American Carnage

American Carnage

Originaltitel: American Carnage
Genre: Horrorkomödie
Regie: Diego Hallivis
Hauptdarsteller: Jorge Lendeborg Jr.
Laufzeit: DVD (96 Min) • BD (100 Min)
Label: Tiberius Film
FSK 16

American Carnage   27.04.2023 von Dan DeMento

"This American carnage stops right here and stops right now." Diese geflügelten Worte eines orangen Ex-Präsidenten liefern den Titel für den aktuellen Film von Diego Hallivis - und der wiederum liefert Sozialkritik, Comedy, Horror und This Genereration's Scream Queen Jenna Ortega. Wie gut all das zusammenpasst, verraten wir euch - in unserem Bericht zu American Carnage.
 
Inhalt:

Gouvernour Harper Finn (Brett Cullen) will Präsident werden, und bei mindestens einem seiner Vorgänger hat er gelernt, was Wählerstimmen bringt. Und so lässt er kurzerhand sämtliche illegalen Einwanderer verhaften - samt deren Kinder, die der Mittäterschaft angeklagt werden. Einer der verhafteten Jugendlichen ist JD (Jorge Lendeborg Jr.), der mit seinem Leben als Burgerbrater bisher eigentlich ganz zufrieden war. Die einzige Möglichkeit, der Haft und damit der drohenden Deportation zu entgehen: Freiwilliger Dienst in einer Seniorenresidenz unter der Leitung von Dr. Eddie (Eric Dane). Dort angekommen freundet sich JD schnell mit einigen Mithäftlingen, darunter die unnahbare Camilla (Jenna Ortega) und der paranoide Chris (Jorge Diaz), an. Doch schnell wird allen klar, dass innerhalb der Mauern des Altenheims einiges nicht mit rechten Dingen zugeht - und plötzlich ist Chris, nach einem nächtlichen Fluchtversuch, verschwunden.
 
Alter Verwalter, was für ein Ritt! American Carnage bringt von Anfang an so viel mit, dass man als Zuschauer fast nur überfordert zusehen kann. Kurz bekommen wir unsere Hauptcharaktere, allesamt Latinos, vorgestellt, da tritt Homeland Security auch schon die Türen ein und ein paar Minuten später finden wir uns in einem grusligen Altenheim wieder. Und dieses Tempo, und vor allem auch dieses Überangebot an Handlung hält der Film konsequent bis zum Ende durch. Denn in dem mit 100 Minuten recht knackigen Horrorstreifen bekommen wir Rassismuskritik, Kritik am Gesundheitsswesen, Teenie-Romantik, vereinzelte Schockmomente, eine kleine Detektivstory und sogar ein, zwei recht deftige Szenen. Das alles scheinbar random und selten vorhersehbar - das alles macht American Carnage zu einem der seltsamsten Filme des bisherigen Jahres.
 
Und was sich vielleicht wie Kritik liest, ist genau das Gegenteil. Denn diese Unvorhersehbarkeit macht den Film extrem kurzweilig und stellenweise unglaublich witzig. Man hat oft das Gefühl, für das Drehbuch hätten ein paar Leute an einem Tisch gesessen und der Satz "Hey, wie wär's denn, wenn DAS auch noch passiert?" wäre stets mit Johlen und einer neuen Filmszene quittiert worden.
 
Denn rein plottechnisch erfindet auch American Carnage das Genre nicht gerade neu. Grusliges Krankenhaus, voller grusliger alter Menschen, dazu grusliges Personal und mit dem aus Grey´s Anatomy bekannten "Dr. Mark Sloan" Eric Dane ein Klinikleiter, der so sympathisch ist, dass ihn das zum Grusligsten von allen macht. Darin bewegen sich unsere fünf Freunde, die einer nach dem anderen dezimiert werden. Dazu eine Prise rassistisch motivierter Paranoia in bester Get Out Manier, wenig, aber dann wirklich schönen Bodyhorror und - Stichwort "Alles in Ordnung Mr. Phillips?" einen Jawdropper vom Feinsten. In diesem Zusammenhang rate ich DRINGEND davon ab, sich den Trailer zu American Carnage zu Gemüte zu führen, in dem nämlich leider nicht nur diese, sondern auch beinahe jede andere herausragende Szene vorweg genommen wird.
 
