Gefühl und Verführung

Gefühl und Verführung

Originaltitel: Stealing Beauty
Genre: Drama
Regie: Bernardo Bertolucci
Hauptdarsteller: Liv Tyler
Laufzeit: DVD (114 Min) • BD (118 Min)
Label: Koch Films GmbH
FSK 12

Gefühl und Verführung   24.07.2021 von Dan DeMento

Ein Film mit Liv Tyler, Jeremy Irons, Rachel Weisz und Joseph Fiennes, inszeniert von Regielegende Bernardo Bertolucci - an den sich trotzdem so gut wie niemand mehr erinnert? Zur Blu-ray Veröffentlichung von Koch Films haben wir uns angesehen, woran das liegt, und ob Gefühl und Verführung mehr zu bieten hat als einen beeindruckenden Cast.
 
Inhalt:
 
Nach dem Tod ihrer Mutter wird die 19jährige Amerikanerin Lucy (Liv Tyler) in eine Künstlerkommune in der Toskana geschickt, vorgeblich um dem Bildhauer Ian (Donal McCann) Modell zu stehen. Doch ihre wahren Gründe sind andere, denn aus den Tagebüchern ihrer Mutter hat sie erfahren, dass ihr amerikanischer Vater nicht ihr leiblicher ist. So versucht sie, das Geheimnis ihrer Herkunft zu klären, denn sie wurde im Jahr 1975 in ebendieser Kommune gezeugt. Doch ist es der schwerkranke Schriftsteller Alex (Jeremy Irons) oder Carlo (Carlo Cecchi), der ihrer Mutter jahrelang Briefe schrieb? Und wie das so ist in der Toskana, kommt Lucy dann plötzlich auch noch die Liebe in den Weg...
 
Den italienischen Regisseur Bernardo Bertolucci darf man ohne schlechtes Gewissen zu den Legenden der Branche zählen, verdanken wir ihm doch Werke wie Der letzte Tango in Paris, Der letzte Kaiser, The Dreamers oder auch den recht speziellen Little Buddha mit Keanu Reeves. Doch gerade seinem Spätwerk wird gerne nachgesagt, dass sein Fokus da eher auf der Unterbringung nackter junger Frauen lag als auf der eigentlichen Geschichte. Trotzdem sollte bei so einer Besetzung doch relativ wenig schiefgehen, oder?
 
Dazu muss man das Ganze vielleicht ein wenig in den damaligen Kontext setzen: Es war 1995, Liv Tyler war noch nicht Arwen und noch nicht einmal in Armageddon, sondern "nur" die Tochter von Aerosmith-Sänger Steven Tyler, die gerne Schauspielerin werden wollte. Auch Rachel Weisz war noch nicht in Die Mumie und Joseph Fiennes nicht in Shakespeare in Love. All diese jetzt großen Namen lieferten in Gefühl und Verführung ihr Leinwanddebut ab. Einzig Jeremy Irons war schon eine gute Zeit im Geschäft und mit Stirb langsam: Jetzt erst recht auf dem damaligen Höhepunkt seiner Karriere. Wenn man Bertolucci in diesem Zusammenhang also eines unterstellen darf, dann ein sehr gutes Händchen bei der Wahl seiner Darsteller.
 
Doch leider hat der Film außer einer hübschen Landschaft und vielen hübschen nackten jungen Frauen tatsächlich nicht viel zu bieten. Die Geschichte ist und bleibt trotz an sich recht interessanter Charaktere sehr flach und eintönig und erstreckt sich über gefühlt stundenlange Dialoge. Das wäre an sich ja noch erträglich, hätte der Film denn wenigstens etwas zu erzählen. Doch mal kommt immer mehr zu dem Eindruck - wobei wir wieder bei der Kritik an Bertoluccis Spätwerk wären - dass der Kernpunkt der Geschichte doch eigentlich ist, wann - und von wem - die keusche Lucy sich endlich entjungfern lässt. Denn das versuchen ausnahmslos alle männlichen Protagonisten gleich welchen Alters von Anfang an, und als einer von ihnen schließlich Erfolg hat, endet der Film dann auch. Dazu passt der Originaltitel Stealing Beauty übrigens noch ein bisschen besser als der deutsche.
 
Und so kommt man nicht umhin, sich im Laufe des Films immer mehr wie in einem sehr langatmigen 70er-Jahre-Erotikstreifen zu fühlen, nur dass dieser außerordentlich gut besetzt ist. Außer hübschen Hügeln in jeglicher Form hat Gefühl und Verführung leider wirklich nicht viel zu bieten.
 

Bildergalerie von Gefühl und Verführung (5 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
Obwohl man dem Film sein Alter ein wenig ansieht, ist das Bild klar, scharf und ohne Störungen. Die Tonspur hat nicht viel zu tun, da es 99% Dialoge und sanfte Hintergrundmusik gibt, ist aber ordentlich abgemischt und in Original- wie deutscher Synchronfassung hochwertig gestaltet. Das Bonusmaterial ist mit Behind the Scenes Material, Interviews und Trailern angenehm üppig ausgefallen.


Cover & Bilder © Koch Films GmbH


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

Ich hatte wirklich ein schlechtes Gewissen, Gefühl und Verführung nicht zu kennen. Eine tolle Besetzung, ein Regisseur, der einige Filme, die ich sehr mag zu verantworten hat... Doch schnell habe ich festgestellt, dass ich nichts verpasst habe. Bei allem Respekt für Bertolucci, Gefühl und Verführung ist als Kunst getarnter Voyeurismus, und das Drehbuch augenscheinlich darauf ausgelegt, dass Liv Tyler und Rachel Weisz möglichst oft aus fadenscheinigen Gründen blankziehen. Aus männlicher Sicht ist dem nichts vorzuwerfen, aus cineastischer fühle ich mich ein wenig betrogen. Wer Bertolucci mag, sollte lieber Der letzte Tango in Paris schauen, wer Liv Tyler mag, lieber den völlig unterschätzten Lonesome Jim und wer diese Art Film mag, lieber nachts auf Kabel 1. Gefühl und Verführung darf man sich getrost sparen.


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