einfallen. Wer es gerne etwas härter mag und wer sich gerne abseits des Mainstreams bewegt, für den führt an Ex Drummer kein Weg vorbei. Zarte Gemüter und Hygienefanatiker sollten eher die Finger weglassen. In der Coronazeiten kommt der Streifen aber wie gerufen. Mein vorher deutlich bestehendes Bedürfnis, schwitzend in einer Menschenmenge auf einem lauten Konzert zu weilen, war danach erstmal wie weggeblasen.


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