Und solche Szenen gibt es - gerade für eine Independent-Produktion - erstaunlich viele, denn die Kameraarbeit ist unglaublich gut. Verantwortlich dafür ist ein junger Mann namens Unax Mendia, der den wenigsten etwas sagen dürfte, der aber auch schon an den beiden Erfolgsserien Haus des Geldes und Élite beteiligt war. Und auch die Besetzung des Films - denn was nützt die beste Kameraarbeit, wenn das, worauf sie gerichtet ist, nichts taugt? - kann sich wirklich sehen lassen. Natürlich baut das Marketing nach dem unglaublichen Erfolg der Netflix-Serie Wednesday fast ausschließlich auf Jenna Ortega auf, die aber eigentlich nur eine der Nebenrollen spielt. Zwar handelt es sich hier nicht gerade um den Bruce-Willis-Effekt, der in den letzten auch bei nur einem halben Satz im Film gerne die Direct-to-DVD-Cover diverser D-Actioner formatfüllend zierte, trotzdem wird dem tatsächlichen Hauptdarsteller Jorge Lendeborg Jr. damit sträflich unrecht getan. Denn der ist mit Auftritten in den aktuellen Spider Man Filmen, Alita: Battle Angel oder dem Transformers-Spinoff Bumblebee erstens auch kein unbeschriebenes Blatt mehr, und macht zweitens seine Sache wirklich gut. Von der ersten Sekunde an ist er eine würdige Identifikationsfigur, dessen Schicksal dem Zuschauer bis zum Ende nicht egal sein dürfte.
 
An dieser Stelle sei ein kleiner Einschub zu Jenna Ortega erlaubt, denn deren Omnipräsenz gerade im für seine ohnehin nicht immer sehr toleranten Fans bekannten Horror-Genre lässt bereits einige böse Stimmen laut werden. Vereinzelt werden sogar Parallelen zu Megan Fox gezogen, die 10 Jahre früher einen ähnlich raketenhaften Aufstieg und kurz darauf einen ebenso rasanten Absturz verzeichnete. Zwar können nicht einmal wir in die Zukunft blicken, doch zumindest im Moment schafft es Miss Ortega extrem gut, sich für Rollen in Filmen zu entscheiden, die genug Mainstream sind, um Erfolg zu versprechen, aber auch Independent genug, um schauspielerisch interessant zu bleiben. Beste Beispiele dafür sind der Foo-Fighters-Horror Studio 666, Ti West´s Slasher-Hommage X - und eben jetzt American Carnage.
 
Denn der erinnert auf die beste Art und Weise an die goldenen Zeiten des Horror-Genre, als Legenden wie Halloween und Freitag der 13. geboren wurden, die zwar blutig und unterhaltsam waren, vor allem unter ihrer Fassade auch extrem politisch. Und das wird in American Carnage teils ganz offen gezeigt, teils wirkt es durch seine hyperstilisierte Erzählweise, wenn zum Beispiel ein martialischer Aufseher eine Rede hält, die vor Klischees nur so tropft oder wenn ein ziemlich offen rassistisch agierender Gouverneur schon rein sprachlich vermutlich ganz zufällig einem gewissen Ex-US-Präsidenten nachempfunden scheint.
 
Nicht alles in American Carnage ergibt Sinn, nüchtern betrachtet ergibt sogar das meiste keinen Sinn, allzu ernst sollte man den Film also nicht nehmen. Doch das war wohl auch nicht die Intention der Macher, denn so wie er ist, bekommt der geneigte Filmfreund solide eineinhalb Stunden beste Unterhaltung geboten. Klare Empfehlung!
 

Bildergalerie von American Carnage (6 Bilder)

Details der Blu-ray:
 
In keiner Sekunde sieht man American Carnage seinen Independent-Stempel an. Technisch wurde hier auf höchstem Niveau gearbeitet, und selbiges gilt für die Scheibe: Bild und Ton sind sauber, kristallklar, frei von Störungen oder Rauschen und der Ton kommt mit teilweise mächtig Druck aus der Anlage. Die deutsche Synchro ist technisch gut, in der Wahl der Stimmen teilweise aber Geschmackssache. Ganz nebenbei sei schon allein deswegen zum Originalton geraten, weil Jenna Ortega eine der schönsten Stimmen der aktuellen Filmlandschaft hat. Bei den Extras wurde leider ein bisschen gespart, hier bekommen wir nur einige Trailer geboten.


Cover & Bilder © Tiberius Film GmbH


Das Fazit von: Dan DeMento

Dan DeMento

American Carnage ist meine erste große Überraschung des noch recht jungen Filmjahres. Gelockt - natürlich - durch Jenna Ortega, aber auch durch die recht surreal wirkende Handlung, wurde ich in keinster Weise enttäuscht. Der Zuschauer bekommt eine reine Achterbahnfahrt geboten, die einige Genres anschneidet und von Anfang bis Ende unterhaltsam ist. Wirklich in die Tiefe geht der Film - bei aller Sozialkritik - nicht und auch in punkto Grusel oder gar Splatter braucht man nicht allzu viel erwarten. American Carnage ist eher als satirische Komödie zu verstehen, die sich ziemlich erfolgreich als Horrorstreifen verkleidet hat. Einer meiner Geheimtipps für dieses Jahr!


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