Triangle of Sadness
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BEWERTUNG |
24.03.2023 von Dan DeMento
Spätestens seit The Square, mit dem er 2017 die Goldene Palme in Cannes gewann, ist der schwedische Regisseur Ruben Östlund auch außerhalb der Arthaus-Szene ein Begriff. Auch sein aktuelles Werk Triangle of Sadness hat bereits eine Palme, gleich fünf EFA-Auszeichnungen und sogar eine Oscar-Nominierung vorzuweisen. Die Qualität der satirischen Komödie steht somit völlig außer Frage - oder? Zum Heimkino-Start haben wir einen genauen Blick auf die Luxusyacht und ihre Passagiere geworfen.
Inhalt:
Yaya (Charlbi Dean Kriek) ist ein erfolgreiches Model, Carl (Harris Dickinson) war einmal eines, ist mit seinen 26 Jahren aber eigentlich schon wieder zu alt für das Business. Und während es für ihn die große Liebe ist, sieht sie in ihrer Beziehung doch eher eine effektive Maßnahme zur Steigerung der Instagram-Follower. Offenbar geht ihr Plan auf, denn schließlich ergattern die beiden den Influencer-Jackpot: Gratis VIP-Tickets für eine Luxus-Kreuzfahrt, inklusive Dinner mit dem Kapitän (Woody Harrelson). Hier entdecken die beiden jetzt die Welt der wirklich Reichen, die stets bekommen was sie wollen - und wenn Vero (Sunnyi Melles), die reiche Gattin eines russischen Düngemittelherstellers, sich wünscht, dass die gesamte Crew über eine Wasserrutsche im Meer planscht, dann geschieht das. Zumindest, bis Piraten die Yacht überfallen und es ein armseliges Häufchen von sieben Überlebenden auf eine nahe Insel verschlägt. Plötzlich ändern sich die Machtverhältnisse drastisch, denn jetzt ist Toilettenmanagerin Abigail (Dolly de Leon) die einzige, die Fische fangen oder Feuer machen kann. Und die ist für Versprechen finanzieller Art leider so gar nicht empfänglich...
Ruben Östlund tut mit Triangle of Sadness wieder einmal das, was er am besten kann. Möchte man bösartig sein, könnte man auch sagen, er tut exakt dasselbe, was er auch schon in The Square getan hat. Das ist grundsätzlich richtig, allerdings ist auch nichts Falsches daran. War es in seinem 2017er Film die Kunstszene, der Östlund einen Spiegel vorhielt, so erwischt es diesmal die Welt der Reichen und Schönen - wobei der finanzielle Aspekt deutlich im Vordergrund steht.
Denn während das erste Drittel von Triangle of Sadness in der Modeszene angesiedelt ist und wir gestählte Körper beiderlei Geschlechts serviert bekommen, überwiegt in Teil Zwei, der auf der Yacht spielt, das reine Geld. Jeder hier - von unseren beiden Influencern vielleicht einmal abgesehen - hat davon so viel, dass es jeden Wert verloren hat. Es zählt nicht mehr, was am meisten hat, sondern nur noch, wie viel Macht man damit ausüben kann. Es gibt Oligarchen, Software-Entwickler, Waffenhändler und Großindustrielle, doch in all ihrer schillernden Exzentrik verschwinden diese regelmäßig im Hintergrund.
Denn Ruben Östlund gelingt etwas, das einem erst auf den zweiten Blick wirklich bewusst wird: Es gibt kaum eine Szene, in der die stilisierte Schönheit des Luxuskreuzers nicht irgendwie getrübt wird. Es wird immer gearbeitet, in jeder Einstellung ist ein Mitglied der Crew zu sehen, das arbeitet, putzt, bedient oder eine Fliege verscheucht. Manchmal passiert das ganz deutlich im Vordergrund, zum Beispiel wenn der Sauberkeitszustand nichtexistenter Segel mokiert wird, viel effektiver ist es aber, wenn es sich unkommentiert im Hintergrund abspielt.
Und so ist es auch plötzlich eine ganz andere Figur, die durch dieses zweite Kapitel führt, und zwar die Chefstewardess Paula, gespielt von der Dänin Vicki Berlin, die zwar auch schon 20 Jahre im Geschäft ist, international aber bisher noch nicht groß aufgefallen ist. Madame Paula schickt ihre Spielfiguren mit eine Gelassenheit und Ignoranz über das Spielfeld, das jeder, der schon einmal in irgendeiner Form in einem Service-Beruf unterwegs war, sofort wiedererkennen wird.
Und genau dieser Trubel, diese Hektik und dieser gelegentlich schiere Wahnsinn an Bord der Yacht ist es, wo die ganze Brillanz Östlunds deutlich wird. Jede Anspielung und jeden Fallstrick zu erwähnen, der hier gelegt wird, würde viel zu weit führen und den Genuss von Triangle of Sadness auch erheblich schmälern. Doch wie hier beinahe jedes Element, vom 50-Euro-Schein bis zur Handgranate, mühsam konstruiert und dann im genau richtigen Augenblick so beiläufig gezündet wird, dass man fast Gefahr läuft, es zu verpassen, dass ist ganz große Handwerkskunst.
Und sogar "unsere" Iris Berben ist mit an Bord - als von einem Schlaganfall an den Rollstuhl gefesselte und sprachlich eingeschränkte Industriellengattin Therese, deren Beitrag zu Gesprächen auf den Satz "In den Wolken!" beschränkt ist. Das ist genauso skurril, wie es klingt, funktioniert aber gerade im späten Verlauf des Films extrem gut und zeigt wieder einmal sehr deutlich, dass die Figuren, so seltsam sie auch sein mögen, bei Östlund nie Mittel zum Zweck oder bloßer Lacher sind, sondern auch diese gerne und oft zu den oben erwähnten Fallstricken beitragen.
Das - ohnehin spärliche, weil Arthaus - Marketing bezog sich im Vorfeld fast ausschließlich auf die Rolle von Woody Harrelson als Kapitän und das dazu passende Captain´s Dinner und dessen Folgen. Während sich der geneigte Leser in Bezug auf zweiteres aus der Kombination Alkohol, Meeresfrüchte und schwerer Seegang vermutlich problemlos selbst einen Reim machen kann, wollen wir auf Herrn Harrelson etwas genauer Bezug nehmen. Sein Auftritt ist klein - es ist zu vermuten, dass er nicht allzu viele Drehtage hatte, da sich seine Anwesenheit auf lediglich zwei Orte an Bord beschränkt - aber gewaltig. Zu viel soll aus spoilertechnischen Gründen auch hier nicht verraten werden, aber die Szene, in der der kommunistische amerikanische Kapitän und der kapitalistische russische Düngerfabrikant sich gegenseitig ihre Lieblingszitate um die Ohren hauen, zählt zu den besten des gesamten Films. Und sogar hier zeigt sich der mal mehr, mal weniger subtile Rote Faden von Triangle of Sadness, denn besagte Zitate werden nicht etwa auswendig vorgetragen, sondern schnell auf den Smartphones gegoogelt.
"Mal mehr, mal weniger subtil" ist insgesamt ein ganz gutes Stichwort. Triangle of Sadness ist bisher auf jeden Fall Ruben Östlunds mainsteamigstes Werk und auch deutlich komödienhafter als der Quasi-Vorgänger The Square oder der ebenfalls im gleichen Fahrwasser angelegte Höhere Gewalt. Trotzdem bleibt einem auch hier das Lachen noch regelmäßig im Halse stecken und auch wenn man viel vorausahnen kann und einem der ein oder andere Moment vage bekannt vorkommt, funktioniert Triangle of Sadness immer noch extrem gut, mit seinen skurrilen Figuren, seiner teilweise schon schmerzhaften Langsamkeit und in seinem gelegentlichen vollkommenen Verzicht auf filmische Konventionen.
Abschließend bleibt nur zu sagen, dass Triangle of Sadness ein typischer Östlund ist. Wer Höhere Gewalt und The Square mochte, wird ihn lieben, wer Angst vor einer zweieinhalbstündigen Satire mit höchst seltsamen Humor hat, der wird alle drei hassen.
Details der Blu-ray:
Spätestens hier zeigt sich, wie erfolgreich Östlund mittlerweile ist und welche Budgets ihm zur Verfügung stehen. Das Bild ist traumhaft, die drei Kapitel sind durchstilisiert und die Qualität ist immer einwandfrei, vom Blitzlichtgewitter einer Modenschau bis zu einer beinahe komplett schwarzen Nacht auf einer Insel. Selbiges gilt für den Ton, die englische Atmos-Fassung ist gigantisch, aber auch die deutsche Mischung kommt mit ordentlich Druck aus den Boxen, was gerade in den lauteren Momenten oder beim geschickten Einsatz des Soundtracks richtig Spaß macht. An Bonusmaterial gibt es eine Hörfilmfassung, einige Interviews sowie Trailer.
Cover & Bilder © AlamodeFilm. Alle Rechte vorbehalten. / © Fredrik Wenzel Das Fazit von: Dan DeMento
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